Der Abrieb von Autoreifen, Bremsbelägen und Straßen fördert die Eisbildung in Wolken und kann sich so auf das Klima auswirken. Die winzigen Kunststoffpartikel fungieren wie Wüstenstaub als Eiskerne, an denen Wassertropfen und -Dampf gefrieren.
Über manchen Weltregionen könnten bis 40 Prozent der Eiskerne aus Mikroplastik bestehen, berichtet der Wiener Meteorologe Andreas Stohl im „Journal of Geophysical Research“. Daher sollte es in Klimamodellen berücksichtigt werden. „Von sich aus würde Wasser in der Atmosphäre erst nahe von minus 40 Grad Celsius gefrieren“, führt der Forscher aus. An einem Eiskern aus Wüstenstaub würde der Gefrierprozess schon bei etwa 18 Minusgraden passieren, bei Kunststoffpartikeln seien rund minus 20 Grad Celsius nötig. „Mikroplastik ist als Eiskern also nur ein kleines bisschen weniger effizient als Wüstenstaub“, erläuterte er.
Kaum Daten über freigesetztes Mikroplastik
Mit seinem Forschungsteam wollte er untersuchen, wie groß der Einfluss von Mikroplastik auf die Eiswolkenbildung ist. „Leider sind kaum verlässliche Daten verfügbar, wie viel davon überhaupt von den verschiedensten Quellen in die Atmosphäre gelangt“, so Stohl. Es gäbe zum Beispiel keine verlässlichen Messungen oder Berechnungen, welche Menge durch den Abrieb von Kunstfaser-Kleidung emittiert wird, oder vom „Pazifischen Müllstrudel“ aufsteigt, eine Ansammlung Tausender Tonnen Plastikmüll im nördlichen Pazifik.
„Am besten ist die Datenlage noch bei den Mikroplastik-Emissionen aus dem Straßenverkehr“, erklärte er. Sie entstehen hauptsächlich durch den Abrieb von Reifen, Bremsbelägen, Straßenmarkierungen und Asphalt. Bei Letzterem ist der Bestandteil Bitumen oft mit Kunststoff-Polymeren versehen, um ihn weniger spröde bei tiefen Temperaturen, verformungsresistenter und länger haltbar zu machen.
Die Forscher berechneten mit Computermodellen, wie viel solches Straßenverkehrs-Mikroplastik in die Luft gelangt: Vom Reifenabrieb landet weniger als ein bis zu 40 Prozent in der Atmosphäre, von Bremsbelägen ein Drittel bis alles, bei Markierungen ein bis vier Prozent, und bei Polymeren aus Straßenbelägen zehn Prozent bis zu einem Drittel.
Mikroplastik bleibt viel länger in der Atmosphäre als Wüstensand
„Dieses Mikroplastik bleibt bis zu sieben Mal länger in der Atmosphäre als zum Beispiel Wüstensand“, so Stohl. Es ist nämlich leichter und auch seine im Vergleich zu runden Sandkörnchen unregelmäßige Form trägt zu einem ausgedehnteren Aufenthalt in der Luft bei. „Das macht Mikroplastik für die Wolkenbildung relativ wichtig, und zwar vor allem in Gegenden, wo kaum natürliche Eiskerne aus Wüstenstaub oder auch Sporen vorhanden sind“, zeigt sich der Meteorologe überzeugt.
So könnte Mikroplastik bei sogenannten Mischphasewolken der Tropen bis zu 40 Prozent der Eiskerne stellen, und bei Cirren (Federwolken) über der Antarktis bis zu 20 Prozent. „Der Unterschied bei diesen beiden Wolkenarten ist, dass bei Mischphasewolken Wassertröpfchen, die Eiskerne enthalten, gefrieren, bei Cirren bildet sich Eis direkt aus Wasserdampf“, erklärte er.
Die zusätzlichen Eiskerne aus Mikroplastik können also die Wolken in manchen Regionen deutlich eisreicher machen. Dadurch reflektieren sie mehr Licht. Weil die Kunststoffpartikel länger in der Luft schweben als etwa Wüstenstaub, verlängert dies wahrscheinlich auch ihre Lebensdauer. Dies sollte man in Zukunft in den Klimamodellen berücksichtigen, meint der Experte.
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