Handeln gefordert

Radikale im Netz: Welche Schritte jetzt nötig sind

Kärnten
19.02.2025 10:54

Nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten Terror-Anschlag in Villach fordern Experten strengere Social-Media-Regelungen und schnellere Asylverfahren zur Eindämmung von Radikalisierung. Auch der Ruf nach Druck auf Anbieter wie Tiktok wird laut. Der Obmann des Vereins Freie Syrische Gemeinde mahnt, nicht alle Syrer pauschal zu verurteilen.

Der Vorsitzende des Vereins Freie syrische Gemeinde Abdulhkeem Alshater registrierte zuletzt eine steigende Anzahl an Hasskommentaren und rassistischen Beleidigungen gegenüber der syrischen Gemeinde in Österreich. So hätten einige Menschen nach dem Anschlag gefordert, „alle nach Syrien abzuschieben“. Aber: „Nicht alle Syrer sind so. Terrorismus gehört auch keiner Religion, Terrorismus schadet uns“, warnt Alshater davor, alle Landsmänner und -Frauen des Attentäters über einen Kamm zu scheren.

Wie zahlreiche andere Menschen auch, floh er 2015 aus Syrien nach Österreich. „Wir sind vor genau diesen Leuten geflüchtet. Der IS hat dort Muslime getötet“. Auch der Umstand, dass jener Essenslieferant, der den Attentäter mit seinem Auto angefahren und damit gestoppt hatte, ebenfalls aus Syrien stammt, zeige „dass nicht alle gleich sind“.

Ruf nach Druck auf Anbieter wie Tiktok
Alshater sieht mehrere Gründe für die Radikalisierung von jungen Menschen: Einerseits brauche es strengere Regeln, um gegen einschlägige Inhalte auf Tiktok vorgehen zu können. Nicht nur Syrer, auch Österreicher würden diese Videos schauen, so der Vorsitzende des Vereins Freie syrische Gemeinde.

Diese These unterstreicht auch der Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger, der sich generell für einen verstärkten Fokus auf radikalisierende Influencer einsetzt. Damit Videos von der Plattform Tiktok genommen werden, müssen diese gegen die Community-Richtlinien verstoßen. Inhalte werden entweder von der TikTok-eigenen Technologie von der Plattform entfernt oder von menschlichen Moderatorinnen und Moderatoren.

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Man kann sich natürlich Maßnahmen überlegen, indem man Druck auf diese Netzwerke ausübt, dass sie gewisse extremistische Inhalte nicht mehr weiter verbreiten.

Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger

Seit 7. Juni 2022 gilt in der Europäischen Union die Vorschrift, dass Internetplattformen terroristische Inhalte zum Zweck der Radikalisierung bis maximal eine Stunde nach deren Identifikation löschen müssen. Wird systematisch gegen die Vorschriften verstoßen, kann es dazu kommen, dass die Internet-Plattformen bis zu vier Prozent ihres Umsatzes Strafe zahlen müssen.

Die Kurzvideoplattform TikTok hat gemäß der EU-Terrorist-Online-Regulation eine Richtlinie gegen gewaltbereiten Extremismus erstellt – Extreme Inhalte werden dennoch verbreitet. Schmidinger fordere daher, sich Maßnahmen zu überlegen, wie gezielt Druck auf Plattformen wie Tiktok ausgeübt werden könne, sodass sie extremistische Inhalte nicht weiter verbreiten würden.

Fünf Opfer wurden bei dem Terror-Anschlag zum Teil schwer verletzt – ein 14-jähriger Bursch starb. (Bild: EPA)
Fünf Opfer wurden bei dem Terror-Anschlag zum Teil schwer verletzt – ein 14-jähriger Bursch starb.
Am Dienstagabend fand der Trauermarsch zum Gedenken der Opfer in Villach statt. (Bild: EPA)
Am Dienstagabend fand der Trauermarsch zum Gedenken der Opfer in Villach statt.

Online-Medien im Fokus islamistischer Influencer
Online-Medien wären für islamistische Influencer der Nährböden für ihre extremistische Verbreitung, wie sich auch der stellvertretende Direktor der Dokumentationsstelle Politischer Islam, Ferdinand Haberl in einem offiziellen Statement äußert. Islamistische Influencer und Gruppen würden vermehrt über Staatsgrenzen hinweg agieren, insbesondere im Online-Bereich und in den sozialen Medien, wo oftmals höhere Reichweiten möglich sind. Vor allem Jugendliche werden damit auf eine niederschwellige Art und Weise mit extremistischem Gedankengut in Berührung gebracht und schlimmstenfalls radikalisiert.

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Viele Syrer würden gerne zurück in ihr Heimatland, aber erst, wenn es Sicherheit, Freiheit und Demokratie gibt.

Abdulhkeem Alshater, Vorsitzender des Vereins Freie syrische Gemeinde

Alshater sehe auch ein klares Defizit in der Integration von Geflüchteten, diese dürften nach ihrer Ankunft nicht alleine gelassen werden. Jugendliche würden ohne Beschäftigung hier sitzen und auf eine Rückmeldung vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl warten. Die Bearbeitung der Asylverfahren solle seiner Ansicht nach schneller gehen und Asylwerber in der Zwischenzeit Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen, so der Obmann.

Kriege und Krisen als Nährboden für Radikalisierung
Einschneidende Ereignisse wie die Coronapandemie oder die Kriege in der Ukraine und in Gaza können ebenso zu einer verstärkten Radikalisierung führen. Laut der österreichischen Wissenschaftlerin Julia Ebner müsse sich verstärkt die Frage gestellt werden, wer durch die psychischen und ökonomischen Krisen der vergangenen Jahre besonders gefährdet sei, von radikalen Inhalten angesprochen zu werden. Damit könne der übermäßigen Polarisierung entgegengewirkt werden.

Auch Terrorismusforscherin Daniela Pisoiu betonte die Rolle von Krisen im Interview mit dem Morgenjournal vom Montag. Die Pandemie habe laut Pisou extremistischen Akteuren eine Gelegenheit geboten, die Situation zu nutzen, um „ihre Ziele zu erreichen, Staaten und Gesellschaften im Westen zu destabilisieren und vor allem das Vertrauen in die Regierungen zu erschüttern“.

Der 7. Oktober 2023, der Tag des Hamas-Angriffs auf Israel, führte in Österreich zu einem Anstieg an antisemitischen und antimuslimischen Vorfällen. Auch bei rechtsextremen Straftaten gab es im Jahr 2023 ein Rekordhoch. Die Bildungsstätte Anne Frank warnte davor, dass TikTok in kurzer Zeit Menschen mit antisemitischen Posts radikalisieren könne.

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