Mit ihrem neuen Album „The Sky, The Earth & All Between“ wollen sich Architects endgültig zum Metal- und Rock-Festival-Headliner hochspielen. Das könnte gelingen, weil man Mut zugunsten einer Karriere-Retrospektive zurückstellte. Sänger Sam Carter gibt uns nähere Einblicke in die Band und ihren Sound.
Im ausgeweiteten Segment des Metalcore haben englische Bands über die letzten Jahre hinweg die Weltspitze übernommen. Waren früher vornehmlich Amerikaner wie Killswitch Engage, die Urväter Hatebreed, As I Lay Dying, All That Remains oder August Burns Red an der Spitze der Nahrungskette, ist die Popularität mittlerweile auf den Alten Kontinent gewandert. Während Bring Me The Horizon mit ihrer eklektischen Mischung aus Metal, Pop, Elektronik und Innovation sogar schon Nova-Rock-Headliner waren, sind die befreundeten Architects zumindest auf dem besten Weg dorthin. Die Jahre in und nach der Pandemie waren für das Gespann aus dem hippen Brighton jedenfalls mehr als erfolgreich. „For Those That Wish To Exist“ (2021) landete auf Platz eins der englischen Charts, der ein Jahr später nachgeschobene Nachfolger „The Classic Symptoms Of A Broken Spirit“ sorgte auch für Begeisterung.
Bekannte Formel für eine neue Generation
Dazu gab es üppige Live-Gigs wie am Nova Rock 2023 oder dem Brutal Assault und eine Tour als Support von Metallica durch die größten Stadien, die das Publikum der Band noch einmal um ein Vielfaches erweitert hat. „Ich weiß nicht, ob wir schon als Veteranen durchgehen“ lacht Frontmann Sam Carter im Gespräch mit der „Krone“, „aber nach rund 20 Jahren sind wir definitiv in der Szene etabliert.“ Metalcore-Fans der frühen 2000er-Jahren wundern sich oft über den Hype der Architects. All die Soundversatzstücke, Experimente mit dem Elektronischen und Ausschlenker in den poppigen Clean-Vocals-Bereich wären schon dagewesen, hätte es schon lange gegeben. Fakt ist aber, dass die Architects eine bekannte Formel nicht nur spannend und vielseitig umsetzen, sondern auch einer ganz anderen Generation aus Herz und Seele sprechen.
Über die Jahre wurde der Sound dabei mehrmals einer Generalinventur unterzogen. Die frühen Alben waren vertrackt und schräg, erinnerten an die Stilverweigerer The Dillinger Escape Plan. Erst mit mehr Eingängigkeit zog auch der Erfolg ein. Eine Formel, die ihnen viel Kritik, aber noch mehr Zuspruch einbrachte. Bandgründer und Songwriter Dan Searle (Schlagzeug) verlor 2016 Bruder Tom (Lead-Gitarre) an Hautkrebs, was die verbliebenen Mitglieder nur noch enger zueinander brachte und den Fokus für Gemeinschaft und Musik verstärkte. „Wir machen mittlerweile genau das, was wir machen wollen und schauen dabei nicht links und nicht rechts“, bekräftigt Carter die Selbstverständlichkeit, sich wohlzufühlen, „wir lassen uns von anderen Bands, mit denen wir die Bühne teilen, inspirieren. Wir lassen unser Leben in die Songs und setzen uns keine Grenzen. Niemand in der Band hat die Einstellung, ein Profi oder Experte zu sein. Wir lernen ständig neu dazu und sind hungrig. Dieser Hunger ist noch lange nicht gestillt.“
Ein Album für alle
Dieser Tage veröffentlichen Architects mit „The Sky, The Earth & All Between“ ihr bereits elftes Studioalbum und mehr denn je erinnert es an einen Wurlitzer der eigenen Band-Diskografie. Es gibt brettharte Metalcore-Tracks, emotionale Tiefen, Linkin-Park-Versatzstücke, Ausflüge ins Poppige und seltene, aber doch noch vorhandene Momente mit elektronischen Einflüssen. Erstmals seit Jahren hat man das Gefühl, die Architects hätten ihrem bisherigen Œuvre nichts essenziell Neues beigesteuert, dafür aber das bisherige Dasein reflektiert und subsumiert. „Wir wollten das Architects-Album schreiben, das wir als Fans der Band hören möchten“, gab Songwriter Searle in einem Interview dazu bekannt. Geworden ist es ein Architects-Album für alle Fans, wo sich jeder seine eigenen Favoriten herausziehen kann. „Wir sind eine gut geölte Maschine, die nach so vielen Jahren genau weiß, was sie zu tun hat. Die Beziehung zu unseren Fans ist eine besondere und diese Sicherheit erleichtert auch das Komponieren“, ergänzt Carter der „Krone“ gegenüber.
Für die soundtechnisch moderne Kante sorgt nicht zuletzt die richtige Kooperation. Zusammengestellt und ausgearbeitet hat man das neue Album mit Bring Me The Horizon-Keyboarder Jordan Fish, einem langjährigen Freund und Weggefährten. Der Schmäh rannte, die Songs purzelten nur so raus und nebenbei wurde ein üppiges Live-Date nach dem anderen bestätigt (nur Österreich geht, vorerst, einmal wieder leer aus). „Wir vertrauen seit jeher unserem Bauchgefühl“, so Carter, „das bedeutet nicht, dass es ständig die richtige Entscheidung ist, aber es bedeutet, dass wir die Entscheidung selbst treffen und auch die Verantwortung dafür übernehmen.“ Dass die Band mittlerweile am Scheideweg ist, zu einem dauerhaften Headliner auf großen Rock- und Metalfestivals zu werden, habe auf das Songwriting keinen nachhaltigen Einfluss, wird beteuert. „Wir denken nicht in solchen Dimensionen und auch nicht an unsere Fans, wenn wir schreiben.“
Platz für viele Zugänge
Die überzeugten Veganer und „Sea Shepherd“-Unterstützer gehen in ihren Texten durchaus sozialkritisch und politisch ans Werk. Sie vermengen Gesellschaftliches mit Persönlichem und wollen ihre Finger in Wunden legen - nicht aber ständig und um jeden Preis. „Ich liebe die Beatles, obwohl sie eine unpolitische Band waren. Ich liebe aber auch Rage Against The Machine und die waren dezidiert politisch. Es gibt genug Platz für unterschiedliche Zugänge, Stile und Inhalte. Wir wollen einige Themen verbinden und lassen uns von unseren Gedanken und Gefühlen lenken.“ Die vielen Alben und Songs bedeuten aber auch, dass man sich live mittlerweile zügeln müssen. „Wir gehen in der Setlist nicht viel weiter zurück als zum Album ,Lost Forever‘ aus 2014, wir müssen Kompromisse eingehen.“ Der Erfolgslauf wird mit „The Sky, The Earth & All Between“ aber definitiv weitergehen, denn wer alle Fans aus den vergangenen Phasen der Band ins Boot holt, kann auf maximalen Output hoffen.
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