Von ursprünglich 1,5 Millionen Euro stieg die Strafe auf 70 Millionen Euro und ist damit noch höher als die Geldbuße, die die Porr oder die Strabag im Baukartell ausgefasst hatten. Die Rekordpönale gegen den Rewe-Konzern für eine Übernahme einer Verkaufsfläche 2018 in Wels sorgte diese Woche für Aufsehen. Bei einem Projekt in Linz agiert Billa nun als „Musterschüler“.
„Das Strafmaß für einen Formalfehler ist massiv unverhältnismäßig“, „eine derart drakonische Strafhöhe ist nachhaltig nachteilig für den Wirtschaftsstandort Österreich“, „das vorgeworfene Vergehen hat zu keinerlei wirtschaftlichen Vorteilen für die Rewe International AG geführt“ – so reagierte der Rewe-Konzern (Billa, Billa Plus, Penny, Adeg, Bipa) auf die 70-Millionen-Euro-Strafe, die das Unternehmen diese Woche ausgefasst hat.
Auf die zum gegebenen Zeitpunkt vertretbare Rechtsmeinung verlassen
Der Oberste Gerichtshof hatte die ursprüngliche Geldbuße von 1,5 Millionen Euro nach Einsprüchen der Bundeswettbewerbsbehörde und des Bundeskartellanwalts nach oben gesetzt. Was war das für ein Vergehen, das 70 Millionen Euro teuer ist? Dazu muss man ins Jahr 2018 zurückblättern, als die damalige Tochtergesellschaft Merkur Warenhandels AG (heute Billa Plus) den Lebensmitteleinzelhandel im Welser Einkaufszentrum Welas-Park übernahm. Rewe hatte sich bei der Vorgehensweise auf die „zum gegebenen Zeitpunkt vertretbare Rechtsmeinung verlassen“, die bedeutete, dass die Anmietung des Standorts nicht anmeldepflichtig sei. Eine nachträgliche Anmeldung erfolgte im August 2022, die Übernahme wurde genehmigt – die Strafe konnte das nicht mehr abwenden.
Während die Bundeswettbewerbsbehörde betont, dass es eine eigene Servicestelle in der Rechtsabteilung gibt, in der Firmen bei Unsicherheiten wegen der Anmeldepflicht nachfragen können, ist man bei Rewe aus dem Schaden ganz offensichtlich klug geworden. So wurde zuletzt die langfristige Anmietung einer Lebensmitteleinzelhandels-Geschäftsfläche im Pro-Kaufland in Linz bei der Bundeswettbewerbsbehörde angemeldet. Der Vertrag wird dabei mit der Magdalena Projektentwicklung GmbH abgeschlossen.
Bis zum 7. Dezember 2024 war der Rewe-Konzern im „Pro“ mit einem Billa Plus vertreten. „Bei Abschluss des ersten Mietvertrages 2019 wurde die Bundeswettbewerbsbehörde konsultiert und hat bestätigt, dass die damalige Zwischenlösung keinen Zusammenschluss begründet“, so der Handelskonzern. Durch den Umbau des Einkaufszentrums, bei dem die Gruppe um Stefan Rutter und Christian Harisch 35 Millionen Euro investiert, denkt man nun eine längerfristige Lösung an. Diese wurde daher auch angemeldet.
Die Bundeswettbewerbsbehörde hat eine eigene Servicestelle in der Rechtsabteilung, wenn es Unsicherheit wegen der Anmeldepflicht gibt. Im Jahr 2024 wurde diese 36 Mal von Unternehmen genutzt.
Natalie Harsdorf, Generaldirektorin der Bundeswettbewerbsbehörde
„Marktverhalten dominanter Player wird strenger beobachtet“
Die 70-Millionen-Euro-Strafe gegen Rewe hat jedenfalls Symbolkraft. „Es ist deutlich erkennbar, dass konzentrierte Märkte wie die Baubranche oder der Lebensmittelhandel in den letzten drei bis vier Jahren vermehrt im Mittelpunkt des Interesses der Behörde stehen. Das Marktverhalten dominanter Player wird strenger beobachtet“, sagt Irmgard Pracher.
Beschwerdemöglichkeiten werden öfter genutzt
„Kleinere nutzen häufiger die Beschwerdemöglichkeiten gegen die Großen“, sagt die Rechtsanwältin von LeitnerLaw. Das sollte zu denken geben: „Korrektes Verhalten und eine präventive, rechtssichere Gestaltung von Vorhaben sollte ernst genommen und Compliance nicht als kostspieliges Übel abgewürgt werden.“
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