Als "Vorstand des NSA-Spion-Schutzbund e.V." hatte Bangert zu einem ersten "Entdecken und Beobachten" am Dagger Complex eingeladen – jener US-Einrichtung, die seit Ende der 90er-Jahre diverse militärische Nachrichtendienste beherbergt und spätestens seit den Enthüllungen durch Edward Snowden wieder vermehrt im Verdacht steht, auch für die NSA zu spionieren.
"Ganz nach dem Vorbild der von uns geschützten Art, der NSA-Spione, wollen wir uns an den Ort des Geschehens begeben. Vor Ort können wir dann gemeinsam den bedrohten Lebensraum der NSA-Spione erforschen und uns über ihre Tages- und Nachtbeschäftigungen austauschen. Wenn wir ganz viel Glück haben, bekommen wir vielleicht sogar einen echten NSA-Spion mit unseren eigenen Augen zu sehen", schrieb Bangert. Für diesen "Blödsinn", wie er selbst gegenüber "Spiegel Online" sagt, hätten sich nur wenige Freunde interessiert, wohl aber das US-Militär und der deutsche Staatschutz.
Überraschender Besuch von Polizei und Staatsschutz
Vier Tage nach seinem Facebook-Posting habe es früh morgens an seiner Tür geklingelt. Davor: die Polizei, die mit ihm über die angekündigte Veranstaltung reden wollte. Denn, wie eine Sprecherin der Darmstädter Polizei später gegenüber "Spiegel Online" erklärte, die amerikanischen Sicherheitsbehörden, genauer gesagt die Militärpolizei, waren auf die Facebook-Einladung aufmerksam geworden und hatten die deutsche Polizei verständigt, die für den Bereich außerhalb des Dagger Complex verantwortlich sei.
Bangert beantwortete alle Fragen der Beamten wahrheitsgemäß und räumte ein, die Spione auf einem Erkundungsgang beobachten zu wollen. "Ich fand das unglaublich. Ich dachte mir: Was? Die kommen wegen so einem Blödsinn?", wird er in dem Bericht zitiert. Für den 28-Jährigen war die Angelegenheit damit aber noch nicht vorbei, denn bald darauf stand auch der Staatsschutz vor seiner Tür. "Die wollten wissen, ob ich Bezug zum schwarzen Block habe oder zu gewaltbereiten Listen", so Bangert, der während des Gesprächs demnach immer wieder betonte, lediglich "spazieren gehen" zu wollen.
"Wie viele Beispiele braucht man denn noch?"
Der Mann vom Staatschutz legte ihm schließlich nahe, den Spaziergang als Demonstration anzumelden und das "Besprochene doch besser nicht ins Netz" zu stellen, heißt es in dem Bericht. Bangert jedoch habe beides getan: eine Demonstration angemeldet und auf Facebook gepostet, dass er Besuch von der Polizei bekommen habe. Es sei ja auch nichts Schlimmes besprochen worden, betont er. "Aber wie viele Beispiele braucht man denn noch?", fragt er in Bezug darauf, welche Auswirkungen mögliche Spitzeleien durch die NSA haben könnten. "Alle Leute sagen, sie seien nicht betroffen. Und ich rufe zum Spazieren auf und schreibe ganz offensichtlichen Blödsinn in die Einladung und habe den Staatsschutz im Haus."
Letztlich verlief der Vorfall für Bangert ohne Konsequenzen. Und auch sein - als Demonstration verkleideter - Spaziergang fand inzwischen tatsächlich statt - unter den wachsamen Augen der Polizei, wie er auf Facebook schildert. Was bleibt, ist die Ungewissheit: Wie viel von unserer Kommunikation wird tagtäglich abgehört? Und: Ist der Überwachungsstaat schon längst Realität?
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