Schallenberg-Interview

„Auch mein Tag hatte leider nur 24 Stunden“

Außenpolitik
02.03.2025 19:33

Alexander Schallenberg kam eher unverhofft zu Ministerehren. Als anerkannter Diplomat im Außenministerium wurde er von Kanzlerin Brigitte Bierlein 2019 eigentlich als Übergangslösung in die Expertenregierung geholt – und blieb sechs Jahre am Minoritenplatz. Zweimal musste er als Bundeskanzler einspringen. Im „Krone“-Interview zog er Bilanz. 

Krone: Sie waren Außenminister und zweimal Bundeskanzler in turbulenten Zeiten. Was wird das Erste sein, das sie tun, wenn sie keines der Ämter mehr ausüben?
Schallenberg: Vermutlich einmal ein bisschen Ruhe finden. Das hoffe ich zumindest. Ich muss natürlich gleichzeitig mein Leben neu organisieren. Und ich will bewusst viel Zeit mit meiner Familie verbringen.

Einige Kollegen meinten: schlafen ...
(lacht) Das war immer schon meine Schwachstelle. Ich komme mit wenig Schlaf aus, das war schon immer so und das wird sich auch nicht ändern.

Zweimal musste Bundespräsident Alexander Van der Bellen Alexander Schallenberg mit den Amtsgeschäften des Bundeskanzlers betrauen. (Bild: GEORG HOCHMUTH)
Zweimal musste Bundespräsident Alexander Van der Bellen Alexander Schallenberg mit den Amtsgeschäften des Bundeskanzlers betrauen.

In Ihre Amtszeit fiel der Brexit, der US-Rückzug aus Afghanistan, der Krieg zwischen Israel und Hamas und der Ukraine-Krieg. Welches war die größte Herausforderung?
Ohne jetzt eine Abstufung zu machen: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der 7. Oktober 2023 und Corona . Warum? Weil wir vielleicht unterschätzt haben, wie disruptiv die Pandemie für uns als Gesellschaft war. Wie sehr wir damals auch in die Rechte Einzelner eingegriffen haben. Dann natürlich die Rückkehr des Krieges auf unseren Kontinent. Und dann sicher der 7. Oktober, der Angriff der Hamas auf Israel. Ich kann mich genau erinnern. Es war ein Samstagmittag, als ich angerufen wurde und mir die Frage gestellt wurde: Wie gut sind Ihre Magennerven? Und dann wurden mir Videos und Fotos geschickt, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde.

Ich habe einmal die KI gefragt: Was waren prägende Ereignisse von Alexander Schallenberg als Bundeskanzler, und sie spuckte die Impfpflicht 2022 aus. Zufrieden mit dem Ergebnis?
Ich hätte natürlich eine ganz andere Reihenfolge. Ich bin einen sehr deutlichen pro-transatlantischen Kurs gefahren. Ich hatte eine klare Linie im Hinblick auf den russischen Angriffskrieg. Genauso, wenn es um den Nahen Osten geht. Aber ich kann natürlich nachvollziehen, dass die Impfpflicht auch in dieser Liste aufscheint.

Hätte man das anders handhaben können?
Habe ich fehlerfrei agiert? Nein, kein Mensch ist fehlerfrei. Bei jeder Krise muss man als Regierung sofort handeln. Damals haben wir nach bestem Wissen und Gewissen so agiert. Mit dem heutigen Wissensstand würden wir völlig anders agieren.

Herausforderung Corona-Pandemie: Übergangs-Kanzler Schallenberg mit Gesundheitsminister Mückstein. (Bild: LEONHARD FOEGER)
Herausforderung Corona-Pandemie: Übergangs-Kanzler Schallenberg mit Gesundheitsminister Mückstein.

Worauf sind Sie besonders stolz in Ihrer Amtszeit?
Es liegt an anderen, das in Nachrufen zu beurteilen. Noch bin ich nicht gestorben. Als Bundeskanzler 2021 habe ich dafür gesorgt, dass die Regierung stabil weiter arbeitet. Als Außenminister habe ich die Nachbarschaftspolitik wiederbelebt. Es gab eine deutliche Intensivierung unserer Beziehungen mit den USA. Es waren die Außenminister Mike Pompeo und Antony Blinken hier und ich bei beiden in den USA. Und das innerhalb von fünf Jahren. Das ist außergewöhnlich für Österreich. Und an unserer Positionierung zu Antisemitismus und Israel gab es nichts zu deuten.

Außenminister Schallenberg bei Amtskollege Antony Blinken in Washington (Bild: Michael Gruber)
Außenminister Schallenberg bei Amtskollege Antony Blinken in Washington

Mit wem war die Zusammenarbeit besonders schwierig?
Es menschelt überall. Und das ist ja auch das Schöne. Man glaubt immer, das sind Apparatesysteme. Es funktioniert manchmal, weil zwei Menschen einander riechen können.

Kann man denn tatsächlich Freundschaften schließen?
Es gibt einige Menschen, die ich besonders schätze. Die Außenminister aus Jordanien, Saudi Arabiens oder Indien. Ich denke auch an Xavier Bettel, den Luxemburger. Oder Ivan Korcok aus der Slowakei. Am Opernball ist der ehemalige ägyptische Außenminister da gewesen. Und ich habe mich wirklich gefreut, ihn wiederzusehen.

Wird es ein Comeback in der Politik geben?
Momentan lege ich alle politischen Ämter zurück. Das Schöne am Menschenleben ist: Wir kennen unsere Zukunft nicht.

Schallenberg beim Interview mit „Krone“-Außenpolitik-Redakteur Clemens Zavarsky (Bild: Jöchl Martin)
Schallenberg beim Interview mit „Krone“-Außenpolitik-Redakteur Clemens Zavarsky

Gibt es irgendeinen Höhepunkt, an den Sie besonders gern denken?
Es sind viele Bilder, die einen eigentlich ein Leben lang begleiten. Und ich bedauere, dass ich nicht alles machen konnte, was ich hätte machen wollen. Auch mein Tag hatte nur 24 Stunden. Aber auch der meines Teams. Dass sie immer für mich da waren, weiß ich enorm zu schätzen.

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