Französischer Barock gegen deutsche Romantik in den Häusern der Opéra national von Paris: Rameaus „Castor et Pollux“ begeistert im Palais Garnier, Wagners „Rheingold“ enttäuscht in der Bastille.
Zwei altgediente Regisseure haben für die Pariser Opéra national Neues abgeliefert: Peter Sellars brachte mit Dirigent Teodor Currentzis ein französisches Barockjuwel, Rameaus „Castor et Pollux“ im Palais Garnier heraus. Der auch in Wien (zuletzt „Tristan“) bestens bekannte Calixto Bieito ging in der Bastille mit Wagners „Rheingold“ an den Start für einen neuen„Ring“.
Den Sieg im Musiktheater-Match erringt die Barockoper, die in Paris ohnehin prächtig gedeiht. So feierte Alte-Musik-Großmeister William Christie mit Rameaus „Fêtes d’Hébé“ in der Regie Robert Carsens an der Opéra-Comique kürzlich seinen 80er. Aktuell steht Pretty Yende in Händels „Semele“, dirigiert von Emmanuelle Haïm, im Théâtre des Champs-Élysées auf der Bühne. Als Wiener kann man da nur wehmütig an verflossene Theater-an-der-Wien-Zeiten denken.
Wen regt es noch auf, dass Peter Sellars seine in die Jahre gekommenen Mittel in die Schlacht wirft und den mythologischen Stoff in die Gegenwart zerrt, zwischen Army-Milieu und Unterschichten-Wohnzimmer samt Ausziehcouch als Tor zur Unterwelt? Dazu verpasst er dem Chor die obligate Bewegungschoreografie, lässt keine Tänzer tanzen, sondern Breakdancer sich die Arme ausrenken.
Musikalisches Fest, das nach Salzburg kommt
Die Geschichte um den erschlagenen Castor und seinen unsterblichen Halbbruder Pollux, der Castor unter Verzicht aufs eigene Leben aus dem Totenreich holt, obwohl beide Prinzessin Télaïre lieben, funktioniert in seiner Allgemeingültigkeit auch in Sellars Welt. Am Ende haben sich dann alle lieb und Sellars einmal mehr sich selbst recycelt. Die Stimmung beim finalen Freudenfest ist also bestens!
Zu danken ist das vor allem Teodor Currentzis, der mit seinem Utopia-Orchester und dem Utopia-Chor sowie einer großartigen Sängerschar mit einem farbigen, transparenten, lebendigen Rameau, diesmal auch ganz ohne manierierte Mätzchen, verzaubert. Die berückende Jeanine De Bique führt das exzellente Ensemble als Télaïre an. Salzburgs Festspiele zeigen die Produktion konzertant im August!
Schwächelnde Götterriege
Beim „Rheingold“ müssen dagegen alle Bemühungen von Pablo Heras-Casado am Pult des Pariser Opernorchesters, einen detailliert schillernden, leichtfüßigen Anfang vom Ende der Götter hören zu lassen an einer vor allem mediokren, textundeutlich singenden Besetzung scheitern.
Dazu kommt Bieitos müd einfallslose, unschlüssige Regie in öder Ausstattung zwischen Projektion und Metallkiste. Das lässt wenig Gutes für die weiteren „Ring“-Abende ahnen.
Auch hätte man gern Ludovic Téziers ersten Wotan erlebt. Doch der hatte abgesagt, sang am Premierenabend dafür lieber Verdi in München. Ian Peterson führte als Ersatz-Göttervater brüchig die wenig attraktive Götterriege nach Walhall. Bieito traute sich nicht vor den Vorhang. Er möchte sich erst – also wohl in ein paar Jahren – am „Ring“-Ende dem Publikum stellen.
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