Angela Merkel besuchte am Montagabend die Bundeshauptstadt. Die Ex-Kanzlerin warb für ihre Memoiren in Wien, verteidigte Ukraine- und Flüchtlingspolitik ohne Selbstkritik. Dafür bekam sie viel Applaus.
Was macht eine ehemalige deutsche Bundeskanzlerin am Tag eins, nachdem Friedrich Merz die Kanzlerwahl gewonnen hat und die AfD Platz zwei erzielt hatte? Sie geht ins Exil nach Österreich. Dort wird sie bejubelt und gefeiert. Zuerst bei einer Stippvisite mit Kaffee (und Gugelhupf?) in der Hofburg bei Alexander Van der Bellen, der sich auch einmal über entspannte Besucherin freuen kann, die nichts von ihm will.
ÖVP-Prominenz bei Lesung
Am Abend gab sie dann eine Lesung ihrer Autobiografie „Freiheit“ im nicht so großen Mozartsaal des Wiener Konzerthauses, wo die glücklichen Besucher am liebsten schon vor Beginn mit den Standing Ovations starten würden. Ein paar alte Freunde und solche, die es gewesen wären, sind auch gekommen: etwa der langjährige Salzburger-Festspiel-Besuchsfreund Martin Bartenstein und dessen ewige Präsidentin Helga Rabl-Stadler, Wolfgang Schüssel, Ursula Plassnik und Willi Molterer.
Sonst sind nicht ganz so viele mutmaßliche ÖVP-Wähler gekommen. Es handelt sich mehr um städtische Merkel-Fans, die deutsche Ampelkoalition wäre hier sicher kein Problem.
Schwieriges Verhältnis zu Nachfolger Merz
Das mit dem Exil ist nur bedingt ernst gemeint. Merkel betonte gleich zu Beginn, dass sie über den Wahlsieg „ihrer“ CDU freue und auch schon dem Wahlsieger gratuliert hatte. Zuvor hatten Medien berichtet, sie habe das ausgelassen.
Ihr schwieriges Verhältnis zu ihrem Nachnachfolger und einst verräumten Fraktionschef Friedrich Merz macht solche Details interessant, spielte an diesem Abend keine Rolle mehr. Merkel startete lieber mit einem kontroversen Thema, sie verteidigte ihre Russland-Politik und das schwierige Minsker Abkommen, schilderte die Notwendigkeiten im Umgang mit Wladimir Putin.
Merkel und Putins Hund
Sie lässt auch die Episode mit dem Hund nicht aus. Den hatte der russische Präsident dabei, wissend, dass Merkel einmal gebissen wurde und ängstlich ist. Vor Kurzem sagte er, er habe das nicht gewusst. Dann wundere sie sich nur, warum er ihr damals einen Stoffhund geschenkt und gemeint hatte, der beiße nicht.
Apropos männliche Super-Egos: Ihre Erinnerung an die legendäre Lassen-wir-einmal-die-Kirche-im-Dorf-Runde mit SPD-Kanzler Gerhard Schröder. Der hatte die Wahl viel knapper verloren, als erwartet und wollte die Niederlage nicht akzeptieren. Wie sehr Merkel um ihre Fassung kämpfte, schilderte sie humorvoll.
Ernster beim nächsten Super-Macho: Donald Trump schien ihr und Deutschland besonders zu misstrauen, er sehe die Welt leider aus der Sicht des Immobilienunternehmers: Bei einem Deal kann nur einer gewinnen, Kooperation führe nie an Ziel.
Keine Selbstkritik beim Migrationsthema
Kein Wort der Selbstkritik fand sie bei ihrer Spätsommer-2015er-Entscheidung mit Österreichs Werner Faymann, die Grenzen für die aus Budapest marschierenden Tausenden Flüchtlinge zu öffnen. Im Gegenteil: Sie ärgerte sich später über die Frage eines Journalisten, den Strom an Flüchtlingen mit ihrer offenen Haltung vergrößert zu haben, schilderte sie.
Sie sei in die Politik für Menschen statt anonymen „Strömen“ gegangen. An dieser Stelle klatschte der Wiener Mozartsaal begeistert. Am Schluss gab es beim Applaus kein Halten mehr. Merkel schien das fast zu viel, sie trat mit ihrem Dutzend Personenschützern gleich von der Bühne ab.
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