Linzer „Turmeremitin“

Mariendom: „Urlaub“ ohne Handy in 68 Meter Höhe

Oberösterreich
14.02.2025 17:00

„Ich bin auf die Kanzel gestiegen und hab‘ ein Gedicht rezitiert“, gesteht Christa Prameshuber. Es war dunkle Nacht, sie war alleine im Linzer Mariendom: „Ich hatte keine Angst.“ Insgesamt stieg sie dreimal von der Türmerstube, in der sie eine Woche lang wohnte, hinunter in die Kirche. „Ich habe meine Eremitenzeit sehr genossen“, sagt sie.

„Die Stille, das Alleinsein und das digitale Fasten – es war großartig“, schwärmt Christa Prameshuber. Die 64-Jährige stammt aus Linz, sie lebt seit 30 Jahren in der Schweiz, war für die UNO tätig.

„Nach zwei Jahren Wartezeit war es so weit: Ich konnte eine Woche in der Türmerstube des Linzer Mariendoms verbringen.“ Sie hat diese unverhoffte Rückkehr in ihre Heimat gleich extrem durchgezogen: „Ohne Handy, ohne Computer – ich hatte so viel Zeit.“

Was tut man mit all der Zeit?
„Ich hab‘ gelesen, mit der Hand Notizen gemacht und vom Turm aus auf die Stadt hinuntergeschaut – und damit auf meine Kindheit hier.“ Viele Erinnerungen kamen hoch: „Ich wurde von drei Großtanten aufgezogen, alle unverheiratet, kinderlos – sie haben mir wichtige Werte mitgegeben: Unabhängigkeit, man darf sich als Frau nie niedermachen lassen und darf ein wenig exzentrisch sein.“

Christa Prameshuber beim Aufstieg im Turm (Bild: Florian Voggeneder)
Christa Prameshuber beim Aufstieg im Turm

Mit der Kirche übers Kreuz
Da oben als Turmeremitin hat sie auch mit unaufgearbeiteten Dingen abgeschlossen und „Exzentrisches“ gewagt: „Ich bin dreimal in der Nacht in den Kirchenraum gegangen, war dort ganz allein – eine starke Erfahrung.“ Einmal hat sie die Kanzel erklommen und Gedichte rezitiert. Sie sagt: „Ich bin vor einigen Jahren aus der Kirche ausgetreten.“

Rebellion von innen heraus
Sie hat vieles kritisch gesehen, aber einige Monate nach ihrem Aufenthalt in der Türmerstube ist sie wieder eingetreten: „Ich weiß jetzt: Wenn man etwas verändern will, muss man es von innen machen.“ Ihre Gedanken und Erfahrungen hat sie nun im Buch „Stille Rebellinnen –  Persönliche Geschichten aus dem Turmzimmer“ (Trauner, 18,90€) aufgeschrieben.

Große Nachfrage nach Türmerstube
Das Projekt Turmeremit wurde 2008 anlässlich des damals bevorstehenden Kulturhauptstadtjahres Linz 09 ins Leben gerufen. Seitdem haben rund 340 Frauen und Männer das Angebot des einwöchigen Eremiten-Daseins genutzt. Die kleine Wohnung in 68 Metern Höhe ist begehrt, die Warteliste ist lang. Eine Teilnahme ist ab 18 Jahren und unabhängig von Herkunft und religiöser Zugehörigkeit möglich. Eine gewisse Grundkondition wird vorausgesetzt, müssen doch stolze 395 Stufen bis zur Eremitage erklommen werden.

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