Alkoholfreier Genuss

Spaß im Glas auch ohne Promille: Branche boomt

Wirtschaft
04.02.2025 06:00

Wer hätte das gedacht? Mitten im Fasching erobert ein neuer Trend die Weinszene: Rot, Weiß oder Rosé werden plötzlich ohne Alkohol ins Glas eingeschenkt. Im Weinhandel herrscht dennoch Jubelstimmung. 

Ein Glaserl zum Essen und ein Verdauungsschnapserl danach – mit 12 Litern reinem Alkohol pro Jahr und Nase liegt Österreich weltweit auf dem 6. Platz. Jeder 4. Erwachsene kommt auf eine Menge, die als gesundheitsgefährdend gilt.

Umso verwunderlicher scheint es, dass ausgerechnet Wein, Sekt und sogar Spirituosen ohne Alkohol einen Höhenflug erleben. „Die Kunden sind gemischt. Vor allem jüngere Leute kaufen die alkoholfreien Varianten, aber auch Autolenker, Schwangere und Ältere greifen meist aus Neugierde zu“, weiß Sommelier Josef in der Wein&Co-Filiale in Wien-Heiligenstadt.

Die „Krone“ machte den Test: Alkoholfreier Wein ist besser als gedacht. (Bild: Jöchl Martin)
Die „Krone“ machte den Test: Alkoholfreier Wein ist besser als gedacht.

Er sieht in dem Angebot eine interessante Alternative. Vor einem Jahr war das Regal mit den Flaschen ohne Alkohol nur halb so groß. Die Herstellung ist allerdings aufwendig. Denn der Alkohol wird dem fertigen Wein nachträglich entzogen. Dies geschieht mit Techniken wie Vakuumdestillation oder Umkehrosmose. Dabei verdampft der Alkohol, bzw. wird der Alkohol herausgefiltert. Damit das Getränk wieder so wie nach der Gärung schmeckt, werden Aromen zugefügt.

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Bei Alkoholabhängigen können bereits geringe, auch versteckte Mengen Alkohol, ein Craving, ein Verlangen, und so einen Rückfall auslösen.

(Bild: feelimage/Matern)

Dr. Roland Mader, Ärztlicher Leiter Anton Proksch Institut

Lebensmittelhändler setzen auf Alternativen
Auch Spar führt bereits 16 sogenannte Still-Weine aus Niederösterreich, der Steiermark und aus dem Burgenland im Sortiment. Sie alle sind zuckerarm. Wer greift zu?

„Es sind zum Beispiel Menschen, die mittags nicht immer Mineralwasser trinken wollen, aber auch solche, die grundsätzlich keinen Alkohol trinken und froh sind, jetzt mit Freunden mal ein Glaserl zum Anstoßen zu haben“, erklärt Spar-Vorstand Markus Kaser.

Die Regale sind voll. Während beim Bier die alkoholfreien Variante kaum vom Original zu unterscheiden ist, sind Grüner Veltliner und Co. in der promillefreien Variante noch ausbaufähig. (Bild: Martina Münzer)
Die Regale sind voll. Während beim Bier die alkoholfreien Variante kaum vom Original zu unterscheiden ist, sind Grüner Veltliner und Co. in der promillefreien Variante noch ausbaufähig.

Bei REWE jubelt man über ein Plus von 35 Prozent in nur einem Jahr mit den promillefreien Alternativen. Während für Schwangere der Genuss bedenkenlos ist, sollen trockene Alkoholiker trotzdem die Finger davon lassen, warnen Suchtexperten, auch wenn der Promillegehalt unter 0,5 Prozent liegt.

Pro: Stimmt etwas nicht mit dir?
Bist du krank, oder stimmt sonst irgendetwas nicht mit dir? Diesen Satz habe ich oft genug zu hören bekommen, wenn ich die Weinbegleitung zum Menü dankend abgelehnt habe. Dabei war die Antwort ganz einfach: Ich vertrage einfach nicht viel, und so richtig geschmeckt hat mir Wein auch nie, egal, ob eleganter Franzose, runder Italiener oder lebhafter Einheimischer. 

Am schrägsten empfinde ich immer noch die Frage nach dem Aperitif. Na fein, da bin ich ja vor dem Essen schon betrunken – denke ich leise. Wer hierzulande nicht gerne zur Flasche oder zum Glaserl greift, wird oft mit Misstrauen beäugt oder gar als Spaßbremse verdächtigt – trotz des vielen Leids, das Trunkenheit verursacht. Alkohol ist tief in unserer Kultur verankert. 

Zugegeben: Mineral und Cola sind nicht abwechslungsreich, dafür bleibt mir der Kater erspart. Mittlerweile ist die Gesellschaft toleranter geworden. Wein und Sekt ohne Alk sind eine Abwechslung für den Gaumen, ermöglichen Autofahren ohne schlechtes Gewissen, und beim Winzer sprudelt der Umsatz.

Contra: Traubensaft in der Identitätskrise
Bevor jetzt Gesundheitsaposteln und selbst ernannte Suchtexperten zu plärren anfangen – alkoholfreier Wein ist eh lieb. Genauso wie alkoholfreies Bier. Oder Wodka. Oder die vielen anderen Kreationen, die uns langsam aber sicher die Lebensfreude auszusaugen drohen. 

„Der Alkohol ist eine Bestie“, schmetterte mir einst meine Großmutter selig entgegen, als das Glaserl wieder einmal geleert war. Danke, Oma, wissen wir. Das ist aber kein Grund, die Rebsorten dieser Welt – über Jahrtausende gehegt, gepflegt, bis zur Perfektion kultiviert – in eine Identitätskrise zu schicken. Echter Wein erzählt Geschichten, alk-freier „Wein“ hält langweilige Vorträge. Er ist wie ein Tinder-Date, das wie ein Abenteurer ausschaut, dann aber nur über Steuern redet. Nicht mit mir! 

Wenn ich mich trocken lege, dann richtig. Wenn ich abnehmen will, ebenfalls. Aber nicht mit Spaß ohne Promille im Glas. Und weil es zur Jahreszeit passt: Alkoholfreier Wein ist wie eine Faschingsparty, auf der man versucht, nüchtern zu bleiben – eine nette Idee, aber irgendwie sinnlos. 

Koßdorff (WKÖ, re.) sieht auch Potenzial bei Wein, Schaumwein und Co. (Bild: APA-PictureDesk/AMA/APA-Fotoservice/Schedl)
Koßdorff (WKÖ, re.) sieht auch Potenzial bei Wein, Schaumwein und Co.
Alkoholfreies Bier ist bereits auf dem Markt angekommen. (Bild: stock.adobe.com/industrieblick - stock.adobe.com)
Alkoholfreies Bier ist bereits auf dem Markt angekommen.

„Alkoholfreier Wein und Bier sind Nische, haben aber Potenzial!“
Im Gespräch mit der „Krone“ sieht Lebensmittel-Expertin Katharina Koßdorff großes Potenzial für rot-weiß-rote Produkte in Arabien und Fernost:

„Krone“: Frau Koßdorff, Alkoholika sind auf dem Rückzug – oder doch nicht?
Koßdorff: Ganz so kann man es nicht sagen. Alkoholfreie Getränke sind sicher ein Wachstumssegment. Momentan ist das jedoch wirklich noch eine Nische, die aber natürlich von unseren Unternehmen bedient wird.

Wer und wo sind die Kunden für diese Produkte?
In Österreich vorrangig die junge Bevölkerung. Die älteren Kunden setzen nämlich nach wie vor auf alkoholische Getränke. Im Ausland gibt es aber großes Potenzial. Unsere Wirtschaftsdelegierten melden uns starke Nachfrage in Fernost und natürlich den arabischen Ländern. Teils gibt es dafür religiöse Gründe – oder auch einfach den Hintergrund, dass dort der Alkohol nicht traditionell zur Speisenfolge gereicht wird. 

Wie profitieren nun heimische Betriebe von dieser gesellschaftlichen Entwicklung? 
Es gibt zum Beispiel fast keine Brauerei mehr, die nicht auch alkoholfreie Ware anbietet. Vor allem Erfrischungsgetränke wie etwa Hopfen-Limonaden kommen auf dem Markt gut an. Das sehen natürlich auch die heimischen Winzer oder Sekterzeuger, die sich teilweise schon in diese Richtung vorgetastet oder bereits weiterentwickelt haben.

Was ist der springende Punkt, um Erfolg mit alkoholfreier Ware zu haben?
Es liegt in der Natur der Sache, dass im Endeffekt immer die Kundin oder der Kunde entscheidet. Die Produkte müssen hochwertig und geschmacklich passen, dann wird man auch beim großen Angebot im Getränkeregal reüssieren können. Die Nachfrage in diesem Bereich wird sicher weiter steigen.

 

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