Die Kehrtwende der USA

Europa aufteilen? Kreml kann Glück kaum fassen

Außenpolitik
19.02.2025 21:58

Donald Trump hat die Ukraine ans Messer geliefert. Der US-Präsident fungiert dabei als Bulldozer im Sinne Moskaus und reißt alte Gewissheiten für Europa endgültig ein. Jubelstürme im russischen Staatsfernsehen zeigen, wie gefährlich die Lage wirklich ist. Eine Analyse.

„Wer geduldig ist, wird reich belohnt“, dürfte sich Putin dieser Tage denken. Er hatte nach dem blamablen Auftreten seiner Armee zu Beginn seines Überfalls auf die Ukraine einen radikalen Strategiewechsel vollzogen, der nun Früchte trägt. Er setzte auf Zermürbung durch Zeit statt Eroberung durch Kraft.

Seit Beginn seines völkerrechtswidrigen Einmarsches sind beinahe drei Jahre vergangen, in denen der Westen an der Seite der Ukraine stand. Wirtschaftskrisen, Polarisierung und das Zerbröckeln von alten Gewissheiten haben seitdem die politische Landkarte in Europa und den USA auf den Kopf gestellt. Am Verhandlungstisch sitzen neue Gesichter – allen voran US-Präsident Trump und seine MAGA-Lakaien.

Was einmal war, gilt nicht mehr
Die vergangenen Stunden haben eindrucksvoll gezeigt, dass nationalistische Denkmuster in den USA vollends übernommen haben. Theodore Roosevelt pflegte zu sagen: „Sprich sanft und trage einen großen Knüppel, [dann] wirst du weit kommen.“ Die Zeiten der „Big Stick“-Diplomatie in den USA sind aus heutiger Sicht nur noch eine Erinnerung. Also jener Strategie, die auf diplomatischen Beziehungen und der Beteuerung guter Absichten aufbaut – gepaart mit einem schlagkräftigen Militärapparat und hoher Wirtschaftsmacht. 

Trump kann aber nur laut. Bisherige Partner wie die Ukraine und Europa werden nicht mehr konsultiert, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt. Drohungen (Grönland, Zölle, etc.) inklusive. Als Botschafter der neuen Außenpolitik schickte der US-Präsident seinen Vize JD Vance vergangene Woche nach Europa zur Münchner Sicherheitskonferenz. Seine bemerkenswerte Rede ließ den europäischen Sicherheitsapparat fassungslos zurück. Die Botschaft: Ihr seid jetzt auf euch gestellt!

Europa habe ein Zensur- und Demokratie-Problem, gleichzeitig machte Vance Werbung für rechtsextreme Parteien wie die AfD. Es war eine Moralpredigt ohne Substanz. Liberalen Medien wie der Nachrichtenagentur AP oder der „New York Times“ wird in den USA zeitgleich der Zugang zum Weißen Haus verweigert. Die Berichterstattung gefällt nicht. An der Spitze der Geheimdienste sitzt mit Tulsi Gabbard eine Russland-nahe Verschwörungstheoretikerin. Und mit Elon Musk als Quasi-Schatzmeister der Nation führt Trump die USA in das Zeitalter der Oligarchie.

Musk gibt die Richtung vor ... (Bild: ANGELA WEISS)
Musk gibt die Richtung vor ...

So passt es nur ins Bild, dass der US-Präsident sich der Erzählung des Kremls unterwirft. Die Ukraine sei selbst schuld am Einmarsch Russlands. Wolodymyr Selenskyj sei ein „Diktator ohne Wahl“, der bald kein Land mehr habe. Die US-Unterstützung für das angegriffene Land beruht offenkundig nicht mehr auf westlicher Solidarität. Trump knüpft die Hilfe beispielsweise an den Zugang zu Seltenen Erden aus der Ukraine. Die Republikaner sehen darin offenbar eine Möglichkeit, das marode US-Haushaltsbudget aufzupolieren.

„Wir nutzen die Bedrohung russischer Gewalt, um selbst Dinge für uns herauszuschlagen. Das hat mit einer Moderation eines Konflikts nichts zu tun“, bemerkte der renommierte US-Historiker Timothy Snyder. US-Außenminister Marco Rubio steht stellvertretend für die 180-Grad-Wende der Amerikaner. Dieser nannte Putin vor zwei Jahren einen „Gangster“, der in Kiew eine „Marionettenregierung installieren“ wolle. Trump will dem Kremlchef mit der Forderung von Selenskyjs Abwahl genau das liefern. Der einstige Hardliner Rubio bürgt nun für die hehren Absichten Putins. 

In Europa schrillen naturgemäß sämtliche Alarmglocken. Eilig werden neue Rüstungsprogramme aus dem Boden gestampft. Im NATO-Staat Dänemark gilt seit Mittwoch etwa das Motto: „Kaufen, kaufen, kaufen!“ Die Abrüstungspolitik der vergangenen Jahre sei ein Fehler gewesen. Militärexperten wie Carlo Masala fürchten in einem nächsten Schritt den Abzug von US-Truppen aus Europa. „Wenn Europa jetzt nicht in die Gänge kommt, Streitkräfte und Waffen der USA in Europa mit ihren eigenen ersetzt, dann ist es bald schutzlos einem russischen Imperialismus ausgeliefert“, erklärte er dem „Spiegel“.

Kreml kann Glück kaum fassen
Trumps kurzsichtige Weltsicht, seine Bewunderung für Autokraten und seine Selbstbesessenheit als existenzielle Gefahr für Europa? Ein Blick ins russische Staatsfernsehen reicht, um zu sehen, dass der Kreml sein Glück kaum fassen kann. Hier wird bereits offen über die Aufteilung des Kontinents zwischen den Supermächten fantasiert. 

Putins Chef-Propagandist Wladimir Solowjow träumt zur besten Sendezeit vom ganz großen Wurf: „Warum nicht eine Militärkoalition zwischen Russland und Amerika bilden und Europa aufteilen? Wer braucht das schon? Ich halte das für eine großartige Idee.“ Hier wird eine Gesellschaft auf noch größere Konflikte eingestimmt.

Zur Erinnerung: Vor Trumps Amtsantritt war Moskau so verzweifelt, dass Putin Notfall-Allianzen mit Nordkorea und dem Iran geschlossen hat, um auf dem Schlachtfeld weiterhin bestehen zu können. Jetzt wird über die Neuaufteilung Europas schwadroniert.

Biden schwor der Ukraine „bedingungslose Unterstützung“. Das ist jetzt vorbei ... (Bild: Drew Angerer/Getty Images)
Biden schwor der Ukraine „bedingungslose Unterstützung“. Das ist jetzt vorbei ...

China als lachender Dritter
Trumps Abschied auf der internationalen Bühne hinterlässt ein Machtvakuum, das zweifelsohne gefüllt werden wird. Just von jenem Staat, den er selbst als die größte Bedrohung ausgemacht hat: China.

Durch den Rückzug aus der Weltgesundheitsorganisation und dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen machen die USA das Feld für China frei, um das UN-System zu einem Instrument seiner globalen Macht zu machen, analysiert etwa das US-Magazin „The Atlantic“. Die Zerschlagung von USAID macht China für Entwicklungsländer zudem noch wichtiger. Hier gilt die alte Faustregel: Entwicklungshilfe ist auch knallharte Geopolitik. Trumps bizarrer Plan, Palästinenser aus dem Gazastreifen zu deportieren, wird Peking auch im Nahen Osten mächtiger machen. 

Der US-Präsident mag recht haben, dass sich Europa mehr um seine eigenen Angelegenheiten kümmern sollte. Aber indem er die globale Führung an autoritäre Staaten wie Russland und China abgibt, schafft er eine Welt, die die westliche Zivilisation eigentlich hinter sich lassen wollte.

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