Bundeskanzler Alexander Schallenberg hat in einem Interview betont, dass ihm „manchmal“ der Diskurs über die Friedensverhandlungen in der Ukraine missfällt. Die Welt werde aktuell Zeuge eines „globalen Systemkampfes“. Heutzutage gebe es zu viel „Emotionalität“.
Verhandlungen ohne die Ukraine wären rückschrittlich. Sie sei es schließlich, die tapfer kämpfe, sagte er im Interview mit „Foreign Policy“: „Wir befinden uns nicht im 19. Jahrhundert, wo wir über das Schicksal anderer Menschen entscheiden können.“
Als Reaktion auf die Rede von US-Vizepräsident JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz, in der er den Europäern mangelndes Demokratieverständnis vorgeworfen hat, gibt Schallenberg diesem zu Beginn des Interviews in zumindest einem Punkt recht: Als Außenminister und Bundeskanzler halte auch er den Begriff der „Brandmauer“ in einer Demokratie für äußerst heikel. Denn dies würde implizieren, dass bestimmte Wählerstimmen – in Österreich fast 29 Prozent (die Stimmen der FPÖ) – nicht zählen. Die Anti-System-Rhetorik würde dadurch verstärkt.
Angesprochen auf die gescheiterten Verhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP, erklärt Schallenberg, dass er es grundsätzlich für richtig hielt, in Gespräche zu treten, auch wenn er selbst nicht Teil einer FPÖ-ÖVP-Regierung habe sein wollen. Schlussendlich sei eine Regierung am geforderten Zugang der Freiheitlichen zum Geheimdienst und zu anderen Institutionen gescheitert.
Schallenberg ortet globalen „Systemkampf“
Mit Blick auf die Geopolitik sieht Schallenberg die Welt im „Systemkampf“. Es gäbe autoritäre Systeme, die versuchen würden, demokratische Werte zu untergraben. Man solle es durch ein Schwarz-Weiß-Zeichnen diesen Kräften nicht noch einfacher machen. Das größte Problem der Außenpolitik seit der Erfindung der sozialen Medien sieht Schallenberg in der zunehmenden Emotionalisierung. Er fasst zusammen: „Es gibt zu viel Emotionalität und nicht genug Rationalität.“
Im Kampf für die Demokratie seien die Vereinigten Staaten wichtigster Verbündeter: „Ich werde versuchen, eine stabile, vertrauenswürdige und enge Beziehung zu jeder Regierung in den Vereinigten Staaten aufzubauen, denn sie ist in der freien Welt die Macht Nr.1.“
Die westliche Welt bezeichnet der Berufsdiplomat als Gemeinschaft, die einander brauche, um ihr Lebensmodell zu verteidigen und nachhaltig Frieden zu sichern. Kooperation sei nötig, um den Krieg in der Ukraine zu bewältigen. Im Gegenzug könne Europa den USA in deren Herausforderungen, beispielsweise im indopazifischen Raum, helfen.
Man müsse sich engagieren, anstatt „in der Ecke zu schmollen“. An Washington will Schallenberg daher die Botschaft senden: „Rechnet fest mit uns. (…) Wir werden liefern, weil wir am Ende des Tages den gleichen Kampf führen.“
Zölle spielen Peking in die Karten
Angesprochen auf die Pläne Trumps zur Einführung neuer Zölle auf Waren aus Europa wirft Schallenberg die geopolitische Perspektive ein: „Wenn es zu einem Handelskrieg kommt, kann ich Ihnen eines sagen: Der einzige, der sich totlacht, ist [der chinesische Präsident] Xi Jinping.“ Als Erstreaktion auf einen „aggressiven Vorstoß“ der US-Amerikaner würde Europa wahrscheinlich ebenso mit Zöllen reagieren, aber nur mit dem Ziel, am Verhandlungstisch zu landen und schnell eine Einigung zu erzielen. Der Wohlstand des gesamten Westens würde wahrscheinlich leiden.
Gleichzeitig wolle man aus europäischer Sicht in China dieselben Wettbewerbsbedingungen, die China in Europa genießt. Auch sicherheitspolitisch wünscht sich Schallenberg, insbesondere aufgrund der chinesischen Mitgliedschaft im UNO-Sicherheitsrat, mehr Verantwortungsbewusstsein der Chinesen für geopolitische Stabilität und Sicherheit.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.