Buch-Rezension

Musiker Bela B verhebt sich in seinem neuen Roman

Musik
18.02.2025 09:00

In seinem zweiten Roman „Fun“ (Heyne Verlag) legt Vollblutmusiker und Ärzte-Drummer Bela B Felsenheimer den Fokus auf Machtmissbrauch und toxische Männlichkeit im Backstage-Bereich von Rockbands. Die Ähnlichkeit mit der realen Causa Rammstein streitet er in Interviews ab, inhaltlich und stilistisch scheitert der 62-Jährige an Plattitüden und Pauschalisierungen.

Gebetsmühlenartig betont Bela B seit Wochen in unterschiedlichen Interviews, dass der Inhalt seines zweiten Romans „Fun“ keine bewussten Ähnlichkeiten mit der realen Causa um Rammstein hätte. Im knapp 400-seitigen Wälzer, seinem zweiten Roman nach dem durchaus gelungenen „Scharnow“ (2019), wagt sich der Drummer der Ärzte auf sehr glitschiges Terrain. Aus fiktiver Perspektive beschreibt er detailliert eine Woche im Leben der erfolgreichen deutschen Rockband nbl/nbl, die sich vor mehrtägigen Open-Air-Konzerten im brandenburgischen Sasenheim plötzlich mit Problemen auseinandersetzen muss, die nicht in ihr misogynes Weltbild passen. Es ginge ihnen doch immer nur darum, ein bisschen „Fun“ zu haben, wie relativ schnell im Werk klargemacht wird - dass dieser sogenannte „Spaß“ nur für die Täter ein solcher ist, die Opfer darunter aber ein Leben lang zu leiden haben, ist spätestens seit dem Auftreten der #metoo-Debatte allen ein Begriff.

Affektierter Voyeurismus
In mehreren miteinander verknüpften Erzählsträngen kommt man unterschiedlichen Persönlichkeiten näher, die mit Fortdauer des Romans immer stärker miteinander verwoben sind. Dabei wird munter in die Klischeefalle getappt, was zuweilen aber auch deckungsgleich mit so mancher Realität ist. Da gibt es in der Band etwa den exzentrischen und mit einer herrischen Aura angefüllten Frontmann, einen sexsüchtigen Schlagzeuger, der kein „nein“ akzeptiert, seinen Bassistenfreund, auf den zu Hause die Familie wartet, während er sich via „Fuckphone“ von eigens abgestellten Security-Mitarbeitern die gewünschten Frauen am Silbertablett liefern lässt. Schon früh im Buch artet eine Backstage-Sexparty in Form einer schockierenden Doppelpenetration aus, die Bela B so detailliert, gründlich und wiederholend beschreibt, dass sie nur dem Voyeurismus, nicht aber der Sache dient.

Im weiteren Verlauf entwickelt sich eine durch das Beispiel Rammstein auch in der Realität leidlich und penibel durch die Medienwelt gezogene Themenpalette, die toxische Männlichkeit, Täter-Opfer-Umkehr, Machtmissbrauch, Einschüchterung, Vergewaltigung, Groupietum oder bewusstes Falschverstehen ins Licht rückt, dabei aber gerne spannungsarm am Erwartbaren entlangfährt und sich allzu gerne im Oberflächlichen suhlt. In Interviews erklärte Bela B Felsenheimer, er wollte mit dem Roman ein System entlarven und habe sich dabei das Überthema Rockband stellvertretend für unterschiedliche Positionen herausgenommen, wo Männer mit Macht das Gefühl verlieren, wie man sich respektvoll und mit Anstand zu verhalten hat. Als Drummer, der mehr als 40 Jahre lang bei einer der größten Bands Deutschlands am Werk ist, ist die Zugangsweise freilich legitim.

Pauschalierend und dümmlich
Scheitern tut „Fun“ an der dürftigen Umsetzung. Bis auf den schwulen zweiten Schlagzeuger der fiktiven Band nbl/nbl sind nicht nur sämtliche Bandmitglieder, sondern überhaupt alle aufgeführten Männer Schweine, wie es die Ärzte 1998 in einem ihrer Erfolgssongs selbst besungen haben. Bei seiner geifernden Pauschalisierung der Situation schreckt Bela B auch nicht davor zurück, fast schon ins Absurde gehende Persönlichkeitsveränderungen während der im Roman aufgeführten Woche zu skizzieren. Da wird aus einem Bootsverleiher ein republikanisch angehauchter Widerling und selbst der vermeintliche Vater einer jungen Frau, die sich der Aura von nbl/nbl-Sänger Maler Meister nicht mehr widersetzen kann, wird von einem lässigen Vater mit Musikwissen zu einem semi-pädophilen Unmenschen, der seine Triebe nicht im Griff halten kann. Den Frauenfiguren, die Bela B so gerne schützen würde, tut er keinen Gefallen, indem er ihre Aktionen und Tätigkeiten ins Dümmlich-Triviale gleiten lässt und damit nicht die Sympathien für die gepeinigten Opferfiguren fördert.

Während die realen Betroffenen in den letzten Jahren zunehmend eine wirkliche Stimme in der Öffentlichkeit bekamen, ist ein Buch wie „Fun“ nicht dienlich, weil selbst ein weltoffener, politisch linker und stets mit der Zeit gehender Musiker und Autor wie Bela B biologisch nicht über die Tatsache hinwegkommt, dass er sich als Mittsechziger aus einer privilegierten Position heraus mit einem Thema auseinandersetzt, das lesbar keiner tieferen Recherche unterlag und viel zu sehr mit der Moralkeule schwingt, als sich wirklich ernsthaft mit einem immer noch immanenten Probleme im Rock- und Popsektor auseinanderzusetzen. Manche Gedankengänge und Verhaltensveränderungen der Protagonisten sind vollkommen lächerlich und mit der Realität kaum zu erklären, dazu endet das Buch mit einem abgedrehten Mittelalter-Crescendo, das jede Form von Vernunft, Logik und, ja, auch Ernsthaftigkeit ad absurdum führt. „Fun“ verpasst die Chance, einen thematischen Elfmeter zu verwandeln, weil sich der Autor seiner korrekten Zugangsweise zu sicher ist – ein Ärgernis.

Lesungen in Österreich
Später im Jahr ist Bela B Felsenheimer mit „Fun“ auch noch einmal auf großer Lesetour und dabei mehrmals in Österreich zu sehen. Am 29. April liest er im Grazer Orpheum, am 30. April im Wiener Volkstheater, am 11. November in der ARGEKultur in Salzburg und am 13. November im Landestheater Linz. Unter www.bela-b.de gibt es alle Termine und die Links zu den Karten.

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