An einem Ort, an dem einst die mächtigen Dampfschiffe des Deutschen Kaiserreichs ins Wasser gelassen wurden, fand in der historischen Schinkelhalle in Potsdam die letzte Wahlkampfveranstaltung des SPD-Bundeskanzlers Olaf Scholz statt. Ein passender Rahmen für einen Mann, der auch als begeisterter Hobby-Ruderer bekannt ist. Im finalen „Bürgergespräch“ traf er auf Wähler, die ihm in diesem vertrauten Ambiente offen ihre Fragen stellten.
Hier ist Scholz in seinem Element. „Ich mag Wahlkämpfe. Es ist ein großartiges Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern“, sagte er einmal. „Und ich ab bislang erfolgreich abgeschnitten, da wo ich angetreten bin.“ Ein Optimismus, den man auch in der Schinkelhalle teilt. Wenn es auch eher Zweckoptimismus.
Kampfansage an Union und AFD
Scholz eröffnete den Abend mit einem sechsminütigen Statement, in dem erneut die CDU und das allmähliche Aufweichen der Front gegen Rechts thematisiert wurden. Mit der Frage „Was können wir der CDU noch glauben?“ setzte er einen deutlichen Akzent, der von tosendem Applaus begleitet wurde. Sein Appell, zu verhindern, dass CDU und AfD künftig gemeinsam die Mehrheit bilden, fand ebenfalls mehrheitliche Zustimmung.
Im weiteren Verlauf schlenderte der Kanzler durch die Reihen der Anwesenden und nahm sich der unterschiedlichsten Themen an. Rentensicherheit, Migrationspolitik und – unweigerlich – die Rolle der AfD standen auf der Agenda. Eine Wählerin fragte pointiert, ob „die Ampel schuld am Aufstieg der AfD“ sei – ein Vorwurf, der angesichts der Umfragewerte, die einen Anstieg der AfD von zehn auf zwanzig Prozent während der Regierungszeit von SPD, Grünen und FDP belegten, nicht von der Hand zu weisen war.
Seitenhieb gegen Ex-FDP-Finanzminister
Scholz erwiderte, er hoffe, dass sich die Umfragen irren, räumte aber zugleich ein, dass die Regierungszeit der Ampel nicht einfach gewesen sei. Mit einem Seitenhieb gegen den ehemaligen FDP-Finanzminister Christian Lindner mahnte er: „Wer sich monatelang nicht bewegt, muss mit Zwischenrufen vom Kapitän rechnen.“
Debatte um den Lehrerkräftemangel
Weitere kritische Fragen beschäftigten die anhaltende Debatte um den Lehrerkräftemangel sowie den für viele Bürger unverständlich formulierten Gesetzeswortlaut. Auch die Problematik steigender Lebenshaltungskosten – etwa bei Wohnen und Energie – rückte in den Mittelpunkt, wobei Scholz die Stärkung der Rechte der Mieter betonte.
Ein Migrant, der trotz abgeschlossener Lehrerausbildung auf seinen seit Jahren hängenden Einbürgerungsantrag hinwies und von einer drohenden Abschiebung berichtete, verlieh der Diskussion zusätzlich an Brisanz. Auf die Stimme eines Bundeswehrsoldaten, der sich mehr Anerkennung wünschte, bedankte sich Scholz in einer nüchternen Geste für dessen Dienst.
Doch nicht alle Anwesenden zeigten Verständnis: Kritik am Rückbau der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und am öffentlichen Verkehrsnetz in Potsdam wurde laut – und an einer Stelle verließ ein verärgerter Bürger den Saal, noch ehe er eine Antwort erhielt.
Es liegt ein leiser Abschiedston in der Luft
Trotz der hitzigen Debatten blieb Scholz in seiner Art konstant: Er bedankte sich für jede einzelne Frage und antwortete ruhig, diszipliniert und teils detailliert, teils ausweichend. In der Schinkelhalle liegt jedoch ein leiser Abschiedston in der Luft. Am Ende bot sich den Anwesenden sogar die Gelegenheit, in einem symbolischen Moment ein letztes Selfie mit dem scheidenden Kanzler zu ergattern – ein stiller Abschied von seiner Kanzlerschaft.
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