Chaotische Zustände

„Wilde Prärie“: Kern wettert gegen Deutsche Bahn

Ausland
29.01.2025 14:50

Verspätungen, Ausfälle: Schon seit Jahren kommt die Leistung der Deutschen Bahn kaum mehr auf Schiene. Zu der Misere meldete sich nun auch Ex-Bundeskanzler, Ex-ÖBB-Chef und nunmehriger Bahn-Manager Christian Kern zu Wort. Eine Fahrt über die Grenze sei wie eine Fahrt in die „wilde Prärie“.

Kern sieht im Gespräch mit der deutschen „Zeit“ (Donnerstag-Ausgabe) ein Führungsproblem bei der DB. „Es gibt bei der Deutschen Bahn zu viele Ebenen, zu viele Manager, die da durch die Gegend laufen, dazu noch etliche Unternehmensberater. So wird das nie was“, betonte Kern.

Erst am Dienstag hatte ÖBB-Chef Andreas Matthä bei einem Pressegespräch zu den Schwierigkeiten beim Nachbarn gemeint: „In Deutschland ist kein einziger Güterzug pünktlich.“ Die ÖBB würden in Wien mittlerweile 30 Personen beschäftigen, die alleine den Verkehr von ÖBB-Güterzügen in Deutschland überwachten. Bei aller Kritik an der Deutschen Bahn nahm Kern allerdings deren Chef Richard Lutz in Schutz: „Lutz ist ein exzellenter Mann. Kenntnisreich, er verdient Vertrauen.“

Wer derzeit mit der Deutschen Bahn verreist, sollte ausreichend Zeitreserven mitbringen, vor allem im Fernverkehr bekommt das privatisierte Unternehmen die Situation nicht in den Griff. (Bild: AFP)
Wer derzeit mit der Deutschen Bahn verreist, sollte ausreichend Zeitreserven mitbringen, vor allem im Fernverkehr bekommt das privatisierte Unternehmen die Situation nicht in den Griff.

Kern fordert „Ansagen von oben“
Für Kern, von 2010 bis 2016 Chef der Österreichischen Bundesbahnen, braucht es bei der Deutschen Bahn „Ansagen von oben“ und eine Finanzierung unabhängig von Wahlergebnissen. Die Forderung der Politik, dass die Deutsche Bahn Gewinne einfahren müsse, hält Kern für „die größte Lebenslüge der Bahn“. Die Bahn-Infrastruktur sei Gemeingut und Staatsaufgabe. „Man muss sich davon verabschieden, dass man jemals echte Gewinne machen wird“, erklärte er.

„Ständig geht Familienmitglied in Weiten der DB verloren“
Der schlechte Zustand der DB schade seinem Unternehmen – der Ex-Kanzler ist Geschäftsführer der Wiener European Locomotive Leasing (ELL) – und auch privat. „Ständig geht ein Familienmitglied in den Weiten des deutschen Bahnnetzes verloren – also zumindest temporär“, beschreibt der Ex-Politiker der Republik Österreich seine „Sorgenfalten“.

Wobei er auch einen sportlichen Zugang entwickelt habe. „Ja, wissen Sie, wir in Österreich schwanken zwischen Selbstüberschätzung und Minderwertigkeitskomplex gegenüber dem großen Nachbarn, und wenn dann bei uns mal was deutlich besser läuft, dann ist da schon eine sportliche Freude“, merkte Kern gegenüber der „Zeit“ an.

Aus dem Nähkästchen der Parteipolitik
Und er plauderte aus dem Nähkästchen aus seiner Zeit als Bahnchef in Wien, als er das Management halbiert habe. Ich erinnere mich, dass ich bald nach dem Start den Fraktionschef der ÖVP angerufen habe und zu ihm sagte: „Ich werfe jetzt 15 Leute raus, die den Konservativen zugerechnet werden. Der war natürlich nicht einverstanden“, so der ehemalige SPÖ-Kanzler. Seine Antwort sei gewesen: „Wir können das gern auf einer Bühne vor der Öffentlichkeit diskutieren. Ich werde dann erklären, warum ich diese Leute für seine Plüschtiere halte, die ungeeignet sind und nur den Laden behindern. Nach einer Stunde war sein Widerstand dahin. Ich warf die Leute raus.“

Ähnliche Konflikte habe er aber auch mit seiner Partei, der SPÖ, ausgetragen. „Parteifreunde und der Betriebsrat kochten, als ich sozialdemokratische Leute vor die Tür gesetzt habe. In so einer Krise musst du die Kraft des Neuanfangs nutzen“, blickte Kern zurück.

„Da ist nur noch Lederhose, kein Laptop“
Kritische Worte findet Kern auch rund um Bahnfahrten nach Deutschland. „Wenn du aus Österreich über die deutsche Grenze fährst bei Salzburg, dann ist das, als ob du vom Silicon Valley in die wilde Prärie kommst, da ist nur noch Lederhose, kein Laptop.“ Hierbei spielt er auf Kritik an, wonach der Empfang und das Internet entlang vieler deutscher Bahnstrecken marode sei.

Hier stehe Österreich deutlich besser da. „Bei den ÖBB etwa bekommen wir Mittel immer für sechs Jahre garantiert, also nicht bloß für eine Legislaturperiode, und es wird auch fast dreimal so viel pro Bürger in die Schiene investiert. Die Deutschen fokussieren sehr viel stärker auf die Schuldenbremse“, so Kern.

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