15 Monate bedingt

Hebamme nach fataler Hausgeburt verurteilt

Gericht
17.02.2025 10:33

Kurz nach einer geplanten Hausgeburt im September 2023 verstarb in Wien ein Baby. Jener Hebamme, die damals die Hausgeburt betreute, wurde am Montag in Wien der Prozess gemacht. Die Staatsanwaltschaft warf ihr grob fahrlässige Tötung vor – unter anderem, weil die Schwangere bei der Geburt ihres ersten Kindes einen Kaiserschnitt und eine Kürettage benötigt und die Geburtshelferin ihre Sorgfaltspflicht verletzt hätte. Die Frau wurde verurteilt.

Das kleine Mädchen wäre jetzt schon fast eineinhalb Jahre alt. Doch das Mädchen aus Wien starb fünf Tage nach der Hausgeburt am 4. Oktober 2023 im Spital.

Im März 2023 hatte sich die Schwangere erstmals in der Ordination von Hebamme Margarete W. gemeldet und mit ihr über eine Hausgeburt für ihr zweites Kind, ein Mädchen, gesprochen. Zuvor hatte die werdende Mutter nach einer Hebamme gesucht, die die Geburt im Krankenhaus unterstützen würde, aber keine gefunden.

Kaiserschnitt war bei erstem Kind erforderlich
„Wussten Sie, dass das Krankenhaus der Schwangeren von einer Hausgeburt abgeraten hat?“, fragt Richter Martin Kampitsch zu Beginn der Befragung von Frau W., „Ja, das habe ich gewusst“, antwortet die 42-Jährige. Nachsatz: „Aber Krankenhäuser raten fast immer von Hausgeburten ab. Und laut Hebammengesetz ist es auch nach einer Sectio nicht explizit verboten.“ Grund für das dringende Abraten des Spitals war in diesem Fall, dass die Frau bei der Geburt des ersten Kindes einen Kaiserschnitt und eine Kürettage benötigt hatte. Beim erstgeborenen Sohn der Frau waren damals die Herztöne bei der Geburt abgefallen, was einen Notkaiserschnitt erforderlich machte. Die Ärzte hatten daher beim zweiten Kind einen geplanten Kaiserschnitt empfohlen.

Die Staatsanwaltschaft Wien wirft der Hebamme grob fahrlässige Tötung vor, auch, weil sie laut Gutachterin während der Hausgeburt nicht „lege artis“ gehandelt habe. Zumal es laut Anklage gegen Mittag einen Geburtsstillstand gegeben hätte. Die Hebamme habe aber erst gegen 13:45 Uhr, als die Herztöne des Säuglings auffällig wurden, die Schwangere in die Klinik Donaustadt verlegen lassen. Laut der Gutachterin wäre 11:30 Uhr der gegebene Zeitpunkt gewesen.

Sauerstoffmangel als Todesursache
Gestorben ist der Säugling an den Folgen eines Sauerstoffmangels, offenbar verursacht durch eine Plazenta-Unterentwicklung. Diese hatten die behandelnden Gynäkologen im Vorfeld der Geburt nicht erkannt. Auch eine Schwangerschaftsdiabetes war Thema. Ein oraler Glukosetoleranztest sei von der werdenden Mutter abgelehnt worden.

Viele Kollegen kamen zur Unterstützung
„Mich wundert auch, dass das Fruchtwasser klar war und die Herztöne lange normal gewesen sind“, sagt Frau W. im Prozess. Saal 303 im Wiener Landl ist bis auf den letzten Platz gefüllt – viele Berufskolleginnen kamen, um die Hebamme in der Verhandlung zu unterstützen. Hören können sie dennoch nur wenig, denn dauernder Baulärm stört den Prozess massiv.

„Leitlinien empfehlen einhellig, dass bei Geburten nach Kaiserschnitt eine Geburtsklinik gewählt werden soll. Wo schnell Interventionen stattfinden können“, sagt die Gutachterin, die auch eine CTG-Überwachung als notwendig gesehen hätte, um einen Sauerstoffmangel zu erkennen. „Leitlinien sind keine Gesetze“, rechtfertigt sich die Hebamme, die sich „nicht schuldig“ bekennt. Sie war bereits vor dem Prozess proaktiv in Medien aufgetreten.

Mutter macht der Angeklagten keine Vorwürfe
„Ich wollte eine Geburt nach meinem Tempo erleben können. Auch wegen der Erfahrungen nach der ersten Geburt“, sagt die Mutter des toten Kindes als Zeugin. Sie macht der Hebamme keinen Vorwurf, verteilte im Gerichtssaal einen persönlichen Brief an die anwesenden Medienvertreter. Allerdings antwortet die Deutsche auf die Frage „Wenn Ihnen Frau W. empfohlen hätte, im Krankenhaus zu gebären, hätten Sie das dann gemacht?“ mit „Ja“.

Schlüsselmoment im Prozess: Laut Gutachterin Barbara Maier, langjährige Vorständin der Gynäkologie in der Klinik Ottakring, sei es „sehr wahrscheinlich“, dass das Kind leben würde, wenn die Geburt im Spital stattgefunden hätte. Dies untermauert auch ein weiterer Sachverständiger, Universitätsprofessor Horst Steiner: „Ich bin überzeugt, dass das Kind zu retten gewesen wäre.“

„Die Schwangere hat darauf vertraut, dass Frau W. die richtigen Entscheidungen für sich und für ihr Kind trifft“, sagt der Staatsanwalt in seinem Schlussplädoyer. Herr Rat verurteilt die Frau zu 15 Monaten bedingter Haft, mit einer Probezeit von drei Jahren. Nicht rechtskräftig. Die Mutter des Kindes bricht bei der Urteilsverkündung in Tränen aus. Ebenso wie einige Berufskolleginnen der Verurteilten.

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