Optimismus versiegt
So rudern die Hersteller bei E-Auto-Plänen zurück
Die Elektro-Euphorie in der europäischen Autoindustrie hat sich vorerst gelegt. Nicht nur deutsche Marken blicken wieder verstärkt Richtung Verbrenner und schieben dessen Einstellung nach hinten.
E-Autos laufen im wichtigen deutschen Markt schlechter als gedacht, bei Batterien ist die Industrie immer noch auf China angewiesen und das Thema Klimawandel ist im öffentlichen Bewusstsein in die dritte Reihe gerückt. Anlass genug für die deutsche und europäische Autoindustrie, ihre vollmundigen Elektrifizierungs-Ankündigungen zu modifizieren und sich in unsicheren Zeiten wieder mehr auf das bekannte Geschäft mit dem Verbrennungsmotor zu konzentrieren. Eine Übersicht der Planungen.
Noch 2023 überboten sich die Autobauer öffentlich gegenseitig mit ehrgeizigen Ankündigungen zum Auslaufen der Verbrenner-Produktion. Vielerorts klingt das nun deutlich weniger euphorisch. Dabei haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen bislang nicht verändert. Immer noch soll in der EU ab 2035 das sogenannte Verbrennerverbot gelten. Bis auf wenige Ausnahmen können dann keine Benziner und Diesel mehr neu zugelassen werden.
Der zweite relevante Treiber für eine Antriebswende ist die Regulierung der CO2-Flottenemissionen, bei der seit Jahresbeginn strengere Limits gelten. Eine dritte Regulierung, die, wenn auch nicht aus Industrie-, so doch aus Kundensicht eine Rolle spielt, ist der europäische Emissionshandel, der ab 2027 auch im Verkehrssektor greift und konventionelle Kraftstoffe merklich verteuern dürfte.
Verschieben oder auf bessere Zeiten hoffen?
Bleibt der Rahmen bestehen, macht für die Hersteller eine Verzögerung der Antriebswende zumindest in Europa keinen Sinn. Teile der Politik und Industrie versuchen aber bereits seit einiger Zeit, den Rahmen zu verschieben, vor allem zeitlich, aber auch essenziell. Häufigstes Argument dabei: Die zuletzt schwache Nachfrage nach E-Mobilen.
„Zu sagen, wir verschieben 2035, weil wir in 2025 schlechte Nachfrage nach E-Autos sehen, ist nicht ehrlich.“
Ferdinand Dudenhöffer
Ein Scheinargument, findet Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer: „Zu sagen, wir verschieben 2035, weil wir in 2025 schlechte Nachfrage nach E-Autos sehen, ist nicht ehrlich.“ Er erwartet, dass sich das E-Auto schon deutlich vorher durchgesetzt haben wird. „Wir wissen, dass Batterien – auch weil die Produktionsverfahren besser werden und der Ausschuss sinkt – deutlich kostengünstiger werden. Also wird noch vor 2030 das Elektroauto kostengünstiger in der Anschaffung sein als der Verbrenner.“
Kurzfristig erkennt Dudenhöffer allerdings auch einen Nutzen für die Industrie. Eine Verschiebung würde vor allem den Marken zugutekommen, die in der Verbrennerwelt gut unterwegs sind, also allen deutschen. Tatsächlich zählen die heimischen Unternehmen auch zu denen, die zumindest darüber nachdenken, ihre ehrgeizigen Elektrifizierungspläne abzuschwächen. Das Ausstiegsdatum in zehn Jahren bietet dafür einen gewissen Spielraum, lässt es doch zumindest theoretisch gerade noch genug Zeit für die Lancierung einer neuen Modellgeneration mit Verbrennerantrieben.
So rudern die Autohersteller zurück
Möglich machen das auch die im vergangenen Jahr verabschiedeten, eher laxen Vorgaben für die Abgasnorm Euro 7, die kaum strenger ausfällt als die aktuelle Version. Pikanterweise argumentierte die Industrie damals gegen die zunächst geplante Verschärfung nicht zuletzt mit dem Argument, diese würde sich angesichts des baldigen Verbrenner-Endes gar nicht mehr lohnen.
Tatsächlich waren die offiziellen E-Mobilitätspläne damals noch sehr ehrgeizig, in vielen Fällen terminierten Hersteller ihr eigenes Verbrenner-Aus schon deutlich vor dem ultimativen Datum. Das wird nun teilweise überdacht. Audi etwa will eigentlich ab 2026 nur noch neue E-Autos anbieten, investiert laut Medienberichten aber möglicherweise wieder vermehrt in Verbrenner. Schwester VW will offiziell 2035 aufhören mit Benziner und Diesel, fährt intern aber offenbar eine ähnliche Strategie wie der Premium-Ableger. Kern dabei: Einige Verbrenner sollen in Europa länger laufen als ursprünglich avisiert.
Verbrenner laufen länger als geplant
Am offensivsten hat sich zuletzt Porsche positioniert, und unter dem Eindruck sinkender Neuwagenverkäufe angekündigt, wieder stärker auf Verbrenner und Plug-in-Hybride zu setzen. Premium-Wettbewerber Volvo wollte zuletzt bis 2030 auf reine E-Antriebe umstellen, will nun aber auch im darauffolgenden Jahrzehnt weiter teilelektrifizierte Benziner bauen. Auch Alfa Romeo scheint von seinen Plänen abgerückt, schon 2027 ausschließlich elektrisch fahren zu wollen.
Zu den deutschen Marken und den europäischen Premiumherstellern gesellen sich weitere Autobauer, die keine konkreten Daten nennen. Allen voran BMW, deren Konzernchef Oliver Zipse die 2035-Pläne zuletzt öffentlich als naiv kritisiert und Anpassungen gefordert hat. Etwas vorsichtiger agiert Mercedes; die Stuttgarter nennen weiterhin keinen festen Zeitpunkt für den Ausstieg.
Nicht mehr ganz so energisch wie noch 2023 klingt das E-Auto-Bekenntnis zudem bei einigen Stellantis-Marken. Fiat hatte ursprünglich von 2027 gesprochen, will jetzt möglicherweise erst 2030 so weit sein. Schwester Opel hat sich von konkreten Zeitplänen verabschiedet, wie Markenchef Florian Huettl gegenüber britischen Medien erklärte. Ob es beim geplanten Verbrenner-Aus 2028 bleibt, hängt wohl vor allem von der Marktentwicklung ab. Ebenfalls unklar ist der genaue Kurs von Toyota. Der Weltmarktführer hat nie Pläne zum Ausstieg verkündet, will aber 2035 zumindest nach seiner Definition klimaneutral sein.
Elektro-Sondersteuer in den USA
Noch unsicherer wird die Lage, wenn man den Betrachtungsradius vergrößert und die USA miteinbezieht. Die Trump-Regierung will die E-Autoförderung offenbar nicht nur streichen, sondern plant sogar einen 1000-Dollar-Aufschlag für Stromer. Schon zuvor hatte sich Ford angesichts schwacher E-Autoverkäufe wieder auf den Bau klassischer Trucks und Pick-ups konzentriert. General Motors hält indes aktuell an seinen Plänen für 2035 fest, nur noch emissionsfreie Autos zu bauen. Auch für die deutschen Autobauer ist wichtig, wie der US-Markt sich entwickelt. Aktuell ist die Situation aber angesichts der Zoll-Ankündigungen zusätzlich unübersichtlich.
Verbrenner als Sackgasse?
Ein Festhalten an der Verbrennertechnik könnte allerdings riskant sein. „Deutsche und alle, die in der Verbrennerwelt ihre Vorteile haben, könnten langfristig zu Verlierern werden, weil sie nach 2030 von Tesla und den jungen Chinesen überrannt werden“, fürchtet Dudenhöffer. Zumindest, solange die Gesellschaft den Kampf gegen den Klimawandel nicht aufgibt und das Null-Emissions-Ziel komplett streicht.
Ein möglicher Ausweg aus dem Verbrennerdilemma wären die sogenannten E-Fuels. Die EU will auch über 2035 hinaus den Verkauf von Pkw ermöglichen, die ausschließlich mit diesem potenziell CO2-neutralen Kraftstoff betankt werden können. Allerdings gibt es synthetischen Sprit noch nicht in entsprechenden Mengen und die Gesetzeslage macht den Import quasi unmöglich.
Auf lange Sicht könnten E-Fuels dennoch eine Option sein. Eventuell nur für Luxusmarken. So hat es zuletzt etwa Lamborghini-Chef Stephan Winkelmann in einem „Welt“-Interview angedeutet. Für Otto-Normalfahrer dürften die Designer-Kraftstoffe zumindest in Reinform angesichts der zu erwartenden hohen Preise keine attraktive Alternative zum E-Auto sein. Wenn sich die Gegebenheiten nicht ändern.
Letztlich läuft auch aus heutiger Sicht alles auf das E-Auto zu. Zumindest zum Jahresanfang gab es einen üppigen Zulassungssprung in Deutschland und in diesem Zuge auch in der EU-Statistik. Auch wenn viele E-Auto-Anmeldungen aus strategischen Gründen aus dem Vorjahr in das laufende geschoben wurden, könnte sich eine Trendwende andeuten.
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