Otto von Habsburg war der letzte österreichisch-ungarische Kronprinz. Er erteilte Hitler gleich zweimal eine Abfuhr und war Abgeordneter im Europäischen Parlament. Der Politiker glaubte immer daran, dass Europa seine Teilung überwinden könne, und er warnte vor „neuen russischen Kolonialkriegen“.
Dr. Otto von Habsburg war eine Ausnahmeerscheinung seiner Zunft. Viele Royals sind nach den beiden Weltkriegen von ihren Thronen und aus ihrer Heimat vertrieben worden, aber kaum einer hat es so wie er verstanden, aus dieser Herausforderung etwas zu machen. Der Verlust des Thrones beraubte den letzten Kronprinzen von Österreich-Ungarn vieler Möglichkeiten, aber er eröffnete ihm gerade als Politiker auch viele Freiheiten, wie er selbst immer wieder sagte: Als Kaiser, so Otto, hätte er viele Leute, die er für Esel hält, formvollendet als Exzellenz titulieren müssen.
Adolf Hitler ließ Otto von Habsburg steckbrieflich suchen
Der ehemalige Thronfolger lebte nie in einer „Blase“, sondern sprach immer mit allen, auch und vor allem mit jenen, die anderer Meinung waren, weil es sein Prinzip war, „niemals einer interessanten Konversation aus dem Weg zu gehen“. Nur zweimal macht er eine Ausnahme: jene zwei Male, als Adolf Hitler ihn einlud. Er lehnte ab, weil er Hitlers „Mein Kampf“ gelesen hatte und davon angewidert war. Anders als etwa die Söhne des letzten deutschen Kaisers ließ sich Habsburgs letzter Kronprinz nicht vor Hitlers Karren spannen, sondern er warnte davor, Hitlers Propaganda auf den Leim zu gehen. Dafür bekam er Hitlers Furor zu spüren. Dieser ließ Otto von Habsburg wegen Hochverrat steckbrieflich suchen, und der Deckname des Diktators für den Einmarsch der Wehrmacht 1938 in Österreich lautete „Operation Otto“.
Sein Status als Chef des Hauses Habsburg eröffnete Otto von Habsburg immer viele Türen, und er nutzte diese Kontakte, um sich ein einzigartiges Netzwerk aufzubauen – nicht im Sinne einer Restauration seiner Familie, sondern seines Kontinents. In diesem Sinne glaubte Otto von Habsburg immer an die Überwindung der Teilung Europas nach 1945, die Sowjetunion bezeichnete er Zeit ihres Bestehens als das letzte überlebende Kolonialreich. Es war dem glühenden Europäer noch vergönnt, an der ungarischen Grenze („Paneuropäisches Picknick“) selbst am Fall des Eisernen Vorhangs mitzuwirken. Und er warnte bereits in den frühen 2000er-Jahren: „Europas größtes Problem ist die Herrschaft Putins.“ Ebenso sagte Otto von Habsburg neue russische „Kolonialkriege“ voraus.
Österreich hat es verabsäumt, sich Habsburgs Nachlass zu sichern
Der frühere Altpräsident des Europäischen Parlaments hatte ein tiefes Wissen um historische und geopolitische Zusammenhänge. Otto von Habsburg schrieb unzählige Bücher, historische wie politische. Sein Credo lautete stets, man dürfe gerade „die Minuten dazwischen nie ungenützt verstreichen lassen“. Und er war ein begabter Redner in vielen Sprachen: Einem italienischen Abgeordneten antwortete er im Europaparlament einmal auf Lateinisch.
Neben seinen Manuskripten hat Otto von Habsburg eine ausgedehnte Korrespondenz hinterlassen. Österreich hat es verabsäumt, diesen Nachlass für sich zu sichern. Nach Rückfrage bei Otto von Habsburgs Erben scheiterte die Schenkung an Österreich an zwei Bedingungen, die damit verknüpft gewesen wären: die Zusage, dass Otto von Habsburgs Nachlass der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und wissenschaftlich aufgearbeitet werde. Dafür hätte man die Mittel in die Hand nehmen würden, um für einige Jahre wissenschaftliche Mitarbeiter mit der Sichtung und Aufbereitung des Nachlasses zu beauftragen. Jetzt wird Otto von Habsburgs Nachlass in Budapest gesichtet und dort der Forschung zugänglich gemacht.
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