Marianne Faithfull

Am Sonntag aß Mick Jaggers Muse immer Guglhupf

Society International
01.02.2025 21:26

Die österreichische Historikerin Barbara Stelzl-Marx kannte die am Donnerstag in London verstorbene Sängerin Marianne Faithfull persönlich. Gegenüber krone.at ließ sich die Forscherin Details aus dem Leben der Britin entlocken, die für viele bislang im Verborgenen geblieben sind.

Die BBC drehte über die gefeierte Sängerin, Schauspielerin und Diva eine Folge für die in England äußerst beliebte Dokumentation: „Who Do You Think You Are?“ Und wollte von der Forscherin Einschätzungen über den historischen Kontext von Faithfulls Herkunft. Im Dezember 2012 trafen sich die beiden für ein Interview in Wien.

„Als ich Marianne Faithfull für das Interview begegnen konnte, lag der Fokus auf einem Aspekt ihrer Biografie, der weit weniger publik war und auch jetzt in den zahlreichen Nachrufen nicht oder kaum zur Sprache kommt: Sie wuchs als Tochter einer österreichischen ,war bride‘ und eines britischen Geheimdienstoffiziers, der in Wien stationiert gewesen war, im Nachkriegsengland auf“, schildert Stelzl-Marx gegenüber krone.at. „Ich sollte für die BBC-Doku den Hintergrund der Beziehung ihrer Eltern darlegen. Und dieser war durchaus dramatisch“, führt die Wissenschaftlerin aus.

Barbara Stelzl-Marx ist Professorin für europäische Zeitgeschichte an der Universität Graz und Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung in Graz, Wien und Raabs. (Bild: Hoffmann/FWF)
Barbara Stelzl-Marx ist Professorin für europäische Zeitgeschichte an der Universität Graz und Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung in Graz, Wien und Raabs.

Mutter wurde Opfer einer Vergewaltigung
Ihre Mutter, Eva von Sacher-Masoch, sei die Großnichte von Leopold von Sacher-Masoch, dem Autor von Venus im Pelz, auf den der zweite Teil des Begriffes „Sado-Maso“ zurückgeht, gewesen. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges sei sie von Berlin, wo sie als Ballerina für die Max Reinhardt Company gearbeitet hatte, nach Wien gezogen. Nach der Befreiung durch die Rote Armee im April 1945 sei sie hier Opfer einer Vergewaltigung geworden. Als Wien schließlich im Sommer von allen vier Alliierten besetzt wurde, habe sie den britischen Geheimdienstoffizier Robert Glynn Faithfull kennengelernt.

 „Sie heiratete den ‚Spion‘, als sie bereits schwanger war, und wanderte schließlich als ‚Besatzungsbraut‘ nach Großbritannien aus, nicht zuletzt als Schutz vor weiteren Übergriffen“, erklärt Stelzl-Marx. Am 29. Dezember 1946 kam ihre einzige Tochter, Marianne Faithfull, auf die Welt. „Diese erzählte mir am Rande des Interviews, wie es sie als kleines Mädchen gestört habe, dass ihre Mutter einen Akzent im Englischen hatte und anders war als die Mütter ihrer Schulfreundinnen. Am Sonntag gab es oft einen typisch österreichischen Gugelhupf“, plaudert die Historikerin aus dem Nähkästchen.

Marianne Faithfull starb im Alter von 78 Jahren in London. (Bild: AFP/Samuel Kubani)
Marianne Faithfull starb im Alter von 78 Jahren in London.

Ein abenteuerliches Leben
Die meisten Eckdaten ihres „abenteuerlichen Lebens“, wie sie es selbst nannte, das von Höhen wie Tiefen gezeichnet war, sind allgemein bekannt: Faithfull begann ihre musikalische Karriere im zarten Alter von 17 Jahren, als sie 1964 vom Rolling-Stones-Manager Andrew Loog Oldham entdeckt wurde. Ihr erster großer Erfolg „As Tears Go By“, geschrieben von Mick Jagger und Keith Richards, atmete den Zeitgeist und machte sie über Nacht weltberühmt. Mit Hits wie „Come And Stay With Me“ und „This Little Bird“ etablierte sie sich als Ikone der „Swinging Sixties“ in London.

„Nacktes Mädchen auf Stones-Party“
Doch bald dominierten ihre Beziehung zu Mick Jagger, die von 1966 bis 1970 dauern sollte, und der exzessive Lebensstil die Berichterstattung. Vor allem die berüchtigte Razzia im Haus von Keith Richards im Februar 1967 stellte einen Wendepunkt dar: „Nacktes Mädchen auf Stones-Party“ lautete die Schlagzeile des „Evening Standard“. Marianne Faithfull fühlte sich danach als „gefallener Engel“. In den1970er Jahren glitt sie in die Drogenabhängigkeit ab, lebte teilweise auf der Straße und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück.

Trotz dieser Herausforderungen gelang ihr 1979 mit dem Album „Broken English“ ein beeindruckendes Comeback, mit heiserer, tieferer Stimme, die fortan ihr Markenzeichen werden sollte. 1987 folgte „Strange Weather“ mit dem Hit „The Ballad of Lucy Jordan“. Ihre Drogenabhängigkeit hatte sie zu diesem Zeitpunkt - endlich – überwunden. Neben ihrer Musikkarriere war sie auch als Schauspielerin erfolgreich und spielte in Filmen wie „Das Mädchen auf dem Motorrad“ (1968) und „Irina Palm“ (2007).

Nun ist Marianne Faithfull am 30. Jänner 2025 im Alter von 78 Jahren in London verstorben. Nicht nur ihre Lieder, auch das vor vier Jahren aufgenommene Spoken-Word-Album „She Walks in Beauty“ mit wunderbar vorgetragenen Gedichten von Lord Byron werden in Erinnerung bleiben. Ihr Leben war von Beginn an abenteuerlich. Und: „It has been rather wonderful“, meinte sie. Ein Farewell an Marianne Faithfull!

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