Sidi Larbi Cherkaoui aus Belgien zählt zu den größten Choreographen der Welt. Derzeit erarbeitet er mit der Kompanie Tanz Linz zwei Stücke, am Samstag ist die Premiere im Linzer Musiktheater. Im „Krone“-Talk spricht Cherkaoui nicht nur über seine Tanzstücke, sondern auch über Trumps Amerika und wie es ist, mit zwei kulturellen Wurzeln – mit marokkanischen und belgischen – zu leben.
„Ich sitze gerne auf dem orangen Würfel, wenn ich den Tänzerinnen und Tänzern bei der Probe zuschaue“, sagt Sidi Larbi Cherkaoui (48). Er ist einer der größten Choreographen der Welt und arbeitet derzeit im Ballettsaal des Linzer Musiktheaters mit der Kompanie Tanz Linz.
Der Belgier inszeniert Opern, choreografiert Tanzstücke, aber auch Musicals und Videoclips, etwa für Beyoncé. Am Samstag feiert sein Zweiteiler „Fall/Orbo Novo“ in Linz die Österreichische Erstaufführung.
„Krone“: Sie arbeiten weltweit mit den besten Tanzkompanien. Warum ist eine Inszenierung in Linz für Sie interessant?
Sidi Larbi Cherkaoui: Roma Janus, die Tanzmanagerin hier am Haus, hat mich von ihrer Vision überzeugt: Sie hat eine tiefe Leidenschaft für Tanz und will die Kompanie auf eine positive Art und Weise fordern.
Sie inszenieren „Fall“, ein Stück das Sie 2015 entwickelten, und „Orbo Novo“ aus 2009 neu. Was bewegt diese Neuaufführung in Ihnen?
Ich identifiziere mich stark mit meiner Arbeit. Ich mache ein Ballett, aber mit der letzten Aufführung verschwindet es wieder. Was bleibt von mir, wenn ich sterbe? Meine Stücke sind dann nur mehr Erinnerungen. Sicher, es gibt Videos im Internet. Jetzt kehren zwei Stücke, die ich in der Vergangenheit gemacht habe, wieder ins Leben zurück. Ich bin dankbar für diese großartige Chance!
Wie würden Sie uns Ihre Choreographie beschreiben?
Jedes meiner Stücke hat eigene Vibrationen. In „Fall“ habe ich mich von der Natur inspirieren lassen, von den Elementen, die im Herbst stark spürbar sind. Und es geht um die Schwerkraft, die uns jeden Tag beeinflusst. Ich will die Sprache des Balletts akzeptieren, sie aber in fließende Bewegungen verwandeln. Alles ist rollend, fließend. Das Leben stoppt nie – auch mein Tanz steht niemals still!
Das Stück „Orbo Novo“ hatte 2009 in den USA Uraufführung. Wie haben Sie Amerika damals erlebt?
Ich hatte damals zuerst in China gearbeitet und anschließend in New York. Ich habe zwischen Ost und West große Unterschiede in den Idealen gespürt. In China, Japan gab es mehr soziale Verbindung, in Amerika ging es um Individualismus. Ich wollte damals eine Brücke schlagen, auch zwischen Europa und Amerika.
Nun haben wir mit Donald Trump ein neues Amerika.
Trumps Amerika war immer da, es ist nur besser gemanagt worden. Es kommen tief verwurzelte Uneinigkeiten zu tage. Für jene, die an eine Gesellschaft glauben, in der sich jeder auch um den anderen kümmert, muss das jetzt schockierend sein. Ich hoffe, dass die Welt erwacht und versteht, dass wir Menschen miteinander besser umgehen müssen.
Sie haben einen arabischen Namen, sind in Flandern als Sohn eines marokkanischen Vaters und einer belgischen Mutter aufgewachsen. Wie integrieren Sie die unterschiedlichen Kulturen in Ihrer Identität?
Ich muss das nicht integrieren – ich bin es! Mein Vater ist mein Vater, meine Mutter ist meine Mutter – so wie bei Ihnen. Es ist, wie wenn zwei Flüsse ineinander fließen. Das lebe ich! Ich muss da nichts tun, aber andere Leute müssen etwas tun, damit sie das verstehen.
Hatten Sie mit Vorurteilen zu kämpfen?
In Flandern habe ich Rassismus erlebt wegen meines Namens. Die Leute fürchten sich sehr vor Arabern. In Marokko war ich ein Weißer, queer, sensibel, feminin. Das hat die Leute auch irritiert, sie haben geglaubt, ich komme von einem anderen Planeten. Aber ich bin wie jeder andere auch.
Info: Sidi Larbi Cherkaoui „Fall / Orbo Novo“, Österreichische Erstaufführung: Samstag, 1. März 2025, 19:30, Musiktheater Linz.
Die „Krone“ wird über die Premiere ausführlich berichten.
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