Elmar Rauch:

„Ich bin nur ein glücklicher Mensch. Kein Held.“

Vorarlberg
23.02.2025 06:55

In seiner neuen Serie „Das zweite Leben“ spricht Autor und Kolumnist Robert Schneider mit Menschen, die eine zweite Chance bekommen haben. Dieses Mal traf er sich mit Elmar Rauch, bei dem 2017 ein Multiples Myelom diagnostiziert wurde.

Als ich Elmar Rauch anlässlich unserer Reihe „Das zweite Leben“ in Bregenz zum Gespräch treffe, ist es ihm wichtig, gleich eines vorwegzuschicken: „Damit es keine Missverständnisse gibt. Ich bin nicht der Held. Die Helden sind die Anderen. Die, die mir in der Erkrankung zur Seite standen und immer noch stehen, zum Beispiel meine wunderbare Frau, die Ärzte oder Susanne Marosch von der Leukämiehilfe Österreich „Geben für Leben“.

Gelernt hatte Elmar ursprünglich Radio- und Fernmeldetechnik. In diesem Beruf arbeitete er auch einige Jahre. Doch irgendwann sei es ihm zu blöd gewesen, Fernseher zu reparieren, nur damit der Kunde am Abend sein „Dallas“ schauen konnte. „Ich wollte mich weiterentwickeln, war einfach neugierig“, meint er und nimmt einen Schluck von seinem Cappuccino.

Der passionierte Rennradler Elmar Rauch fährt inzwischen mit dem E-Bike und geht Winterwandern. (Bild: Mathis Fotografie)
Der passionierte Rennradler Elmar Rauch fährt inzwischen mit dem E-Bike und geht Winterwandern.

 Schließlich arbeitete der heute 59-Jährige beim „Land“, wie er sich ausdrückt. „Das Tolle dort war, dass ich etwa alle zehn Jahre ein neues Aufgabenfeld vorfand. Zuerst war ich bei der Landesbildstelle, dann war ich beim Landeswasserbauamt im Grundwasserschutz, den wir gerade aufbauten, schließlich verschlug es mich in die Wohnbauförderung, was mir unglaublich getaugt hat. Aber es war auch irrsinnig stressig. Im Jahr 2010 merkte ich, dass es meinem Körper nicht mehr gut ging. Vielleicht waren das schon die allerersten Anzeichen meiner Erkrankung. Jedenfalls reduzierte ich auf achtzig Prozent.“

Robert Schneider: Elmar, ich frage ganz offen: Erinnerst du dich an den Tag, als bei dir Knochenmarkkrebs diagnostiziert wurde?
Elmar Rauch: Ich muss etwas ausholen. Begonnen hat es 2017 bei der Gartenarbeit. Plötzlich spürte ich einen stechenden Schmerz über der Hüfte. Der Schmerz ging nicht mehr weg, also ließ ich mich röntgen. Außer den üblichen Abnützungserscheinungen an der Wirbelsäule konnte der Arzt nichts finden. Ich nahm die Sache aber selbst in die Hand und beschloss, eine MRT machen zu lassen. Das dauerte natürlich. An einem Donnerstagvormittag im Oktober – ich weiß es noch ganz genau – rief der Arzt bei mir im Büro an und sagte: „Da stimmt etwas nicht. Kommen Sie vorbei.“ Ich sagte zu meinem Kollegen am Tisch gegenüber: „Du, ich muss kurz zu einem Arzttermin. Bin in einer Stunde wieder da.“ An jenem Donnerstag schaltete ich den Computer aus und ging nie wieder ins Büro.

Wie lautete die genaue Diagnose?
Sie nennt sich Multiples Myelom, ist eher selten, gehört aber zu den häufigsten Tumoren von Knochen und Knochenmark. Das ist eine absolut tödliche Erkrankung. Das war natürlich ein Hammer. Am Vortag war ich noch auf dem Rennrad, wenn auch mit Schmerzen, und am nächsten Tag dieser Befund. Der Oberarzt sagte, dass sofort mit einer Chemotherapie begonnen werden müsse. Ich fragte: „Kann ich da noch überlegen?“ Der Arzt schaute mich an und sagte: „Was wollen Sie da warten? Zeit ist Knochen.“ In Wirklichkeit hatte ich nämlich nicht nur diesen Knochenwirbelbruch, sondern schon Schädigungen im gesamten Skelettapparat, die teilweise Cent groß waren. Ich konnte von Glück reden, dass ich nicht schon irgendwelche Lähmungserscheinungen hatte. Zudem war mein ganzes Immunsystem extrem geschwächt.

Du hast dann mit der Chemotherapie begonnen und wurdest mit deinen eigenen Stammzellen behandelt.
Ja, das war ein großes Glück, dass die Behandlung mit meinen Stammzellen durchgeführt werden konnte. Das war in Innsbruck. Diese vier Wochen in der Isolationsabteilung vergesse ich auch nie. Das war wie ein totaler, körperlicher Reset. Das Immunsystem wurde dabei komplett heruntergefahren.

Hast du dich in dieser Zeit oft mit dem Sterben befasst?
Erstaunlicherweise nicht. Natürlich stand der Gedanke im Raum, aber ich fühlte mich mit 53 einfach noch zu jung dafür. War ja immer sportlich unterwegs, ein leidenschaftlicher Rennradfahrer. Ich dachte vielmehr in Etappen, war optimistisch. Klar, es geht mir mies, das wusste ich, aber ich komme schon wieder aus diesem Zimmer heraus, und irgendwann würde ich wieder ins Büro zurückkehren.

Daraus wurde ja nichts mehr, wie du erzählt hast. Wie war der Anfang in diesem neuen, zweiten Leben, im Vorruhestand wider Willen?
Der war sehr mühsam. Ich hatte einen Infekt nach dem anderen. Während ein gesunder Mensch einen kurzen Schnupfen hat, dauert er bei mir wochenlang. Im ersten Winter hatte ich sieben Infekte.

War da schon Corona voll im Gang?
Nein, glücklicherweise noch nicht. Aber weil du Corona ansprichst: Für mich war das, so blöd es vielleicht klingt, die beste Zeit. Ganz wenige soziale Kontakte. Das Risiko blieb sehr überschaubar. In dieser Zeit habe ich mich sehr gut erholt. Natürlich war und bin ich bis heute immunsupprimiert, aber eines Tages getraute ich mich zu sagen: Elmar, jetzt kaufst du dir ein E-Bike.

Hast du dich in der Zeit der schweren Erkrankung wesensmäßig verändert?
Ich bin jedenfalls viel bewusster geworden. Weg von diesen Vollgasgeschichten. Früher war mir die Zeit wichtig, die ich brauchte, mit dem Rad auf den Pfänder zu fahren. Heute bin ich froh, dass ich mit dem E-Bike hochkomme. Aber ich habe den Sonnenuntergang genießen gelernt. Außerdem lasse ich mich auch nicht mehr von dem vielen Negativen in den Medien herunterziehen. Die „ZiB“ habe ich in den letzten Jahren vielleicht zwei- oder dreimal gesehen. Dennoch bilde ich mir sehr wohl eine politische Meinung. Nein, ich achte einfach vielmehr darauf, was mir guttut. Gestern zum Beispiel waren meine Frau und ich Winterwandern. Einfach herrlich! Das sind vielleicht große Worte, aber ich bin wirklich ein glücklicher und zufriedener Mensch geworden. Früher bin ich nur im vierten Gang gefahren, jetzt fahre ich halt im ersten. Ich weiß, wie ich mit meinen Energien umgehen muss, denn ich muss mich weiterhin den Einschränkungen stellen, die diese Erkrankung mit sich bringt. Klar, ich lebe in meiner kleinen Blase, bin jetzt nicht groß ein Anderer geworden. Ich bin einfach zufrieden und, noch einmal: ein glücklicher Mensch. Kein Held.

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