Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und US-Staatschef Donald Trump haben am Freitag im Oval Office vor laufenden Kameras laut gestritten. Der Besuch hätte die Wogen glätten sollen, endete aber mit einem diplomatischen Desaster. Selenskyj verließ das Weiße Haus überstürzt ...
Die Gangart wird immer ruppiger. Donald Trump und sein Vize JD Vance haben den ukrainischen Präsidenten vor laufenden Kameras in die Mangel genommen, der ließ sich das nicht lange gefallen. Beide Parteien erhoben im Zuge des Streitgesprächs hörbar ihre Stimmen.
Trump warf dem ukrainischen Staatschef im Oval Office vor, Selenskyj sei „überhaupt nicht dankbar“. „Es wird schwer sein, auf diese Weise ins Geschäft zu kommen“, fügte Trump hinzu. „Sie riskieren einen Dritten Weltkrieg.“ Entweder Selenskyj mache einen „Deal – oder wir sind raus“.
Selenskyj hätte „sehr schlechte Karten“. Daraufhin erwiderte der ukrainische Präsident, dass er nicht nach Washington gekommen sei, um Karten zu spielen. Vance warf seinem Gast vor, respektlos zu sein.
Trump unterbrach Selenskyj immer wieder, während der ukrainische Präsident versuchte, etwas zu erwidern. „Nein, nein, ihr könnt jetzt nichts sagen. Ihr werdet nicht gewinnen. Aber dank uns habt ihr verdammt gute Chancen, dass ihr aus der Situation gut herauskommt.“
Die USA hätten der Ukraine „über unseren dummen Präsidenten (damit ist wohl Joe Biden gemeint, Anm.) 350 Milliarden Dollar gegeben“. Selenskyj korrigierte Trump wiederholt, als dieser behauptete, die Vereinigten Staaten hätten mehr Hilfen zur Verfügung gestellt als Europa. „Präsident Trump sagte, sie hätten weniger Unterstützung angeboten, aber sie sind unsere Freunde und sehr unterstützende Partner. Sie haben wirklich viel gegeben, Herr Präsident.“
Der Nachrichtenagentur AP zufolge hat Selenskyj im Rahmen des Gesprächs Kremlchef Wladimir Putin als „Mörder und Terroristen“ bezeichnet und dem Republikaner erklärt, dass es „mit einem Mörder keine Kompromisse geben sollte“. Trump wies Selenskyj immer wieder zurecht: „Könnt ihr etwa ohne die USA aus der Position der Stärke sprechen?“
Entsetzen bei anwesenden Diplomaten
Das Treffen nahm eine Wendung, als Trump nach seinem Verhältnis zu Russland befragt wurde. Der US-Präsident antwortete, dass er sowohl mit Putin als auch mit der Ukraine verbündet sei. Er weigere sich, „schreckliche Dinge über Putin zu sagen“, die die Verhandlungen erschweren würden. „Ich bin mit niemandem verbündet. Ich bin mit den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Wohl der Welt verbündet“, meinte er.
Trumps Vize Vance wurde ebenfalls schroff: „Herr Präsident, Herr Präsident, bei allem Respekt. Ich finde es respektlos von Ihnen, ins Oval Office zu kommen und zu versuchen, vor den amerikanischen Medien zu verhandeln“, so Vance. „Gerade jetzt, wo Sie herumlaufen und Wehrpflichtige an die Front zwingen, weil Sie Personalprobleme haben, sollten Sie Präsident (Trump) dafür danken, dass er versucht, die Situation zu verbessern.“ Dabei fuhr er ihn an: „Haben Sie sich schon einmal bedankt?“
Während des Schlagabtausches war das Staunen im Raum sichtlich groß. CNN-Chefkorrespondentin Kaitlan Collins teilte einen Schnappschuss, der die bestürzte ukrainische Botschafterin in den USA mit dem Kopf in den Händen zeigt, als Reaktion auf den hitzigen Schlagabtausch.
Trump hatte seinen ukrainischen Kollegen in den vergangenen Wochen mit haarsträubenden Beschimpfungen überzogen – vor dem Besuch Selenskyjs aber seinen Ton gegenüber dem Amtskollegen gemildert. Trump beendete den Austausch neben einem fassungslosen Selenskyj schließlich mit den Worten: „Ich denke, wir haben genug gesehen.“ Und schob, mit Blick auf die anwesende Presse im Raum, zynisch nach: „Das wird großartiges Fernsehen sein, das kann ich Ihnen sagen.“ Lachen wollte niemand mehr.
Pressekonferenz abgesagt
Nach dem Streit wurde eine gemeinsame Pressekonferenz abgesagt. CNN zufolge sei Selenskyj bereit gewesen, hinter den Kulissen fortzufahren, wurde jedoch von der US-Delegation des Weißen Hauses verwiesen. In sozialen Medien trat Trump nach. Sein Amtskollege hätte das Weiße Haus entehrt: „Er kann zurückkommen, wenn er zum Frieden bereit ist.“
Zudem gab er einen Quasi-Rückzug der USA bekannt: „Ich habe festgestellt, dass Präsident Selenskyj nicht zum Frieden bereit ist, wenn Amerika beteiligt ist, weil er glaubt, dass unsere Beteiligung ihm einen großen Vorteil bei den Verhandlungen verschafft.“
Der polnische Regierungschef Donald Tusk richtete via X Worte der Unterstützung an Selenskyj: „Du bist nicht allein.“ Erste Reaktionen aus Russland glichen einem Jubelsturm. „Das freche Schwein bekam im Oval Office endlich eine ordentliche Abfuhr“, twitterte der Putin-Vertraute Dimitry Medwedew.
Rohstoffabkommen in der Luft
Der Besuch war mit Spannung erwartet worden. Die Präsidenten sollten ein Rohstoffabkommen zur gemeinsamen Nutzung von Bodenschätzen in der Ukraine unterzeichnen. Das ist dem Vernehmen nach nicht geschehen.
Über den Inhalt der Vereinbarung ist bisher wenig bekannt – die von Selenskyj geforderten Sicherheitsgarantien der USA gegenüber Russland scheinen darin jedoch nicht enthalten zu sein. Das Abkommen hätte Washington und Kiew eigentlich wieder annähern sollen.
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