In fünf Wochen wird in den steirischen Gemeinden gewählt, Wiesen, Äcker, Bushaltestellen wachsen langsam wieder mit Wahlwerbung zu – schon wieder. Führt der vierte große Urnengang binnen eines Dreivierteljahres zu einer Reizüberflutung?
Auch wenn noch längst nicht alle damit begonnen haben – im Ortsbild zahlreicher Gemeinden erkennt man, dass nach EU-, Nationalrats- und Landtagswahl die nächste Entscheidung bevorsteht. Und ohne Plakate geht‘s auch diesmal nicht.
Umwegrentabilität am Stammtisch
Es ist ein notwendiges Übel, sagt Politikwissenschaftler Peter Filzmaier. Auch wenn laut Wahlmotivforschung der direkte Nutzen in keinem Verhältnis zu den deutlich billigeren Kommunikationswegen über den persönlichen Kontakt oder Social Media steht, ergebe sich eine Art Umwegrentabilität. „Wenn zum Beispiel am Stammtisch darüber geredet wird, schaffe ich es als Wahlkämpfer, meine Botschaften in Umlauf zu bringen.“
Politologin Katrin Praprotnik weist auf einen zweiten wichtigen Faktor hin: Die Motivation der Mitstreiter wird gesteigert, wenn diese auf Schritt und Tritt mit den Slogans der eigenen Bewegung konfrontiert werden. „Es ist ein Signal an alle: Es ist Wahlkampf.“ Wenn die Plakate und deren Inhalte auch medial diskutiert werden, sei das demokratiepolitisch durchaus zu begrüßen.
Was ist meine Stimme wert?
Die entscheidende Frage, ob der Plakat-Dschungel in der Wählerschaft zu Ermüdung bis hin zu Verdrossenheit führt, ist weniger leicht zu beantworten. Praprotnik weist darauf hin, dass die Politikzufriedenheit nach Wahlen sogar steigt, weil die Bevölkerung das Gefühl hat, etwas bewirkt zu haben.
Wissenschaftlich nachweisbar ist die gefürchtete Wahlmüdigkeit nicht, ergänzt Filzmaier. Sehr wohl ein Faktor auf Gemeindeebene ist aber die Überlegung, ob die eigene Stimme etwas bewegen könne. „In vielen Orten sind die Mehrheitsverhältnisse sehr klar, da könnte man als Einzelner schon auf den Gedanken kommen, dass es auf mich gar nicht ankommt.“ Der unmittelbare Einfluss der Plakate auf das Wahlverhalten ist jedenfalls verschwindend: Weniger als zehn Prozent geben an, sich davon beeinflussen zu lassen. Gleichzeitig werden die Botschaften aber von mehr als 90 Prozent zumindest wahrgenommen.
Knackige Vier-Wochen-Intensivphase als Faustregel
Den perfekten Zeitpunkt zum Start der Kampagnen gibt es nicht. Die vier Wochen vor dem Wahltermin (im aktuellen Fall der 23. März) gelten als Intensivphase, in der man auf jeden Fall präsent sein sollte. Für Praprotnik hat ein auf wenige Wochen konzentrierter Wahlkampf auch den Vorteil, „dass man bis zum Schluss durchhält und nicht schon vor dem Urnengang die Luft draußen ist“. Ein Blick ins Land zeigt freilich, dass viele Ortsgruppen bereits vorgeprescht sind und Bürgermeister sowie Herausforderer von den Ständern lächeln lassen.
Darauf zu lesen sind häufig banale Wohlfühl-Botschaften, die sich von den harten Slogans auf Bundes- oder Landesebene deutlich unterscheiden. „Die Schlagworte sind manchmal von austauschbarer Einfallslosigkeit“, urteilt Filzmaier. Auch dafür gibt es Gründe: Langjährige Amtsinhaber tun sich mit konkreten Forderungen schwer, weil diese die Frage nach sich ziehen: „Und was hast du bisher gemacht?“, wie es der Experte ausdrückt. Herausforderer wiederum haben eine gewisse Scheu vor Wahlversprechen, weil diese etwa in Gemeinden mit absoluter Mehrheit einer anderen Partei kaum umzusetzen sind. Dennoch: „Ein bisschen originellere Ideen könnte man schon haben. Die Sprüche sind oft dieselben wie vor 20 Jahren, manchmal hat man sich einfach was von der Nachbargemeinde abgeschaut“, sagt Filzmaier.
Kugelschreiber & Co. sind „reine Psychologie“
Dass neben den allgegenwärtigen Plakaten auch Artikel wie Kugelschreiber, Feuerzeuge und dergleichen im Umlauf sind, ist indes reine Psychologie. „Man erzeugt eine ganz andere Kommunikationssituation“, erklärt Filzmaier. „Stellen Sie sich vor, Sie sind Wahlkämpfer in einem Einkaufszentrum und haben nichts anzubieten außer einem warmen Händedruck ...“
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