Grün ist die vorherrschende Farbe auf Ischia. Dichte grüne Macchia wuchert auf den steilen Hängen, die zum Meer abfallen. Zwischen den Häusern blitzen die dicken grünen Blätter der Zitronenbäume und das Nadelwerk der Rosmarinsträucher hervor. Selbst die Flanken des Epomeo, dessen Gipfel fast 800 Meter hoch inmitten der Insel aufragt, sind mit Eichen, Pinien und Kastanien bewachsen, ganz zu schweigen von den üppig belaubten Rebzeilen und den Gemüsegärten rund um die Städtchen am Fuße des Bergs.
Die allergrünste Stelle aber findet sich vor dem Café Calise in der Stadt Ischia – in Ischia Ponte, um genau zu sein und Verwechslungen mit dem gleich nördlich anschließenden Ischia Porto zu vermeiden. Fast wie in einer tropischen Bar umdrängen Palmen, Bougainvillen und Feigenbäume das weiße Gewölbe der Veranda, drinnen setzt sich der Dschungel fort bis an die lange Glasvitrine, hinter der die köstlichsten Törtchen, kandierten Früchte und Eismischungen warten. Das Calise ist einer der Hotspots von Ischia, tagsüber Pasticceria, abends Szenelokal. Einheimische und Touristen gehen hier gleichermaßen ein und aus, lehnen sich zum Espresso an die Theke oder lungern ausgestreckt in den Korbsesseln.
Nur Urlauber klettern auf das Castello
Meist sind es die Urlauber, die eine Erfrischung nötig haben, wenn sie zu Fuß vom Castello Aragonese hierher kommen. Dort herumzuklettern ist anstrengend, kein Inselbewohner würde sich das antun, schließlich wacht die Burg auf einem vorgelagerten, nur über eine lange steinerne Brücke erreichbaren Felsen über Ischia, und zwar schon lange. Um 400 v. Chr. bauten die Ischitani, wie die Bewohner Ischias genannt werden, erstmals eine Festung, um sich gegen die Etrusker zu verteidigen, ihre heutige Gestalt erhielt das Kastell im 15. Jahrhundert, als Alfonso von Aragon über Neapel regierte.
Letzteres liegt zum Greifen nah vor der östlichen Burgmauer, damals hätten sie sich an klaren Tagen sogar mit Flaggensignalen verständigen können. Aber an faszinierenden Ausblicken ist die Insel insgesamt sehr reich. Wer nur ein bisschen höher steigt auf einer der vielen Steilküsten, sieht plötzlich den ganzen Golf von Neapel vor sich: im Norden die Nachbarinsel Procida, dahinter ein wenig dunstverhangen die Großstadt, im Südosten die markanten Felsen von Capri und die Steilküste vor Sorrento. Dahinter thront feierlich der Vulkankegel des Vesuv.
Sonne und Meer am Marontistrand genießen
Zum Glück hat der Bus-Chauffeur für all diese Pracht keinen Blick. Er konzentriert sich auf die enge Küstenstraße, die in verwegenen Serpentinen hinunter zum Marontistrand im Süden der Insel führt. Für die Liebhaber von Sonne und Meer ist das sicher der beste Platz: zwei Kilometer körniger Vulkansand, klares Wasser, milde Brandung. Hier räkeln sich vorwiegend Badegäste, erklärt uns Michele Iacono, der sanftmütige Padrone des Hotels San Giorgio. Im Norden hingegen, etwa in den Orten Casamicciola und Lacco Ameno, dort dominieren nach wie vor jene Reisenden, die wegen der begehrtesten Bodenschätze der Insel gekommen sind – der heißen Quellen. Der Sage nach entspringen sie dort, wo einst der Zyklop Tifeo schmerzliche Tränen weinte, nachdem ihn Zeus im Streit vom Olymp ins Meer geworfen hatte. Die Göttin Venus wurde von Mitleid erfasst und verwandelte die Tränen des einäugigen Riesen in wohltuende Heilwässer. Sie kommen aus vulkanischer Tiefe und werden gegen Rheuma und Muskelschmerzen, gegen Unterleibsbeschwerden und Entzündungen eingesetzt.
Da sitzen dann die geplagten Nordländer wohlig in den terassenförmig angelegten Becken der Giardini Poseidon, oder sie fahren in die enge Sorgeto-Bucht, wo das Thermalwasser siedend heiß direkt aus dem Meeresgrund sprudelt und die Bucht zum riesigen Natur-Whirlpool macht. Abends in der Osteria treffen sie ohnehin wieder aufeinander, die sonnengeröteten Strandflöhe und die sichtlich erleichterten Thermalgäste – denn Kurprogramm hin oder Sonnenbrand her, die kulinarischen Schätze Ischias verlangen volle Aufmerksamkeit: die Fischplatte im Da Cocò gleich unter dem Castello Aragonese zum Beispiel, oder die Muscheln in Pfeffersud im Ristorante Ida direkt am Marontistrand. Oder das "Coniglio all'Ischitana" (Kaninchen nach Ischitaner Art), die Spezialität im hoch gelegenen Il Torchio.
Die besten Zitronen Italiens
Die durchaus eigenständige Küche der Insel stützt sich keineswegs nur auf den Reichtum an Fischen, die bis heute aus dem Golf geholt und dann in Salzkruste gebacken oder "all'acqua pazza" in einem Sud aus Wasser, Wein, Essig und Gewürzen gesotten werden. Auf dem vulkanischen Boden wächst besonders feines Gemüse: intensiv süße Paradeiser, kleine, feste Zucchini, Mangold, Artischocken. Und die Zitronen – die sind sowieso die besten Italiens, findet Signor Michele: "Sie haben dicke Schalen, sind sehr aromatisch und von milder Säure. Und die Bäume tragen das ganze Jahr Früchte, bei uns hat jedes Haus mindestens einen im Garten."
Vor allem aber bringt Ischia frische Weine hervor, aus autochthonen Sorten wie Forastera und Biancolella oder der roten Piedirosso. Manche Winzer schenken ihre Schätze direkt vor der Kellertür aus, wie die Familie von Giampaolo Castagna. Sein Weingut liegt am nördlichen Abhang des Epomeo, wo viele Wandergruppen vorbeikommen. Der Berg bietet gute, wenn auch anstrengende Möglichkeiten, die Lust am Marschieren auszuleben. Wer sich anmeldet, kann dann auf einer der groben Holzbänke Platz nehmen, die Giampaolo zwischen den Rebzeilen aufgestellt hat.
Weingenuss und Vulkanquellen
Was für ein Platz, um die Hitze des frühen Nachmittags vorüberziehen zu lassen! Über dem Epomeo flirrt die Luft, die Wanderer sind verschwunden, selbst die Hunde haben sich in schattige Winkel verzogen. Tief unten tummeln sich Boote in der Bucht von Lacco Ameno, in der Ferne ziehen Schiffe durchs Tyrrhenische Meer, auf dem Tisch funkelt der eiskalt eingeschenkte Crateca bianco wie ein gefangener Sonnenstrahl. Aromen nach Limetten und Quitten entströmen dem Glas – ein spannender Kontrast zu den gebratenen Artischocken, die Giampaolo gereicht hat.
Stunden später, zurück im Hotel, ist der Kopf zwar wieder klar, doch die Beine sind schwer, als hätten sie wirklich die vielen steilen Straßen durchwandert, die sich wie Weinranken über die Hänge der Insel winden. Da hilft wohl nur noch ein entspannendes Bad, am besten im kleinen Außenpool. Der wurde auf einer Terrasse mit Blick über die Bucht eingelassen und wird aus vulkanisch heißen Quellen gespeist. Das Wasser ist warm wie in einer Badewanne.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.