Kein Habsburger-Kaiser hatte jemals so viel Macht über seine Familie wie Franz Joseph. Er allein bestimmte, wo seine Verwandten lebten, wen sie heiraten durften und wie viel Geld sie erhielten. Wer sich nicht an die Regeln hielt, wurde aus der Familie geworfen.
Wie man sich Familienleben unter Kaiser Franz Joseph vorstellen kann? Nun ja, ein bisschen ungemütlich.
Schon der Umgangston in der kaiserlichen Familie war förmlich. In der Öffentlichkeit mussten selbst enge Familienangehörige den Kaiser mit „Majestät“ und „Sie“ anreden. Doch war man unter sich, durfte man Franz Joseph auch duzen – wobei dieses „unter sich“ hier eine recht ansehnliche Gesellschaft bedeutet. Denn die große Familie des Kaisers umfasste alle Erzherzöge und Erzherzoginnen, die den fünf Familienzweigen des Hauses Habsburg zugerechnet wurden, das waren einige Dutzend.
Franz Joseph bestand darauf, dass diejenigen unter ihnen, die in Wien und Umgebung wohnten, ausnahmslos jeden Sonntag zum Familiendiner erschienen. Wer unentschuldigt fernblieb – nur schwere Krankheit und ein offizieller Auftritt galten als Entschuldigungsgrund – zog sich den Zorn des Kaisers zu, aber das traute sich sowieso niemand.
Diese sonntäglichen Diners waren die einzigen Treffen Kaiser Franz Josephs mit seiner Familie, ansonsten sah er seine Verwandten wenig. Aber er wusste alles über sie: Jeden Ortswechsel, jede Reise und jeden Besuch einer öffentlichen oder privaten Veranstaltung mussten sie ihm schriftlich ankündigen und von ihm genehmigen lassen. Die Erlaubnis des Kaisers wurde dem Betreffenden dann in vollendeter Form, auf offiziellem Papier überreicht.
Zwar hatte jedes Familienmitglied das Recht auf Zutritt zum Kaiser, allerdings musste man sich erst beim kaiserlichen Obersthofmeister anmelden. Ohne Vorankündigung die Privat- und Arbeitsräume des Monarchen zu betreten, war seinen Verwandten strikt untersagt. Dieses Vorrecht genossen nur die Frau, die Kinder und die Mutter Franz Josephs.
Ab 1839 hatten Kaiser noch mehr innerfamiliäre Macht
Der Kaiser war das Oberhaupt des Hauses Habsburg. Sein Wort war Gesetz, und zwar im wahrsten Sinn des Wortes. Denn durch das „Kaiserlich Österreichische Familien-Statut vom 3. Februar 1839“ hatte Kaiser Franz Joseph ein größeres Mitspracherecht im Leben seiner Familienangehörigen, als jeder Habsburger Kaiser vor ihm. Das „Familienstatut“, das auf Franz Josephs Großvater zurückgeht, räumte dem regierenden Kaiser das Recht ein, über den Aufenthalts- und Wohnort jedes einzelnen Familienmitglieds zu bestimmen. Ohne seine Erlaubnis durfte keine Vermählung stattfinden. Er allein wählte den Hofstaat seiner Verwandten aus - Erzieher, Lehrer, Hofdamen, Adjutanten, Obersthofmeister, Kammerpersonal – und er teilte allen ihre individuellen Aufgaben zu, ihre Repräsentationspflichten.
Das Familienstatut gab Kaiser Franz Joseph eine enorme Macht über seine Familie, die er auch bewusst ausschöpfte: Jedes Vergehen, jeder Ungehorsam, jedes skandalöse Verhalten wurde streng geahndet. Wer besonders renitent war, sich etwa eine unstandesgemäße Heirat in den Kopf setzte oder öffentliche Skandale produzierte – was um 1900 auf nicht wenige Erzherzöge zutraf –, den warf der Kaiser auch schon mal aus dem Familienverband.
Und das konnte bitter werden: Denn Franz Joseph hatte auch das alleinige Verfügungsrecht über den Allerhöchsten Familienversorgungsfonds, in dem das Privatvermögen des Hauses Habsburg gebündelt war – Liegenschaften, Zinshäuser, Aktienpakete. Jedes Mitglied des Hauses Habsburg hatte Anspruch auf die fixe jährliche Auszahlung einer bestimmten Summe aus den erwirtschaftenden Zinsen und das waren keine unbeträchtlichen Beträge.
Der Grund für so viel Strenge: des Kaisers Angst vor Skandalen
Franz Joseph wandte sein Durchgriffsrecht innerhalb der Dynastie ohne Scheu an. Jede Disziplinlosigkeit wurde scharf geahndet: So warf er einige Erzherzöge wegen ihrer Liebesheiraten mit Bürgerlichen aus dem Erzhaus. Der Grund hierfür lag auf der Hand: Das Haus Habsburg konnte sich in der ausklingenden Donaumonarchie keine Skandale leisten. Im Zeitalter der Demokratisierung und der Massenmedien, die trotz Zensur ihre Wege fanden, Hofskandale unter das Volk zu bringen, konnte eine Dynastie nur mehr mit Glaubwürdigkeit, moralisch einwandfreiem Verhalten und Integrität punkten. Der Kaiser duldete nicht, dass einzelne Mitglieder seiner Familie zu Fall brachten, was er selbst durch jahrzehntelanges Pflichtbewusstsein und persönlichen Verzicht aufgebaut hatte – einen tadellosen Ruf.
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