Der Lehrermangel wird zunehmend zu einer bildungspolitischen, aber auch finanziellen Bedrohung. Wie aus einer aktuellen Anfragebeantwortung hervorgeht, leisteten Oberösterreichs Pflichtschullehrer im vergangenen Schuljahr knapp 467.000 Überstunden. Die Folgen dieser Überbelastung sind mitunter dramatisch.
Dass es an Oberösterreichs Pflichtschulen zu wenige Lehrpersonen gibt, ist nicht neu, zuletzt hatte die zuständige LH-Stellvertreterin Christine Haberlander das Dilemma nach einer mündlichen Anfrage im Landtag im vergangenen November in Zahlen gegossen: Rund 10.000 Überstunden müssten Lehrer pro Woche leisten, sagte die ÖVP-Politikerin damals.
Beunruhigende Details
Die Grünen wollten es nun im Detail wissen und gingen dem Problem mit einer schriftlichen Anfrage auf den Grund. Jetzt liegt Haberlanders Beantwortung vor – und sie lässt die Alarmglocken schrillen. Im vergangenen Schuljahr erbrachten die Pflichtschullehrer demnach insgesamt 466.375 Überstunden, das sind 3,37 Prozent aller Unterrichtsstunden.
Überstunden in vier Jahren mehr als verdoppelt
Am meisten betroffen sind Lehrer in den Bildungsregionen Linz und Mühlviertel, und vorwiegend sind es Pädagogen an Mittelschulen, die Mehrarbeit leisten mussten. Großteils handelt es sich laut Haberlander dabei nicht um klassische Supplierungen, sondern um (Dauer)Mehrdienstleistungen. Frappierend ist besonders die kontinuierliche Steigerung in den vergangenen Jahren: 2019/20 mussten „nur“ 212.485 Überstunden geleistet werden, zuletzt waren es eben weit mehr als doppelt so viele.
So kann die Situation nicht bleiben. Das wäre politisch verantwortungslos. Nicht nur gegenüber den Lehrkräften, sondern auch den Schülerinnen und Schülern und schließlich auch den Eltern.
Reinhard Ammer (Grüne), Landtagsabgeordneter
Überforderung macht krank
Für den Bildungssprecher der Grünen, Reinhard Ammer, steht fest: Seitens der Landespolitik bereits gestartete Initiativen fruchten offenbar nicht. Aus seiner Sicht brauche es jetzt „Programme, die sofort wirken und nachhaltig sind. Ein Bündel ist nötig und der absolute Wille, die Situation endlich zu ändern.“ Denn die chronische Überbelastung habe einen Dominoeffekt: zum einen würden sich die Krankenstandstage anhäufen: Laut Anfragebeantwortung waren 2023/24 von den knapp 14.000 Lehrkräften mehr als 11.000 zumindest einmal krank.
Geografielehrer unterrichtet Englisch
Zum anderen wirke sich der Lehrermangel auch auf die Qualität des Unterrichts aus. Denn immer mehr Pädagogen müssten Fächer unterrichten, für die sie gar nicht ausgebildet sind. So fehlen etwa Lehrer in den Gegenständen Deutsch, Englisch, Mathematik, Bewegung und Sport, Informatik, Physik und Chemie. Um fachfremden Unterricht ausschließen zu können, würden laut Haberlander insgesamt 989 Vollzeit-Lehrkräfte benötigt.
Mehr als 25 Millionen Euro Kosten
Zum bildungspolitischen kommt das finanzielle Dilemma: Die Lehrer-Überstunden des vergangenen Schuljahres schlugen beim Land mit rund 25,7 Millionen Euro zu Buche. Diese Kosten hätten allerdings „keine negativen Auswirkungen auf das gesamte Personalbudget“, führt Haberlander aus.
So könne die Situation jedenfalls nicht bleiben, urteilt Ammer. Immerhin würde die „Flut an Überstunden genau jene abschrecken, die sich grundsätzlich für den Lehrberuf interessieren“.
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