Eine war mit einem Rollator unterwegs, die andere mit einem Gehstock. Eine betagte Wienerin trauerte am Grab ihres verstorbenen Mannes. Ein 29-jähriger Bulgare suchte sich extra leichte Opfer aus, riss ihnen unvermittelt ihren Schmuck vom Hals – nicht alle Damen überstanden das unverletzt. Vor Gericht in Wien sagt er trocken: „Das mag vorgekommen sein.“ Er fasst eine lange Gefängnisstrafe aus.
Gestützt auf einen Gehstock betritt eine 89-Jährige den Verhandlungssaal im Landesgericht Wien. Dem angeklagten Bulgaren will sie dabei nicht in die Augen schauen. Verständlich, wenn man hört, was ihr widerfahren ist: „Sie war beim Grab ihres verstorbenen Mannes“, beginnt ihr Opfervertreter. „Plötzlich packte er sie von hinten und riss am Riemen ihrer Handtasche und dann mit voller Wucht an ihrer Halskette.“
89-Jährige wusste sich zu wehren
Die mutige Reaktion der hochbetagten Frau am Südwestfriedhof in Wien-Meidling: „Ich hab’ dem Mann zweimal mit meinem Gehstock auf den Schädel gehaut.“ Das Opfer stürzte, verletzte sich dabei. Der 29-Jährige flüchtete. Neben ihrer Handtasche kam auch ihr Goldmedaillon abhanden. „Das hat mir mein verstorbener Mann geschenkt“, sagt die 89-Jährige mit zitternder Stimme. Wohl die schlimmste Folge des Überfalls: „Ich kann nicht mehr auf den Friedhof gehen. Ich traue mich nicht mehr“, schluchzt sie.
Das Vorgehen war in allen elf Fällen nahezu ident. Die Opfer waren ältere, gebrechliche Frauen.
Staatsanwältin im Wiener Landesgericht
Und die Wienerin war nicht das einzige Opfer – es gibt elf weitere. „Alle Überfälle waren am helllichten Tag und an Orten, wo sich die Opfer sicher gefühlt haben“, verdeutlicht die Staatsanwältin im Wiener Landesgericht. „Das Vorgehen war in allen elf Fällen nahezu ident. Die Opfer waren ältere, gebrechliche Frauen.“ Der 29-Jährige verfolgte sie vom Einkaufen oder anderen Erledigung bis nach Hause. Im Stiegenhaus oder Aufzug schlug er dann zu, riss den betagten Frauen ihre Goldketten vom Hals.
Wirbelbruch und Schädelprellung
Das überstanden nicht alle Opfer unverletzt: Während manche Damen mit Kratzern, Rötungen und Schwellungen am Hals vergleichsweise glimpflich davonkamen, traf es zwei betagte Frauen schwerer – durch Stürze zogen sie sich einen Wirbelbruch, eine Hüftprellung beziehungsweise Schädelprellung zu.
„Mag vorkommen, dass ich Schmuck weggenommen habe“
Der Verteidiger des einschlägig Vorbestraften, Ronald Gingold, muss zu Recht einräumen: „Was passiert ist, ist schrecklich, erschreckend und abstoßend. Hintergrund ist die Drogensucht. Er wird für lange Zeit sitzen gehen. Das weiß er auch.“ Vor den Schöffen zeigt das der Bulgare aber nicht. Von Reue fehlt am Anfang seiner Vernehmung jede Spur. Zwar gibt er ein paar der grauenhaften Überfälle auf betagte Damen zu, sagt jedoch ganz trocken: „Es mag vorgekommen sein, dass ich Goldschmuck weggenommen habe.“
Angeklagter drückt auf Tränendrüse
Auf einmal der unvermittelte Gefühlsausbruch des Angeklagten: Unter Tränen ringt er sich doch zu einer Entschuldigung durch. „Ich bereue es sogar. Ich hab' das nicht gemacht, um mich zu bereichern. Ich hab' das nur gemacht, um mir Heroin zu kaufen. Es macht mich total fertig, dass es alte Frauen waren“, übersetzt der Dolmetscher für den Bulgaren.
Das sind jedoch nicht die einzigen Verbrechen, die dem 29-Jährigen vorgeworfen werden. Zwei junge Männer, die ihn nach einem Überfall auf ein betagtes Opfer verfolgt haben, hätte er mit einem Messer bedroht. Dazu kommen noch Autoeinbrüche, mitgenommene Ausweise und Körperverletzung einer Augenzeugin. „Allein an dieser Aufzählung sehen Sie, dass es um eine Menge geht“, so die Staatsanwältin.
Zwölf Jahre Gefängnis
Und das schlägt sich auch im Urteil nieder. „Es handelt sich um massive Delikte, die massivst sanktioniert werden müssen“, begründet der vorsitzende Richter die strengen zwölf Jahre Gefängnis. Eine offene Strafe von zwei Jahren und neun Monaten wurde außerdem widerrufen. Sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft nehmen das Urteil an.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.