Im Kreml wird gejubelt

USA erklären Europa zu einem Nebenschauplatz

Außenpolitik
12.02.2025 22:11

US-Präsident Donald Trump hat Europa eine sicherheitspolitische Zeitenwende aufgezwungen. Seine Regierung machte in den vergangenen Stunden unmissverständlich klar, dass die Prioritäten der USA künftig woanders liegen. In Moskau wird über den neuen Kurs offen gejubelt.

Die USA proben anhand der Ukraine den Rückzug aus Europa. Zugeständnisse Kiews seien unausweichlich – das beinhalte unter anderem den Verzicht auf einen NATO-Beitritt, so die Ansage aus Washington. Außerdem seien die Europäer weitgehend alleine in der Pflicht, die Ukraine gegen Russland zu unterstützen und einen Frieden militärisch abzusichern.

US-Verteidigungsminister Pete Hegseth präsentierte am Mittwoch die explosiven Vorstellungen bei einem Ukraine-Treffen in Brüssel, bei dem eigentlich Waffenlieferungen für Kiew koordiniert werden sollten.

Trump nähert sich Putin an
Der Termin wurde jedoch zu einer Art Ultimatum. Noch im vergangenen Jahr hatte die NATO der Ukraine bei einem Gipfel in Washington zugesichert, ihr Pfad zur Mitgliedschaft sei unumkehrbar. Trump sieht das jedoch völlig anders. Er machte ein Telefonat mit Wladimir Putin öffentlich und plant künftig „eng“ mit dem Kreml zusammenzuarbeiten.

Auch die Rückkehr zu den ukrainischen Grenzen vor 2014 – also vor der Annexion der Krim-Halbinsel durch Russland – ist demnach aus US-Sicht unrealistisch. „Dieses illusorische Ziel zu verfolgen, wird den Krieg nur verlängern und mehr Leid verursachen“, erklärte sein Verteidigungsminister Hegseth. Derzeit kontrolliert Russland knapp ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebiets.

Die USA sind auch nicht bereit, Soldaten bereitzustellen, um eine Friedenslösung abzusichern. „Ein dauerhafter Frieden für die Ukraine muss solide Sicherheitsgarantien beinhalten, um sicherzustellen, dass der Krieg nicht wieder aufflammt“, sagte Hegseth.

Für solche Sicherheitsgarantien müssten aber europäische und andere Truppen eingesetzt werden. „Es werden keine US-Truppen in die Ukraine geschickt.“ Einen NATO-Einsatz schloss er aus.

USA wollen „tödliche“ NATO
„Die Vereinigten Staaten bleiben dem NATO-Bündnis und der Verteidigungspartnerschaft mit Europa verpflichtet – ohne Wenn und Aber“, betonte Hegseth. „Aber die Vereinigten Staaten werden nicht länger ein unausgewogenes Verhältnis tolerieren.“ Die NATO-Partner müssten deutlich mehr in ihre Verteidigung investieren.

Die Ukraine kämpft aktuell um ihr Überleben. (Bild: AP/Evgeniy Maloletka)
Die Ukraine kämpft aktuell um ihr Überleben.

Hegseth verlangte zuvor von der NATO einen Kurswechsel. „Die NATO muss eine stärkere, tödlichere Kraft sein – kein diplomatischer Club“, schrieb er am Mittwoch im Onlinedienst X. Er veröffentlichte dazu ein Foto von seinem Eintreffen im Brüsseler Hauptquartier. Die NATO sieht sich selbst als rein „defensive Allianz“. Der neue Pentagonchef ist zum Antrittsbesuch in Brüssel.

Kleinlaute Stimmen aus Europa
Großer Gegenwind wurde Trumps umstrittenen Verteidigungsminister nicht zuteil. Im Gegenteil: Nach den Worten von Generalsekretär Mark Rutte stimmt die NATO mit Trump überein, dass es mehr Lastenteilung zwischen den USA und den europäischen Verbündeten bei der militärischen Hilfe für die Ukraine geben müsse.

Großbritannien versprach den USA, deutlich mehr militärische Verantwortung übernehmen zu wollen. „Wir haben seinen Aufruf an die europäischen Nationen, sich zu engagieren, gehört. Das tun wir und werden wir tun“, sagte der britische Verteidigungsminister John Healey nach den Äußerungen Hegseths. Man werde mehr für die europäische Sicherheit und mehr für die Verteidigungsausgaben tun.

Lediglich aus Paris kam etwas Gegenwehr. „Es liegt an den Ukrainern, die Parameter eines Friedensabkommen festzulegen“, erklärte der französische Außenminister Jean-Noel Barrot. Es könne für die Ukraine keinen gerechten Frieden geben, wenn die Europäer nicht in die Verhandlungen einbezogen würden, sagte Barrot.

Moskau jubelt über neuen Kurs
Hegseths Auftritt stieß in Moskau auf Zustimmung. „Die Aussagen des Pentagon-Chefs können eine kalte Dusche für Selenskyj werden“, sagte der Leiter des Außenausschusses im russischen Parlament, Leonid Sluzki, der staatlichen Nachrichtenagentur TASS zufolge. Hegseths Einschätzung der Lage auf dem Schlachtfeld sei „ziemlich realistisch“, lobte Sluzki, der auch Parteichef der nationalistisch-populistischen LDPR ist.

Die neuen Prioritäten der US-Regierung erlaubten es, vorsichtig optimistisch zu sein. Allerdings wies Sluzki den Vorschlag einer westlichen Friedenstruppe zur Sicherung der Frontlinie zurück. Das laufe selbst beim Verzicht der USA an einer Teilnahme an dieser Truppe wieder nur auf ein Einfrieren des Konflikts und eine mögliche Wiederbewaffnung Kiews für eine Revanche heraus, meinte der hochrangige Moskauer Politiker.

Keine Pläne für US-Truppenabzug aus Europa
Befürchtungen über einen Abzug der rund 100.000 US-Streitkräfte aus Europa spielte Hegseth herunter. Es seien „derzeit keine Pläne in Vorbereitung, irgendetwas zu kürzen“, betonte er. Allerdings wollten die USA ihre Militärpräsenz „weltweit auf den Prüfstand stellen“, um sich stärker auf Chinas Ambitionen im Indopazifik konzentrieren zu können. Europa ist für die USA nur noch ein Nebenschauplatz, das haben die vergangenen Stunden eindrücklich unter Beweis gestellt.

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