

Das ledige Kind einer Magd wird Dienstbote am Bauernhof, Arbeiterin in der Tabakfabrik, mutige Kämpferin für Frauenrechte und eine der ersten Frauen im Nationalrat: Maria Tusch. Ein druckfrisches Buch erzählt über die starke Frau und das Leben zu ihrer Zeit.
Ein Kuhtrog wurde Maria, die am 1. Dezember 1868 geboren worden war, zum Bettchen. Hatte ihre Mutter am Hof in Hörtendorf eine Arbeitspause, stillte sie ihre Tochter. In Most oder Branntwein getauchte Saugstoppel hielten die Kinder ruhig.
Anhand der frühen Lebensgeschichte von Maria Tusch beschreibt Historikerin Alexandra Schmidt im druckfrischen Buch auch, wie das Leben der armen Leut’ damals war. Nur fünf Jahre besuchte Maria die Volksschule. „Als Kind lernte ich die Armut bitter empfinden, weil ich nicht spielen und lernen durfte wie andere Kinder“, schrieb sie später. Schon als Elfjährige musste sie zu einem Bauern in den Dienst, damit zuhause eine Esserin weniger bei Tisch saß und weil die Familie auf den zusätzlichen Verdienst angewiesen war.
Weil Baronin von Reyer Marias Mutter und deren frisch geborene Zwillinge – eine Sensation, dass beide lebten! – sehen wollte, lernte sie auch die 13-jährige Maria kennen und zahlte dem Mädchen das Schulgeld für die Marienanstalt im Kloster in Maria Saal. Die Mädchen lernten dort vor allem stricken, nähen und anderes Praktisches für den Haushalt, um für den Dienst in Bürgerhäusern ausgebildet zu sein. Maria verschlug es aber nach Klagenfurt, wo sie in der k. k. Tabakfabrik in der Bahnhofstraße eine von gut 800 Arbeiterinnen wurde. Die Arbeitsbedingungen für die verächtlich „Tschickweiber“ genannten Frauen waren hart und unfair: So bekamen nur verheiratete Mütter zur Zeit der Niederkunft ein Krankengeld. Ledige Mütter gingen am dritten Tag nach der Entbindung wieder in die Fabrik, um nicht zu verhungern – und bezahlten das meistens mit ihrem Leben.
„Von der Arbeiterschaft wurde blinder Gehorsam verlangt“, so Tusch, dennoch wuchs die Arbeiterbewegung an. Die Frauen trafen einander wöchentlich zum Diskussionsabend, richteten eine Bibliothek ein, und Maria, die inzwischen Anton Tusch geheiratet hatte und alle vier Kinder begraben musste, hielt 1912 am Internationalen Frauentag ihre erste Rede.
Ihre Arbeit in der sozialdemokratischen Frauenorganisation Kärntens wurde immer intensiver. 1919 zog Maria Tusch als erste und einzige weibliche Abgeordnete Kärntens in die Nationalversammlung der Ersten Republik ein und kämpfte in Wien um Frauenrechte. Auf ihre Initiative hin wurde in Klagenfurt die erste Frauenschule für politische Bildung installiert.
„Maria Tusch. Von der Tabakarbeiterin zu Kärntens erster Nationalrätin“, von Alexandra Schmidt, Verlag Heyn, 192 Seiten, 75 teilweise großformatige Fotografien und Dokumente, 34 Euro.
Als Bundeskanzler Engelbert Dollfuß den Nationalrat im März 1933 ausschaltete und autoritär regierte, endete Maria Tuschs politische Karriere.
Am 25. Juli 1939 starb Maria Tusch und wurde auf dem Friedhof St. Ruprecht beigesetzt.
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