Donald Trump hat seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj in einem einmaligen Vorgang aus dem Weißen Haus geschmissen. Dem Eklat war ein historisches Wortgefecht (siehe den Eklat in voller Länge im Video oben) vorangegangen. Das diplomatische Desaster löst vor allem in Europa blankes Entsetzen aus.
Haben wir gerade den Vollzug einer russisch-amerikanischen Allianz erlebt? Was für Selenskyj am Freitag als Versöhnungsreise begann, endete im Oval Office in einem diplomatischen „Hinterhalt“ für die Ukraine. Selenskyj, dessen Land von Russland angegriffen wird, wurde aus dem Weißen Haus geworfen. Zuvor wurde er vor laufenden Kameras verbal mit Schutz beworfen.
Erste Reaktionen zu der weltpolitischen „Atombombe“ zeugen davon, wie gefährlich die neue geopolitische Zange (Putin und Trump) ist, vor allem in Europa ist das Entsetzen groß. Der Tenor: Wer bis jetzt nicht verstanden hat, dass die USA unter der neuen Führung keine Partner mehr sind, muss spätestens jetzt die Augen öffnen.
Eine geplante Eskalation?
Geopolitische Analysten gehen von einer geplanten Eskalation der US-Regierung aus, um die Ukraine fallen lassen zu können. Selenskyj sei in einen „Hinterhalt“ getappt. „Ich liebe mein Land von ganzem Herzen und habe mich noch nie so für Amerika geschämt wie angesichts des Schauspiels, dessen Zeuge ich gerade im Oval Office geworden bin“, erklärte etwa CNN-Politik-Veteran David Axelrod.
Auch der renommierte US-Historiker Timothy Snyder kam unter dem Eindruck der Eskalation zu dem Schluss, dass Trumps „Friedensgespräche“ nur dem Vorwand diene, sich Wladimir Putin anzunähern. Selenskyj und eine wehrhafte Ukraine würden einem wirtschaftlichen Goldrausch zwischen dem Kreml und den USA im Weg stehen, befinden andere.
Mächtige Republikaner verleihen dieser Annahme Gewicht, in dem sie kurz nach dem öffentlichen Schauspiel im Einklang mit dem Kreml den ukrainischen Präsidenten aufforderten, von seinem Amt zurückzutreten. „Ich weiß nicht, ob wir jemals wieder Geschäfte mit Selenskyj machen können. Entweder muss er zurücktreten und jemanden rüberschicken, mit dem wir Geschäfte machen können, oder er muss sich ändern“, teilte der US-Senator Lindsey Graham gegenüber Reportern mit.
Liberales Europa stellt sich hinter die Ukraine
Nach dem hitzigen Wortgefecht haben europäische Spitzenpolitiker der Ukraine ihre Unterstützung zugesichert und sich hinter Selenskyj gestellt. „Ihr seid nicht allein“, schrieb etwa der polnische Ministerpräsident Donald Tusk auf dem Kurznachrichtendienst X. EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas erklärte: „Heute ist klar geworden, dass die freie Welt einen neuen Anführer braucht. Es liegt an uns Europäern, diese Herausforderung anzunehmen.“
Der norwegische Ministerpräsident Jonas Gahr Støre befand: „Was wir heute vom Weißen Haus erlebt haben, ist ernst und entmutigend.“ Dass Trump Selenskyj beschuldige, mit dem Dritten Weltkrieg zu spielen, sei zutiefst unangemessen. Norwegen stehe an der Seite der Ukraine. „Wir hoffen, dass die Trump-Regierung auch versteht, wie wichtig ein gerechter und dauerhafter Frieden in der Ukraine ist.“
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erklärte am Freitagabend nach dem Streit der beiden Staatschefs, im Krieg sei Russland der Angreifer und das ukrainische Volk der Angegriffene. Es sei vor drei Jahren richtig gewesen, der Ukraine zu helfen und Russland mit Sanktionen zu belegen und dies weiter zu tun. Man müsse jene respektieren, die von Anfang an gekämpft hätten, betonte Macron, der laut dem Elysée-Palast auch mit Selenskyj telefonierte.
Die USA haben ein neues Feindbild
Neue Zeiten brechen in Europa an – wohl jene der Aufrüstung und transatlantischer Kälte. Die amerikanisch-europäische Entfremdung nimmt dabei besorgniserregende Züge an. Trump und sein Team bringen Europa nach der Eskalation innenpolitisch als neues Feindbild in Stellung: „Achten Sie heute darauf, wer Selenskyj verteidigt und wer Amerika verteidigt“, heißt es etwa von ranghohen Republikanern an die US-Bevölkerung gerichtet.
Und wer verteidigt die USA? Wenig überraschend kommen aus Russland lobende Worte für Selenskyjs Rauswurf aus dem Weißen Haus. Der frühere russische Präsident und Putin-Vertraute Dmitri Medwedew erklärte mit Blick auf Selenskyj: „Zum ersten Mal hat Trump dem Kokain-Clown die Wahrheit gesagt“. Das sei eine „eiskalte Klatsche“ gewesen.
Trump habe Selenskyj die Wahrheit ins Gesicht gesagt und ihm erklärt, dass er mit dem Dritten Weltkrieg spiele. „Und das undankbare Schwein bekam eine kräftige Ohrfeige von den Besitzern des Schweinestalls. Das ist nützlich“, schrieb Medwedew auf Telegram. Genug sei das aber nicht.
Danke, Herr Präsident!
Viktor Orbán
Bild: AFP/POOL/Valery SHARIFULIN
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán dankte US-Präsident Trump für dessen Einsatz für den „Frieden“. „Starke Männer schließen Frieden, schwache Männer führen Krieg“, schrieb Orbán auf X. „Heute hat sich Präsident Donald Trump mutig für den Frieden eingesetzt. Auch wenn es für viele schwer zu verdauen war“, fuhr Orbán fort und schloss mit den Worten: „Danke, Herr Präsident!“
Was bleibt, ist ein historischer Bruch
Barack Obamas ehemaliger Sicherheitsberater, Ben Rhodes, fasste den Fall so zusammen: „Trump verwandelt die Vereinigten Staaten als Land in eine rechtsextreme, autoritäre, transaktionale, wertlose Oligarchie, die sich mit den Autokratien der Welt verbündet.“
Dass aus dem vereinbarten Rohstoffabkommen als Grundlage für weitere US-Unterstützung der Ukraine nichts wurde, wurde angesichts des Eklats zur Nebensache. Was bleibt, ist ein historischer Bruch und blankes Entsetzen.
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