Fiktiver Prozess

Schüler als Anwälte und Ankläger am Landesgericht

Oberösterreich
28.02.2025 19:30

Sieben Teams aus Schülern aller österreichischen Jus-Handelsakademien traten am Landesgericht Linz im Rahmen des „Moot Court“ gegeneinander an. So sollen die Nachwuchsjuristen lernen, mit der Situation vor Gericht umzugehen. Verhandelt wurde ein kurioser fiktiver Fall, der einer Netflix-Serie entstammt.

33.000 Euro Schaden hatte ein Mitarbeiter namens Jonas Sims an seinem ersten Arbeitstag im Elektrofachhandel „Cloud Nine“ verursacht. Weil seine Ausbildnerin kurz wegmusste, sollte er ein Rabattiergerät halten. Doch der Bursch hatte er mit dem Gerät hantiert, und 53 Elektrogeräte nicht wie geplant um 25 Prozent verbilligt, sondern ihren Verkaufspreis auf 25 Cent pro Stück gesenkt! Den folgenden Besucheransturm konnten auch erfahrene Mitarbeiter nicht mehr stoppen, der Schaden war angerichtet.

Gleicher Fall in drei Sälen
Obwohl 33.000 Euro eine erhebliche Summe sind, erwecken solche Fälle nur selten Besucher- oder gar Medieninteresse, und werden schon gar nicht im Schwurgerichtssaal am Landesgericht Linz verhandelt. Und doch war der „61er“ am Freitagmorgen knallvoll. Und nicht nur der, sondern auch noch zwei weitere Verhandlungssäle, in denen der gleiche Fall verhandelt wurde!

Auch die Anklagebank war von Schülern besetzt (Bild: Horst Einöder/Flashpictures)
Auch die Anklagebank war von Schülern besetzt

So etwas kommt nur in absoluten Ausnahmefällen vor, in Linz war es gar das erste Mal überhaupt. Das „Moot Court“ machte am Landesgericht Premiere. Dabei handelt es sich um fiktive Prozesse, in denen Schüler und Studenten gegeneinander antreten, und als Ankläger oder Verteidiger den oder die professionellen Richter von ihrer Sache zu überzeugen versuchen. 

Den Vorsitz übernahmen echte Richter, in diesem Fall sogar die Präsidentin des Landesgericht Linz, Amalia Berger-Lehner und Michael Kraus. (Bild: Horst Einöder/Flashpictures)
Den Vorsitz übernahmen echte Richter, in diesem Fall sogar die Präsidentin des Landesgericht Linz, Amalia Berger-Lehner und Michael Kraus.

Einmal musste Herr Sims nicht zahlen
170 Schüler, Lehrer und Zuschauer wohnten den drei verschiedenen Prozessen bei. Am Ende gab es einen klaren Gewinner: Während Herr Sims in einer Verhandlung 7000 Euro, und in einer zweiten Verhandlung rund 3000 Euro zurückzahlen musste, schaffte es das Linzer Team von Junior-Anwälten im Verhandlungssaal 144, ihren Herrn Sims gänzlich ungeschoren aus der Affäre zu ziehen. 

Leonard Durstberger und das Team von der Business Academy Linz-Auhof brachten Sims ungeschoren durch die erste Runde. (Bild: Horst Einöder/Flashpictures)
Leonard Durstberger und das Team von der Business Academy Linz-Auhof brachten Sims ungeschoren durch die erste Runde.

Freude bei den Linzern
„Der Richter hat am Ende zu unseren Gunsten entschieden, dass kein grobes Verschulden bei unserem Mandanten vorliegt“, freute sich Leonard Durstberger (17) von der Business Academy Linz-Auhof. „Wir sind im Endeffekt mit einer Schadenssumme von 0 Euro aus der Verhandlung gegangen“, ergänzt Team- und Klassenkollegin Lena Pyringer (17). Wie es für die beiden im echten Leben weitergeht? „Wir wollen beide in dem Feld bleiben. Nächstes Jahr haben wir Matura, auch im Bereich Recht, und dann geht es weiter mit einem ganz normalen Jus-Studium.“

Auch Lena Pyringer gehörte zum oberösterreichischen Team, das in der ersten Runde gewann. (Bild: Horst Einöder/Flashpictures)
Auch Lena Pyringer gehörte zum oberösterreichischen Team, das in der ersten Runde gewann.

„Da waren alle nervös“
Auch Teamkollege Jannick Riedler (18) freut sich über das Ergebnis und fügt hinzu: „Wir waren im Rahmen von Praktika schon bei Verhandlungen dabei. Aber wenn man selber draußen steht, und eine Rede halten muss, ist das schon etwas anderes. Ich glaube, ich kann für uns alle sprechen, da waren wir ziemlich nervös!“

Jannick Riedler, ebenfalls von der Business Academy Linz-Auhof sprach wie seine Kollegen zum ersten Mal vor Gericht. (Bild: Horst Einöder/Flashpictures)
Jannick Riedler, ebenfalls von der Business Academy Linz-Auhof sprach wie seine Kollegen zum ersten Mal vor Gericht.

Fall aus beiden Seiten bearbeitet
„Es ist halt immer wichtig, ganz stark die eigene Seite hervorzuheben, und Argumente der Gegenseite kritisch infrage zu stellen. Der Fall ist im Oktober kurz nach Schulbeginn herausgekommen, seither haben sich die Schüler sehr intensiv damit beschäftigt“, erklärt Irene Ackerlauer, Direktorin der Business Academy Linz-Auhof. „Dabei steht ihnen auch ein betreuender Anwalt zur Seite, aber das meiste kommt natürlich von den Schülern. Da müssen sie den Fall sogar von beiden Seiten ausarbeiten, aus Kläger- und aus Beklagtensicht. Es steckt schon sehr viel Zeit drin!“

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Die Schüler haben sich seit Oktober mit dem Fall beschäftigt, und ihn aus der Kläger- sowie der Beklagtensicht behandelt.

(Bild: Horst Einöder/Flashpictures)

Irene Ackerlauer, Direktorin der Business Academy Linz-Auhof

Präsidentin über Engagement erfreut
„Die Schüler der Jus-HAKs haben sich sehr reingehaut, und zum größten Teil eine wirklich super Performance erbracht. Sie haben sich sehr lange vorbereitet, auch den Betreuern muss man ein großes Lob aussprechen“, freut sich auch Amalia Berger-Lehner, Präsidentin des Landesgericht Linz. „Wir wünschen uns natürlich, dass einige dieser vielen engagierten Schülerinnen und Schüler sich einmal bei uns bewerben. Es gibt so viele Stellen bei uns, auch einige, für die man nicht Jus studieren muss.“

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Die Schüler der Jus-HAKs haben sich sehr reingehaut, und zum größten Teil eine wirklich super Performance erbracht. Sie haben sich sehr lange vorbereitet, und auch den Betreuern muss man ein großes Lob aussprechen.

Amalia Berger-Lehner, Präsidentin des Landesgericht Linz

Parallel zu den Verhandlungen fanden in Sitzungszimmern Workshops für die Schüler statt, wo Rechtspraktikanten, Richteramtsanwärterinnen und Richter von ihrem spannenden und abwechslungsreichen Arbeitsalltag sowie den vielen verschiedenen Arbeitsmöglichkeiten am Gericht erzählten.

Idee aus Netflix-Serie
Falls jemandem der Fall von Elektrofachhandelsmitarbeiter Jonas Sims bekannt vorkommt, ist das kein Wunder: Thomas Dullinger von der WU Wien hat den Fall mit Kollegen aus der Netflix-Serie „Superstore“ geborgt. „Es wäre viel zu aufwändig, für den Moot Court Schauspieler aus Zeugen oder Angeklagte zu engagieren. Daher zeigen wir einfach einen Ausschnitt aus einer Serie, der die Tat darstellt“, schmunzelt der Jurist.

Schlussendlich wendete sich aber leider das Blatt für die Oberösterreicher: Für einen Stockerplatz reichte es nicht mehr. Den ersten Platz belegten Schüler der VBS Schönborngasse Wien vor ihren Kollegen aus Eisenstadt und Salzburg. 

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