25-Punkte-Programm

Jugendstrafvollzug: Mit Reform zum “Vorbild für Europa”

Österreich
12.07.2013 14:14
Jenes umfassende Maßnahmenpaket, mit dem Mängel im Jugendstrafvollzug behoben werden sollen und das bereits am Donnerstag in Auszügen an die Öffentlichkeit gelangt war, ist am Freitag von Justizministerin Beatrix Karl offiziell vorgestellt worden. Mit dem 25 Punkte umfassenden Paket reagiert die Justizministerin auf die zuletzt bekannt gewordenen Missbrauchsfälle in den heimischen Vollzugsanstalten. Damit soll der Jugendstrafvollzug "deutlich verbessert" werden und "ein echtes Vorbild für Europa sein", betonte Karl.

Man müsse "alles Mögliche tun, um Vorfälle, von denen wir in den letzten Wochen gehört haben, so weit als möglich zu verhindern", so Karl. Als Sofortmaßnahme gilt die Einrichtung der Task Force "Jugend U-Haft" sowie die Zweier-Belegung in Zellen und ein eigener Nachtdienst in der Jugendabteilung der Justizanstalt Wien-Josefstadt.

Karl: "Mehr Personal ist notwendig"
In Zukunft sollen auch mehr Beamte in den Justizanstalten Dienst versehen. "Mehr Personal ist notwendig", verkündete Karl. Sie will auch ein flexibleres Dienstzeitmodell für Justizwachebeamte einführen, "um den Herausforderungen gerecht werden zu können". Es würden nun Gespräche mit den Personalvertretern geführt. Außerdem rechne sie mit der Unterstützung der für den öffentlichen Dienst zuständigen Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek. Wieviel zusätzliches Personal es geben soll, konnte Karl noch nicht sagen, da dies erst bei den nächsten Budgetverhandlungen Thema sein werde.

Justizwachen sollen bessere Ausbildung erhalten
Das Personal soll in Zukunft besser für die Betreuung der Jugendlichen ausgebildet werden, ab Herbst werden dafür spezialisierte Lehrgänge stattfinden. In einer Studie des Ludwig Boltzmann Instituts kam der Vorwurf von Häftlingen, sich bei Beschwerden an niemanden wenden zu können. In Zukunft werden Anlaufstellen für Insassen installiert, an die sie sich bei Problemen wenden können. Meldungen über Vorfälle von Gewalt in den Haftanstalten werden in Zukunft zentral in der Vollzugsdirektion erfasst. "Ich will wissen, wenn es zu Übergriffen in den Justizanstalten kommt", erklärte Karl.

Neubauten und Sanierungen geplant
Neben dem geplanten Neubau einer weiteren Justizanstalt im Großraum Wien will Karl die bestehenden Gefängnisse sanieren lassen. Die Anstalten im Wiener Raum wären "renovierungsbedürftig - seit 30 Jahren hat sich in der Infrastruktur nichts Entscheidendes verändert".

Voting in der Infobox: Haben Sie Vertrauen in Ministerin Karl?

Geprüft wird auch, ob in einigen Fällen unbedingte Freiheitsstrafen in gemeinnützige Arbeit umgewandelt werden können. Karl sieht bei dieser Maßnahme die Schweiz als Vorbild. "Schön wäre, wenn kein Jugendlicher in Haft sein müsste, aber das ist Ideologie", so Karl.

Replik auf verspätete Reaktion: "Keine Schnellschüsse"
Auf die Frage, weshalb sie das Maßnahmenpaket erst jetzt erstellt habe, obwohl seit Jänner 2013 ein Bericht des Ludwig Boltzmann Instituts vorliegt, der sich äußerst kritisch mit den Haftbedingungen für Jugendliche auseinandersetzt, meinte Karl: "Es geht um Sachpolitik, nicht um politische Schnellschüsse." Sie halte "nichts davon, Maßnahmen hinauszuposaunen, die nicht umzusetzen sind". Die nun vorgelegten Pläne wären "gut überlegt, deswegen kann ich sie jetzt guten Gewissens der Öffentlichkeit präsentieren".

BZÖ fordert "menschenrechtskonforme Haftbedingungen"
Dieser Argumentation konnten die Oppositionsparteien aber nicht viel abgewinnen und übten zum Teil heftige Kritik an der Ministerin. BZÖ-Justizsprecher Gerald Grosz forderte die sofortige Einberufung einer Sondersitzung des Nationalrates. "Es ist Zeit, dass der Nationalrat mittels konkreten Beschlüssen die Haftbedingungen für jugendliche Straftäter menschenrechtskonform ausrichtet", so Grosz.

Team Stronach: "Karl wusste über Missbrauchsfälle Bescheid"
Auch das Team Stronach verlangte, den Jugendstrafvollzug komplett auf neue Beine zu stellen. "Mit dem jetzt angekündigten Maßnahmenpaket beweist Karl, dass sie von den schrecklichen Missbrauchsfällen und systematischen Demütigungen in Jugendstrafanstalten gewusst hat", sagte Team-Stronach-Jugendsprecher Stefan Markowitz. 

Grüne: "Viel Richtiges, aber um Jahre zu spät"
Für die Grünen kommt das Maßnahmenpaket zu spät. "Das 25-Punkte-Paket von Justizministerin Karl enthält viel Richtiges, kommt aber um Jahre zu spät", meinte Justizsprecher Albert Steinhauser. "Es ist bedauerlich, was alles passieren muss, damit sich eine Justizministerin für den Strafvollzug interessiert."

Überschattet wurde die Präsentation des Jugendstrafvollzug-Pakets durch die Nachricht eines weiteren Zwischenfalls in der Justizanstalt Gerasdorf. Am Donnerstagabend hatte sich dort ein 18-Jähriger in seiner Zelle erhängt (siehe Infobox).

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