Mit bis zu 802.000 Zuschauern erwies sich der Krimi „Wiener Blut“ 2019 als ORF-Publikumshit. Nach langer Wartezeit feiert heute Abend (20.30 Uhr, ORF 2) der lang erwartete Nachfolger „Wiener Blut – Berggericht“ seine Premiere. Wieder dabei ist Harald Windisch als Polizist Markus Glösl – er stand uns vorab Rede und Antwort.
Auf einer einsamen Landstraße im Weinviertel wird eine junge Frau (Laura Euler-Rolle) aufgegriffen. Staatsanwältin Fida Emam (Melika Foroutan) erfährt, dass die heute 18-Jährige vor zwei Jahren in einem Wiener Heurigenviertel entführt wurde. Von einem weiteren Mädchen fehlt noch jede Spur. Paul Ritter (Fritz Karl), der Besitzer des Kellers, wird festgenommen, behauptet aber steif und fest, nichts mit den Entführungen zu tun zu haben. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, bei dem weitere Figuren eine tragende Rolle spielen. Emam steht der ins Weinviertel strafversetzte Polizist Markus Glösl (Harald Windisch) bei, mit dem sie eine schwierige Vergangenheit teilt.
„Krone“: Herr Windisch, seit der Ausstrahlung des ersten Teils von „Wiener Blut“ sind fast sechs Jahre ins Land gezogen. Wie haben sich für Sie die Vorbereitungen, Dreharbeiten und Zugänge im direkten Vergleich zwischen Teil eins und zwei unterschieden?
Harald Windisch: Die Figur des Markus Glösl hängt sehr stark mit dem ersten Teil zusammen, weil er sich dort von der Macht instrumentalisieren ließ und zu einer verlorenen Seele wurde. Im neuen Teil „Wiener Blut – Berggericht“ durchläuft er eine Katharsis. Er ist auf Wiedergutmachung aus und bekommt eine zweite Chance, die auch sein Handeln steuert. Es war klar, dass ich die Figur in der Psychologie für den neuen Teil ändern musste. Glösl muss sich aus diesem Verloren sein herauskämpfen, wieder neu finden und neue Wege gehen. Die Zusammenarbeit mit der Hauptfigur Fida Emam von der Staatsanwaltschaft kommt da gerade recht, weil sie die Person ist, bei der Glösl seine Wiedergutmachung startet.
Es hat mich überrascht, dass die vielen Themen des ersten Teils im neuen Film nicht mehr so stark thematisiert werden. Glösl sagt einmal kurz, dass er nicht stolz darauf sei, was passiert ist – dann wird aber sofort wieder auf die neue Handlung übergegangen.
Im Auto fragt Fida kurz nach, wie er aus der Sache rauskam und verweist auf die Kronzeugenregelung - fertig. Das sind natürlich dramaturgische Tricks, die man für einen Film verwendet, weil es in echt nicht so einfach gehen kann. Zumindest geht es nicht so schnell, dass jemand danach wieder in seinem alten Beruf arbeitet. Die Figur des Glösl ist aber in gewisser Weise ein Sympathieträger und wir brauchten ihn wieder für die Handlung.
Glösl ist ein Polizist, der sehr akribisch arbeitet, aber auch dem schönen Leben und gewissen Süchten wie dem Rauchen nicht abgeneigt. Genießt er gerne das süße Leben?
Ja, aber das gehört zu seiner Selbstsuche. Im ersten Teil drehten wir eine Szene, die am Ende aus dem fertigen Produkt herausgeschnitten wurde. Das war eine kleine Sequenz an der Donau, wo die Polizisten jemanden an der Reichsbrücke erhängt finden. Dann fährt unten ein Schiff vorbei und Glösl schaut mit melancholischem Blick darauf und denkt sich, er würde jetzt gerne bis nach Griechenland darauf mitfahren – was natürlich nicht geht, weil da unten der Freudenauer Hafen ist. Basierend darauf schlägt er jetzt neue Wege ein. Glösl war früher wahrscheinlich ein akribischer Arbeiter, der sich sehr in seine Tätigkeit verbissen und viel nach außen gedacht und sich um andere Menschen gekümmert hat. Dadurch hat er sich aber auch selbst verloren, was in Teil eins sichtbar war. Jetzt findet er wieder einen Weg zurück und versucht die Loyalität zu finden, die er in der Arbeit verloren hat. Natürlich ist der erste Film weit weg, er wurde 2019 ausgestrahlt. Daran erinnern sich wohl nicht mehr alle.
Genau deshalb müsste man vielleicht einen klareren Bogen spannen?
Die Geschichte funktioniert aber auch losgelöst davon. Ich finde es richtig, dass wir da nicht mehr tiefer reingehen, sondern uns auf die neue Handlung konzentrieren.
Die von Ihnen angesprochene Akribie des Markus Glösl funktioniert so lange, bis er in die Wohnung der Emams kommt und eine Nacht mit Fidas Mutter Afifa versumpft …
Das ist sozusagen eine Reminiszenz an den ersten Teil, wo diese Thematik noch viel stärker bedient wurde. Im ersten Teil kommt Afifa viel stärker raus – ihre Sehnsüchte nach einer vergangenen Karriere als Sängerin zum Beispiel. Dafür ist Glösl als Opfer ein gefundenes Fressen. Er ist auch einsam, raucht gerne und trinkt im Weinviertel dort und da einen Spritzer. Er lässt sich dazu hinreißen, mit Afifa eine Nacht mit Weintrinken zu verbringen. Das soll vor allem charmant wirken.
Im Gegensatz zum Gros der österreichischen Krimis ist „Wiener Blut – Berggericht“ mit relativ wenig Humor durchzogen. Ihre Figur des Glösl ist neben Afifa Emam auch die einzige, die ein bisschen Lockerheit in den ernsten Fall bringt.
Der Humor von Glölsl kommt locker aus der Hüfte heraus und ist ähnlich wie mein eigener. Da Glösl aber auf Wiedergutmachung aus ist, hält er sich mit Humor bewusst zurück. Die Zusammenarbeit von Emam und Glösl durchzieht ein Oxymoron. Aus einer ruhigen Akribie heraus herrscht eine irrsinnige Dynamik. Das finde ich in der Figurenzeichnung sehr spannend. Wir haben den Film im Frühling vor zwei Jahren abgedreht und das gesamte Ensemble war wirklich hervorragend. Jede Figur steht für sich sehr stark da – auch die kleinen Rollen. Das hat mich sehr beeindruckt.
„Berggericht“ dreht sich um Entführungsopfer in den weit verwinkelten Weinkellern Niederösterreichs. Das ist eine ganz andere Zugangsweise wie beim ersten „Wiener Blut“, der ein Politthriller war und sich mit radikalem Islamismus und seinen Folgen befasste.
Das Drehbuch war ganz anders als das erste, aber es gibt schon auch Parallelen. Beide Filme thematisieren die rechte Ideologie. Im ersten Teil war es noch deutlich politischer, dieses Mal ist der Kontext dazu von einer ganz anderen Warte aus zu beurteilen. Damals ging es um die neue Rechte, jetzt wird dieses Thema aus der Vergangenheit herausgeholt und diese Unterschiede wurden mir erst beim Diskurs über das Drehbuch klar. Es sind zwei verschiedene Paar Schuhe, was für den Film auch wichtig ist. Der neue Film ist vom ersten Teil her gesehen völlig freigestellt.
Die rudimentären Themenbereiche sind ländlicher und greifbarer. Es geht um Entführungen, Drogenhandel, Verlust oder Schmerz.
Im ersten Teil drehte sich alles um das Machtkalkül und um Instrumentalisierung. Wie funktionieren Systeme, wie ist darin Korruption integriert und wie hängen diese zwei Bereiche zusammen? Im neuen Film sprechen wir das nicht mehr an. Ich habe die Rolle des Glösl so angelegt, dass er alle Empathie, die er findet, an Fida Emam zurückgeben möchte. Das versuchte ich mir in jeder Szene zu vergegenwärtigen. Ich hoffe, dass die Zuschauer merken, dass dieses Wohlwollen bei ihm immer mitschwingt, weil er die Dinge richtigstellen möchte.
Melika Foroutan weist in ihrer Rolle als Fida Emam eine fast schon undurchdringbare Strenge auf, die aber trotzdem eine gewisse Art von Versöhnlichkeit ausstrahlt. Man spürt, dass sie Glösl trotz allem sehr gerne hat.
Sie steht ihm offen gegenüber und das ist eigentlich eine große Geste. Sie ist durch ihn im ersten Film fast umgekommen, aber er hat vieles auch wieder gutgemacht. Das ist die Ausgangslage dafür, dass sie sich wieder treffen. Mit Glösl wurde gespielt und er wusste nicht, dass es so weit gehen kann, weshalb sie ihm dann auch verzeihen kann. Die meiste Zeit wirkt sie recht herb, aber am Ende des Films sitzen die beiden im Auto und fahren durch das Weinviertel. Dort sagt sie, sie könnte mit ihm ewig so weiterfahren. Ich finde, das ist eine sehr nette Schlussszene.
Das weitläufige und zumeist sehr flache Weinviertel hat sich als Drehort für die Handlung als optimal erwiesen. In den unzähligen Weinkellern verfranzt man sich ziemlich leicht – da wirkt eine Entführung ins Unbekannte gleich noch bedrohlicher …
Glösl wurde zudem in diese Gegend strafversetzt. Er weiß genau, dass da oben jahrelang nichts passiert ist und die Dorfpolizisten nichts zu tun haben. Ich muss gestehen, dass ich mich während des Drehs in diese Gegend verliebt habe. Wir waren knapp eine Woche dort und drehten rauf bis zur Burgruine Falkenstein, verortet ist alles bis an die tschechische Grenze. Dort ist es nicht nur flach, sondern zuweilen auch hügelig und man sieht über die Grenze drüber. Es war sehr beeindruckend und wir hatten Riesenglück mit dem Wetter, es war immer schön. Die Szenerie hätte aber auch gut zu Nebel gepasst. Trotz der pittoresken Schönheit dieser Gegend passt der verlorene Glösl wie die Faust aufs Auge in diese Kellergassen. Und bei den Kellern weißt du wirklich nicht, was da ist oder passiert.
Glösl scheint sich mit Fortdauer des Films mit der Gegend zu versöhnen. Sucht er gar nicht mehr nach dem Trubel in der Großstadt, sondern genießt die Ruhe und Einsamkeit des Weinviertels?
Unbedingt und das hier ist genau die Fortführung der angesprochenen Szene, die wir gestrichen haben – wo er gerne mit dem Schiff nach Griechenland und dort dann in einem alten Steinhaus leben würde. Diese unausgesprochene Lösung haben wir sozusagen jetzt im Weinviertel anders gelöst. An einem freien Drehtag habe ich mir ein Rad geschnappt und bin die ganze Gegend abgefahren und dann hinauf bis zur Burgruine. Das ist alles irrsinnig beeindruckend und war für mich sehr prägend. Diese prägenden Momente und Gedanken sind dann in die Rolle des Polizisten Glösl eingeflossen.
Wären Sie offen für weitere Teile und Fortsetzungen? „Wiener Blut“ ließe sich mit der angebotenen Charakterzeichnung noch lange weiterziehen.
Zwischen Glösl und Emam gibt es eine gewisse zwischenmenschliche Spannung, aber da muss man aufpassen, dass man keine falsche Richtung einschlägt. Die Konstellation ist aber sehr spannend und birgt viele Möglichkeiten. Die Figuren sind allesamt erzählenswert, aber am Ende hängt immer alles vom lieben Geld ab. Man kann nur hoffen, dass die Quoten gut sind und „Berggericht“ ein Erfolg wird, wobei das auch noch nichts heißt. Es wäre aber eine schöne Anerkennung für die Arbeit und die Produktion. Der erste Teil lief sehr gut, der Sendeplatz für den neuen Film ist auch gut – es wäre schön, wenn wir das gut weitererzählen können.
Was steht bei Ihnen in nächster Zeit sonst noch so an? Wo werden wir Harald Windisch sehen?
Das ist ein bisschen eine Wundertüte. In der Branche fehlt momentan vorne und hinten das Geld und man weiß nie genau, was stattfinden kann oder sich realisieren lässt. Momentan wäre ich froh, wenn Aufträge kommen würden, die ich zusagen kann. Es gibt immer wieder Anfragen, aber bis zur Unterschrift ist es dann doch ein weiter Weg. Die Luft ist momentan sehr dünn und man muss sich weit nach oben strecken.
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