Die Bilder waren um die Welt gegangen und hatten Empörung ausgelöst: Bei der Siegerehrung der Fußball-WM der Frauen im August 2023 packte der damalige Chef des spanischen Fußballverbandes vor laufenden Kameras den Kopf der Spielerin Jennifer Hermoso und küsste sie grob auf den Mund! Eineinhalb Jahre nach dem Vorfall muss sich Luis Rubiales ab Montag wegen sexuellen Übergriffs und Nötigung vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft fordert zweieinhalb Jahre Haft.
Die weltweit im Fernsehen übertragene Szene löste einen öffentlichen Aufschrei aus, Kritiker werteten sie als Machtmissbrauch. Seit einer Reform des spanischen Strafrechts gilt ein nicht einvernehmlicher Kuss als sexueller Übergriff. Es habe sich lediglich um einen harmlosen „Kuss unter feiernden Freunden“ gehandelt, verteidigte sich Rubiales. Hermoso sei damit einverstanden gewesen. Statt wie erwartet zurückzutreten, hielt der Verbandschef wochenlang an seinem Amt fest und stellte sich als Opfer „eines falschen Feminismus“ dar.
Empört über diese Äußerungen brach Hermoso ihr Schweigen. Sie fühle sich „als Opfer einer impulsiven, sexistischen und unangebrachten Handlung“, mit der sie nicht einverstanden gewesen sei, sagte die routinierte Offensivspielerin. Rund drei Wochen später trat Rubiales schließlich doch zurück – zwei Tage nach Beginn der Ermittlungen gegen ihn.
Auch WM-Teamchef Vilda angeklagt
Rubiales wird nicht nur der Übergriff an sich zur Last gelegt. Er soll die Spielerin zudem genötigt haben, den Skandal zu vertuschen. Neben Rubiales sitzen drei weitere Männer vor Gericht in San Fernando de Henares am Rande von Madrid auf der Anklagebank: Ex-Teamchef Jorge Vilda, der Spaniens Frauen 2023 zum WM-Titel geführt hatte, sowie zwei ehemalige Funktionäre des Fußballverbands. Die Staatsanwaltschaft fordert jeweils eineinhalb Jahre Gefängnis für die drei, weil sie ebenfalls Druck auf Hermoso ausgeübt haben sollen, den Vorfall herunterzuspielen. Der Prozess soll bis zum 19. Februar dauern.
Sie habe nach dem erzwungenen Kuss geweint, sagte Hermoso in der Netflix-Dokumentation „Se acabó“ („Es ist vorbei“). Darin erzählte die mittlerweile 34-Jährige auch von dem Druck, dem sie ausgesetzt war. Der Fußballverband habe sie dazu zwingen wollen, in einem Video zu behaupten, der Kuss sei „nichts als Freude, Euphorie“ gewesen. Es sei darum gegangen, „den Präsidenten zu schützen – selbst wenn das bedeutete, dass Jenni dafür geopfert werden musste“, sagte die frühere Weltfußballerin Alexia Putellas in der Dokumentation.
„Nicht länger bereit, das hinzunehmen!“
Der Fall machte Hermoso, die inzwischen in Mexiko spielt, zu einer Symbolfigur im Kampf gegen Sexismus im Sport. Unter dem Hashtag #SeAcabó forderten die spanischen Fußballspielerinnen in den Online-Netzwerken Frauen auf, Macho-Gewalt und Ungerechtigkeit anzuprangern. Der Skandal habe gezeigt, dass „selbst in der Öffentlichkeit, vor den Augen der Welt, Gewalt verübt werden kann, weil einige Männer unfähig sind zu erkennen, dass sie gewalttätig sind“, urteilt die auf Genderthemen spezialisierte Journalistin Isabel Valdés von der spanischen Zeitung „El País“. Doch die spanische Gesellschaft sei „nicht länger bereit, das hinzunehmen“.
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