Das Grazer Museum für Geschichte zeigt in der eindrucksvollen Schau „Bühnen des Bürgertums“, wie sehr sich die Gesellschaft im 19. Jahrhundert veränderte und wie sehr uns das heute noch beeinflusst.
Das 19. Jahrhundert ist das Zeitalter der Bürger. Die Industrialisierung sorgte für neue Bedürfnisse, die Hierarchien und das Zusammenleben, aber auch das Erscheinungsbild der Städte veränderten. Wie sehr diese Zeit uns bis heute prägt, zeigen Ulrich Becker und Walter Feldbacher im Grazer Museum für Geschichte.
„Bühnen des Bürgertums“ heißt die Schau, und tatsächlich schufen sich die steirischen Städter zahlreiche Orte der Repräsentation. Zu den wichtigsten zählen – dank der neuen Eisenbahn – die Bahnhöfe. Sie wurden prächtig dekoriert und waren das Tor zur Stadt.
Im Museum für Geschichte sind sie auch das Tor zum Ausstellungsrundgang, der nicht nur die Statussymbole des Bürgertums beleuchtet, sondern auch deren prestigeträchtigen Treffpunkte. Theater (auch in Kleinstädten) und Opernhäuser gehörten dazu, Kaffeehäuser, Restaurants und die Grandhotels.
Prächtig dekorierte Funktionsbauten
„Es war eine Zeit der Ingenieure und Dekorateure“, bringt es Becker auf den Punkt. Jeder Funktionsbau wurde prächtig gestaltet, das Handwerk aufgewertet, Musterstücke fanden sich in den neuen Museen (auch das Joanneum stammt aus dieser Zeit) wieder.
Doch es ging den Bürgern nicht nur um Repräsentation. Sie waren Investoren, wenn es um die Eisenbahn ging, und eroberten mit mehrstöckigen Warenhäusern den Handel. Erstmals gab es Fixpreise und Kataloge. Die moderne Organisationsstruktur und die Hierarchien wirken bis heute nach – nicht nur in Phrasen wie „Beehren Sie uns bald wieder“.
Geburtsstunde der Ortskaiser
Auch die Bildung eroberten sich die Bürgerlichen: Die Technische Universität entstand zu dieser Zeit ebenso wie viele Schulen. Zahlreiche Städte bekamen damals Rathäuser. „Es war die Geburtsstunde der Ortskaiser“, betont Becker. Der Journalismus ist ebenfalls ein Kind des 19. Jahrhunderts, überall entstanden Zeitungsredaktionen. Und es gab plötzlich Freizeit, die es zu nutzen galt. Kuranstalten, Parks und Sportvereine wurden gegründet, die Sommerfrische belebte die Alpen wie die obere Adria.
Selbstbewusst bis zuletzt
Selbst der letzte Weg wurde aufgewertet: Familien errichteten pompöse Gruften und Grabdenkmäler. Im Epilog der sehenswerten, von Robert Rüf und Larissa Cerny gestalteten Ausstellung kommt noch Stefan Zweig mit seiner „Welt von Gestern“ zu Wort.
Zu sehen sind die „Bühnen des Bürgertums“ von 14. Februar bis 2. November im Grazer Museum für Geschichte.
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