Fast 300 Opfer

Chirurg gesteht „abscheuliche Taten“ an Kindern

Ausland
24.02.2025 22:22

In Frankreich hat einer der größten Missbrauchsprozesse der Landesgeschichte begonnen. Ein 74-jähriger Chirurg steht in Vannes vor Gericht, weil er über Jahrzehnte hinweg fast 300 Patienten missbraucht haben soll – viele von ihnen Kinder, die unter Narkose standen.

Die Anklage dokumentiert das Durchschnittsalter der Opfer mit nur 11 Jahren. Die erschütternde Tragweite des Prozesses um hundertfachen Missbrauch gegen einen Chirurgen in Frankreich wird gleich zum Auftakt im Gerichtssaal spürbar, als ein junger Mann an das Mikrofon tritt. „Ich erinnere mich in Teilen an die Taten im Aufwachsaal und wie ich in Panik nach meinem Vater rief“, sagt der Mann mit langem Bart mit klarer Stimme.

Mann führte akribisch Buch über Missbrauch
Zu dem Missbrauch an ihm kam es der Anklage zufolge 1995, als kleines Kind war er damals Patient des Arztes, den Justizwärter kurz zuvor zur Anklagebank geführt haben. Über Jahrzehnte soll der Chirurg in Westfrankreich junge Patienten – oft während der Narkose – missbraucht und darüber akribisch Tagebuch geführt haben.

Diese Großeltern machen die Bilder von ihrem missbrauchten Enkel öffentlich. (Bild: Guillaume Souvant)
Diese Großeltern machen die Bilder von ihrem missbrauchten Enkel öffentlich.

Wegen Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs von 299 meist minderjährigen und bewusstlosen Patienten steht der heute 74-Jährige im westfranzösischen Vannes vor Gericht. Zwischen 1989 und 2014 soll er insgesamt 158 Patienten und 141 Patientinnen missbraucht haben.

Chirurg streitet Taten gar nicht ab
Nach der Verlesung der Anklage und der Namen aller Opfer legt der 74-Jährige ein Geständnis ab. „Ich habe abscheuliche Taten begangen“, sagt der unscheinbar wirkende Pensionist mit gesenktem Kopf. „Mir ist heute klar, dass diese Verletzungen nicht weggewischt werden können und auch nicht reparierbar sind“, meint der Mediziner.

Die Anklage wirft ihm vor, zwischen 1989 und 2014 insgesamt 158 Patienten und 141 Patientinnen missbraucht zu haben. „Ich muss die Verantwortung für meine Taten tragen und die Konsequenzen für die Opfer, die sie ihr Leben lang haben werden.“

Missbrauch an bewusstlosen Kindern im OP
Zum Zeitpunkt des vorgeworfenen Missbrauchs befanden sich viele Opfer etwa nach einer Blinddarmoperation im Operationssaal, in der Phase der Anästhesie, des Aufwachens, der Sedierung oder des Einschlafens, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte.

Sie waren sich des Missbrauchs somit nicht wirklich bewusst und konnten den Arzt später auch schwer anzeigen. Er soll seine Opfer mit den Händen penetriert und seine Handlungen oft als medizinische Untersuchung kaschiert haben, hieß es in der Anklageschrift.

Anzeige einer Nachbarin brachte Fall ins Rollen
Wegen vier Missbrauchsfällen war der Arzt 2020 bereits zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Ins Rollen gebracht hatte die Ermittlungen 2017 die Anzeige einer Nachbarin, deren sechsjährige Tochter der Arzt im Garten missbrauchte. 2005 schon war der Mediziner wegen des Besitzes kinderpornografischer Bilder zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, ohne dass dies disziplinarische Konsequenzen für seine Tätigkeit als Arzt hatte.

Kaum ein Kollege schöpfte Verdacht
Wieso das Tun des Arztes in den vielen Jahren nicht in einer der Kliniken auffiel, wo er arbeitete – auch dieser Frage gingen die Ermittler nach. Wie die Zeitung „Le Monde“ unter Verweis auf die Ermittlungen berichtete, hatte von den rund 100 befragten Kollegen des Angeklagten keiner einen konkreten Verdacht.

Lediglich zwei Ärzten kam der Chirurg komisch vor – Hinweise darauf an höherer Stelle blieben aber ohne Reaktion. Auch seine Ex-Frau will von dem fortgesetzten Missbrauch erst bei der Festnahme ihres früheren Gatten erfahren haben.

Die erschütternde Tragweite des Prozesses um hundertfachen Missbrauch gegen einen Chirurgen in Frankreich wird gleich zum Auftakt im Gerichtssaal spürbar. (Bild: EPA)
Die erschütternde Tragweite des Prozesses um hundertfachen Missbrauch gegen einen Chirurgen in Frankreich wird gleich zum Auftakt im Gerichtssaal spürbar.

Riesenprozess mit Hunderten Beteiligten
Um die dem Arzt angelasteten Taten im bisher wohl größten Prozess in Frankreich um Kindesmissbrauch aufzuarbeiten, wurden in der Provinzstadt Vannes eigens Gebäude in der Nähe des Gerichts mit Millionenaufwand hergerichtet.

Sie müssen den knapp 300 Opfern und ihren Anwälten Platz bieten. Das Verfahren soll bis Juni dauern. Dem pensionierten Arzt drohen bis zu 20 Jahre Haft.

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