Weiterhin kein weißer Rauch rund um die Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP. Wie berichtet, dürfte es bei der Ressortaufteilung zu einem Verhandlungspatt gekommen sein, die Gespräche gehen dennoch weiter. Jetzt kommt es zu Gesprächen in der Hofburg, der FPÖ-Chef geht inzwischen in die Offensive.
Die Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP gestalten sich weiterhin schwierig. Klarheit, ob die Verhandlungen weitergeführt oder abgebrochen werden, sollte es spätestens am Donnerstag geben – dann ist ein Treffen von Kickl mit dem Bundespräsidenten anberaumt. Schon am Mittwoch (17 Uhr) wird ÖVP-Chef Christian Stocker in der Hofburg erwartet. Zu inhaltlichen Meinungsverschiedenheiten wird nun auch über die Ressortaufteilung diskutiert.
Am Dienstag war eine kleine Runde mit den Parteichefs zusammengekommen, um über ungelöste inhaltliche Brocken zu reden – doch relativ rasch soll es dann um die Aufteilung der Ministerien gegangen sein. Die FPÖ beansprucht dabei Ressorts, die auch der ÖVP besonders wichtig sind.
ÖVP spricht von „schwieriger Phase“
So wollen die Blauen für sich das Innenministerium mit den Bereichen Sicherheit und Asyl, außerdem das mächtige Finanzministerium, zudem die Medien- und Kulturagenden im Kanzleramt und auch die Europaagenden. „Das geht sich für die ÖVP nicht aus“, hieß es aus türkisen Verhandlerkreisen.
Dem Vernehmen nach ging man Dienstag am späten Nachmittag also einigermaßen erbost auseinander. Die ÖVP sprach von einer „schwierigen Phase“. Einen Abbruch der Verhandlungen, wie Zeitungen zwischenzeitlich getitelt hatten, dementierten beide Seiten – man verhandelt am Mittwoch weiter, etwa die Untergruppen zu Soziales und Landwirtschaft.
ÖVP versucht, Gesicht zu wahren
Stocker beriet sich jedenfalls Dienstagabend in einem kurzfristig einberufenen Parteivorstand. Dort sei der Parteiobmann in seinen Verhandlungsleitlinien – Österreich als verlässlicher Partner in der EU, Rechtsstaat und liberale Demokratie schützen und Einflussnahme aus dem Ausland verhindern – bestärkt worden, hieß es aus der ÖVP. Diese Grundsätze der Volkspartei sollten sich auch in der Ressortverteilung widerspiegeln, sei man sich einig gewesen.
Kickl untermauert Führungsanspruch
In der FPÖ wartete man am Mittwoch auf eine Antwort des Verhandlungspartners zur vorgeschlagenen Liste. Auch wollte man das weitere Vorgehen beraten. Am Nachmittag untermauerte Kickl in einem Facebook-Posting den Anspruch seiner Partei auf die Führung sowohl des Finanzministeriums als auch des Innenressorts.
Es gehe dabei nicht um „Posten und Macht“. Vielmehr brauche es einen „ehrlichen Kampf gegen die Teuerung“, die Österreicher würden „ein ordentliches und ehrliches Budget statt eines Schuldenbergs“ wollen – und „eine ehrliche Migrations- und Sicherheitspolitik, die endlich wieder klarmacht, dass Österreich Herr im eigenen Haus ist“.
„Wenn wir Ergebnisse verantworten, ...“
Ein guter Minister sei „genauso wie ein guter Kanzler nur ein Werkzeug, ein Instrument, ein Diener“ und „ein Mittel, um den Willen der Österreicher in ganz bestimmten politischen Bereichen umzusetzen“. „Deshalb ist es uns wichtig, dass wir die Verantwortung für die Finanzen und den Staatshaushalt haben“, betonte Kickl. Denn die letzten Finanzminister seien es ja gewesen, „die dieses Budget mit Milliardenschulden zu verantworten haben. Da kann es kein ,Weiter wie bisher‘ geben.“
In der Sicherheitspolitik und beim Asylkurs wolle die FPÖ ebenfalls einen Kurswechsel. „Wenn wir die Ergebnisse verantworten, dann müssen wir zuvor auch diejenigen sein, die die Möglichkeit haben, diesen Kurs zu gestalten und Schritt für Schritt umzusetzen. Deshalb ist das Innenministerium wichtig.“
ÖVP-General versucht, Wogen zu glätten
Die ÖVP betonte unterdessen in einer Nachricht auf X (vormals Twitter), es gebe die „klare Ansage von unserem Generalsekretär“ Alexander Pröll, die Volkspartei führe weiterhin „Koalitionsverhandlungen auf Augenhöhe“ – mit dem Ziel, „rasch eine handlungsfähige Regierung für Österreich zu haben“. Er glaube, die Menschen wollen nun „möglichst rasch eine handlungsfähige Regierung“. „Daran arbeiten wir. Natürlich ergebnisoffen.“
Die Zeit drängt jedenfalls: Kickl soll Bundespräsident Van der Bellen am Donnerstag – eigentlich regulär – Bericht erstatten. Dennoch dürfte der Druck groß sein, über Erfolge zu berichten. Möglich ist aber auch, dass der FPÖ-Chef dem Staatsoberhaupt vom Scheitern der Gespräche berichtet, was zu einer Neuwahl führen könnte. Eine Bestätigung des Termins gab es vonseiten der Hofburg vorerst nicht.
Noch große Brocken auf „rot“ gestellt
Die Postenvergabe ist nicht der einzige offene Punkt in den Verhandlungen. Vielmehr sind wesentliche Punkte in den Untergruppen auf „rot“ gestellt, vor allem in jener zu Außenpolitik oder Medien, aber beispielsweise auch teilweise im Bereich Finanzen und Steuern. Um diese ungelösten Fragen sollen sich die Chefverhandler kümmern, dort dürfte man bisher aber nicht wirklich weitergekommen sein.
Noch immer keine Bewegung von beiden Seiten soll es bei der von den Freiheitlichen geforderten Bankenabgabe geben. Auch gegen einen finanziellen Beitrag der Kammern zur Budgetsanierung dürfte sich der türkise Wirtschaftsflügel quer stellen. Dazu kommen weitere Streitpunkte wie die von der FPÖ gewünschte Abschaffung der ORF-Haushaltsabgabe, das Raketenabwehrsystem Sky Shield und eine gemeinsame Linie bei der Europapolitik.
ÖVP-Prestigeprojekt bereits vom Tisch
Ein weiterer Knackpunkt bei den inhaltlichen Verhandlungen ist die künftige Strategie zur Bekämpfung des Antisemitismus. Hier soll der ehemalige Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) auf dem von der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) gewünschten Holocaust-Zentrum beharren.
Welches Vorhaben endgültig vom Tisch sein dürfte, ist das von der ÖVP im Wahlkampf versprochene Nationalstadion. Ex-Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte dessen Bau bis 2030 als Ziel gesetzt. Beide Seiten sollen sich einig sein, dass dieses Projekt derzeit nicht finanzierbar ist.
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