Immer wahrscheinlicher wird ein Wechsel von Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr in die Bundespolitik. Das bedeutet für die NEOS eine heikle Rochade unmittelbar vor der Wahl. Das Rennen um die Nachfolge wird verdeckt abgehalten – aber Wiederkehr lässt erkennen, wen er sich wünschen würde.
Wiens Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr tut derzeit, was er kann, um seine Rolle als NEOS-Spitzenkandidat vor der Gemeinderatswahl bestmöglich auszufüllen: Pläne für die nächste Wiener Legislaturperiode, Wahlkampfauftritte und Medientermine gibt es derzeit von ihm am laufenden Band. Dabei ist er am Tag der Wahl vielleicht schon längst Bildungsminister einer neuen Bundesregierung. Entsprechend intensiv wird hinter den Kulissen bereits an einer Nachfolgeregelung für Wien gebastelt.
Gewagter Wahlkampf-Spagat
Dass Wiederkehr seine Partei als Spitzenkandidat in die Wien-Wahl führt, ist für ihn und die NEOS in Stein gemeißelt. Erst am letzten Wochenende haben ihn 90,4 Prozent der Parteimitglieder in dieser Position bestätigt. Damit bereiten sich die NEOS auf einen recht gewagten Wahlkampf-Spagat vor: zugeschnitten auf einen Spitzenkandidaten, von dem vor allem feststeht, dass er nach der Wahl in der Wiener Politik nicht mitarbeiten wird. Umso wichtiger ist es für die Partei, den Nachfolger oder die Nachfolgerin im Wahlkampf bestmöglich zu präsentieren.
Die NEOS wollen über Wiederkehrs möglichen Wechsel in die Bundespolitik und die Folgen für die Wiener Partei kein Wort verlieren. Das liegt nicht nur an den weiter laufenden Koalitionsverhandlungen, sondern auch an den NEOS-Parteistatuten: Ein allfälliger Koalitionspakt muss von zwei Dritteln der Mitglieder abgesegnet werden. Das soll am Sonntag geschehen. Um sich eine allfällige Blamage zu ersparen, will sich davor niemand zu künftigen Ämtern bekennen, die sich dann vielleicht doch in Luft auflösen.
Drei Namen fallen immer häufiger
Es sind vor allem drei Namen, die derzeit am häufigsten als mögliche Nachfolger für Wiederkehr genannt werden: Klubobfrau Bettina Emmerling, ihr Stellvertreter, Wissenschaftssprecher Stefan Gara und Gemeinderätin und Wohnbausprecherin Selma Arapović. Sie ist derzeit hinter Wiederkehr auf Platz zwei der Wahlliste gereiht, gefolgt von Emmerling und Gara. Für Arapović spricht neben Kommunikationstalent, dass sie als koalitionäres Gegenüber von Vizebürgermeisterin Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál bereits einigermaßen mit den Stadtregierungsgeschäften vertraut ist.
Auch Gara kennt den Regierungsalltag im Rathaus. Als NEOS-Sprecher für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz, Gesundheit und Digitalisierung hat er in der rot-pinken Koalition auch die politischen Beschlüsse in allen diesen Themenfeldern mitgeprägt. Gara soll dem Vernehmen nach große Lust auf noch mehr politische Gestaltungsmöglichkeiten haben, was die politische Spitzenposition mit sich bringen würde. Trotzdem könnte er den Kürzeren ziehen – zumindest, wenn man zwischen den Zeilen von Wiederkehrs Andeutungen liest.
Wiederkehr macht Andeutungen
Auffällig oft unterstrich Wiederkehr zuletzt bei Fragen nach personellen Weichenstellungen bei den NEOS, dass die Partei „sehr viele fähige Frauen“ in ihren Reihen habe. Das könnte ein Hinweis auf die Chancen von Klubchefin Bettina Emmerling sein. Sie wäre nach außen hin ein einigermaßen „frisches Gesicht“, hat durch ihre Führungsposition unter den NEOS-Abgeordneten aber den Vorteil, jeden von ihnen genau zu kennen und die Koalitionsdisziplin bisher gewahrt zu haben. Ihr Fachgebiet ist außerdem Bildung, womit sie für dieses Themenfeld in der Stadtregierung gerüstet wäre.
Oder kommt doch alles ganz anders?
Vielleicht kommt es aber auch ganz anders, und zwischen Wien und dem Bund findet ein NEOS-Abtausch statt. Auch dem Nationalratsabgeordneten Yannick Shetty werden Chancen auf Wiederkehrs Nachfolge eingeräumt, vielleicht auch nur als Wiener Parteichef und nicht in der Stadtregierung. Er hätte durch seine Mitgliedschaft im NEOS-Parteivorstand das nötige Gewicht, außerdem hat er auch während seines Nationalratsmandats immer einen Fuß in der Tür der Wiener Partei behalten. Fest steht aber: Wer immer Wiederkehr als Bildungs- und Jugendstadtrat nachfolgt, wird Rekordhalter als kürzestdienendes Mitglied der Stadtregierung Rot-Pink 1.
Nimmt Wiederkehr ein Ministeramt an, muss er von einem jetzt schon tätigen Mitglied der Stadtregierung vertreten werden. Egal, wer Wiederkehrs Aufgaben im Rathaus also übernehmen soll – sie oder er wäre bis zur Bestätigung im Gemeinderat nur „Beiwagerl“ ohne offizielle Rechte. Zweimal tagt der Gemeinderat noch vor der Wahl, einmal am 26. März und einmal am 23. April. Das bedeutet, Wiederkehrs Nachfolger würde bestenfalls mit einmonatiger Erfahrung im Amt in die Wahl gehen – aber vielleicht auch nur mit vier Tagen vor der Wahl am 27. April.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.