Konzerthaus-Premiere

Sullivan Fortner: Jazz nach der Gumbo-Methode

Klassik - Jazz
17.02.2025 10:47

Auf seiner aktuellen Europatournee spielt der gefeierte Musiker und 

Ausnahmepianist Sullivan Fortner am 22. Februar zum ersten Mal mit seinem Trio im Wiener Konzerthaus.

Das Umfeld von Sullivan Fortner war von Beginn an reich an musikalischen Einflüssen, wie er trotz großer Kälte in New York und ausgefallener Heizung in seiner Wohnung gut gelaunt und charmant im online-Gespräch erzählt: „Daheim waren es Rhythm & Blues und Soul der 70er Jahre wie Stevie Wonder, Earth, Wind & Fire oder die Temptations, die mein Vater mit Leidenschaft hörte. In der Kirche der ausdrucksstarkeGospelgesang, den meine Mutter im Chor leitete, oder Mahalia Jackson bis zu den Clark Sisters.“ Onkel und Tanten brachten neueren Rhythm & Blues, Afrio-Kubanische Musik und Hiphop ein unddie eigene Neugier führte den jungen Sullivan schließlich zu Jazz, brasilianischer und karibischer Musik und zu indischer Klassik. In der Highschool kam westliche Klassik dazu. Um nur einige Facetten des grenzenlosen Klanguniversums zu nennen, die Fortner begleiteten und die er für seine eigene überschäumende Kreativität nutzt.

Von der Orgel zum Klavier

Zunächst war es allerdings die Orgel, die ihn in ihrer Dimension und Wucht und in ihrer Wirkung faszinierte: „Die Leute in der Kirche konnten“, so Fortner, „völlig außer sich geraten!“ Nicht zuletzt war auch die Zuneigung des Vierjährige zur Chorleiterin, die ihn zu dem Instrumen hinzog. Bis die Liebe zum Klavier erwachte: „Mit seiner enormen Ausdruckskraft von sehr laut und expressiv bis sehr empfindsam“, so Fortner, der von klein auf mit Begeisterung den Pianisten beim Spielen nicht nur zuhörte, sondern auch zuschaute – ganz besonders den klassischen Kollegen mit ihrer oft sehr theatralischen Inszenierung. Das ist ihm bis zum heutigen Tag geblieben.

Einmal Martha Argerich sehen

So vielfältig wie die musikalischen Einflüsse sind auch die Leitfiguren auf diesem Weg. „Eine Menge an Musikern in New Orleans“, fasst Fortner den Beginn des Wegs zusammen. Später, während der fundierten Ausbildung am renommierten Oberlin Conservatory of Music in der Nähe von Cleveland, hört er auch zum ersten Mal live Klavier-Ikonen wie Chick Corea, Brad Mehldau, Danny Grissett, Herbie Hancock, Keith Jarrett und viele andere - und ebenso Stars der Klassik wie Yuja Wang, André Schiff und Vladimir Ashkenazi und ist nicht nur tief beeindruckt: „Ich habe viel von ihnen mitgenommen“, resümmiert Fortner. Martha Argerich steht übrigens noch auf der Wunschliste.

Ein kulinarischer Vergleich

„Ich mag Essen wirklich gerne!“, sagt Sullivan Fortner und zieht folgerichtig als Vergleich für seine eigene Musik die „Gumbo“, lukullisches Aushängeschild seiner Heimatstadt, heran: Ein paar Grundzutaten – in der kulinarischen Version Okra, Sellerie, grüner Paprika, Zwiebel, Knoblauch und Roux – und dann alles, was im Küchenschrank zu finden ist. „Das mag“, so der Musiker, „auf den ersten Blick vielleicht nicht zusammenpassen, verbindet sich aber zu einem perfekten Ganzen.“ Esschmeckt dann eben doch ganz köstlich. Und es köchelt stetig vor sich hin. Übersetzt in die Musik ist das eine Bass- oder auch Melodie-Linie, ein Motiv als Ausgangspunkt, von dem sich alles andere entwickelt – mit manchmal durchaus ungewöhnlichen „Zutaten“. Das Ergebnis kommt aus dem intuitiven Moment: „Schauen wir, was passiert.“

Sullivan Fortner – musikalisch grenzenlos (Bild: Antoine Jaussaud)
Sullivan Fortner – musikalisch grenzenlos

Begehrter Musikerkollege

Sein Klavierspiel ist ein steter Fluss – überströmend von musikalischen Ideen, mit einer enormen Bandbreite an elegant eingesetzten Zitaten und stilistischen Mustern aus all jenen Quellen, die sich der neugierige Musiker seit seiner Kindheit erschlossen und immerzu erweitert. Da finden sich klassische Kontrapunkte ebenso wie getragener Blues oder koketter Ragtime, wunderbar groovender Rhythmus und fantasievoll-ungestüme Improvisationen. In seiner Musik wie im Gespräch präsentiert sich Sullivan Fortner als fesselnder Geschichtenerzähler und einfühlsam-anregendes Gegenüber. Eine Qualität, die sich in vielen musikalischen Kooperationen etwa mit Wynton Marsalis, Paul Simon, Dee Dee Bridgewater oder Peter Bernstein ebenso wie mit den jungen wilden Kolleginnen Jazzmeia Horn und CécileMcLorin Salvant niederschlägt. Freilich gibt es da noch auch andere Projekte, die der umtriebige Musiker gerne einmal verwirklichen würde – über Genregrenzen hinaus: „Ich würde gerne meine Flügel ausbreiten und andere Dinge ausprobieren!“ Mit einem klassischen Cellospieler oder Konzerte von Beethoven oder Mozart und dann gibt es einen ganz konkreten Traum: „Ein Projekt mit Stevie Wonder!“

Größere Wertschätzung in Europa

Sullivan Fortner live

So, wie Sullivan Fortner mit Begeisterung den Pianistenkollegen beim Klavierspiel zuschaut, ist es auch für das Publikum eine wahre Wonne ihn selbst zu beobachten: Die nächste Gelegenheit dazu gibt es am 22. Februar im Mozartsaal im Wiener Konzerthaus und schon im Herbst im noch intimeren Rahmen im Porgy&Bess. In beiden Fällen mit seinen aktuellen Triopartnern Tyrone Allen am Kontrabass und Kayvon Gordon am Schlagzeug.

Informationen: www.konzerthaus.at; www.porgy.at

Sullivan Fortner: mit Witz und Inspiration – immer auf der Suche nach Neuem (Bild: Tyler B)
Sullivan Fortner: mit Witz und Inspiration – immer auf der Suche nach Neuem

Konzerttouren haben Sullivan Fortner schon oft nach Europa geführt und er beobachtet nicht nur, dass sich die Art, Jazzstücke zu komponieren und zu spielen, in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat. Unterschiede gibt es dabei nicht nur zwischen den USA und Europa, sondern auch innerhalb Europas. Die Stücke werden länger, genauer notiert und technisch anspruchsvoller – ähnlich der klassischen Musik. Das haben die amerikanischen Musiker in vielen Fällen übernommen. Die europäischen Kollegen dagegen kennen und vertiefen sich in Standards und das Great American Songbook. Die Grenzen sind hier glücklicherweise offen, allerdings zeigt das europäische Publikum dafür viel mehr Wertschätzung, meint Fortner. Wobei er selbst die spontane Antwort und Entwicklung auf Ausgangsimpulse beim Spiel bevorzugt. Nach der Gumbo-Methode.

Verena Kienast

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