Auf ihrem dritten Album „One More Trip Around The Sun“ stellen sich Cari Cari die großen Fragen des Lebens – und beantworten sie mit leichtfüßiger Musik, die das Sein zelebriert. Alexander Köck und Stephanie Widmer sprachen im „Krone“-Talk über die Definition von Erfolg, warum Geld nicht alles ist und wieso es mehr Liebe und Integrität braucht.
Wenn die Trauben hoch hängen, dann muss man sich manchmal eben strecken. Oder aber man wartet, bis sie sich unter ihrem eigenen Gesamtgewicht zu einem herunterbeugen und förmlich in den Mund fallen. Wer der bisherigen Karriere von Cari Cari folgt, der ist mit konstanter Veränderung, bewusster Adaptierung und ständigem Vorankommen konfrontiert. „Ich erinnere mich noch an unsere allererste Support-Tour für Garish“, denkt Bandhälfte Alexander Köck im „Krone“-Gespräch zurück, „das ppc in Graz hat mich fasziniert und ich dachte mir damals schon, wie arg es sein muss, wenn das voll wird.“ Darüber könnten Köck und Stephanie Widmer heute lachen, wären sie arroganter. Sind sie aber nicht, deshalb nehmen sie ihre Progression entspannt hin. Dass man etwa von Bela B handverlesen mit den Ärzten konzertiert, als Supportband von AnnenMayKantereit in den größten Hallen spielt oder 60.000 Leute beim „Rock am Ring“ begeistert. „Aber alles entwickelte sich alles ganz normal. Ganz ohne Raketenstart.“
Langsame Prozesse
Mit ihrem trocken-coolen Sound befinden sich Cari Cari seit mehr als zehn Jahren in ihrer ganz persönlichen Klangwüste. Beim Debütalbum „Anaana“ mit Ausschlenkern gen Blues, beim Nachfolger „Welcome To Kookoo Island“ entspannt-psychedelisch, am neuen Album „One More Trip Around The Sun“ mit der Liebe zu sommerlichen Vibes, mit lebensbejahender Up-Tempo-Ausrichtung. So wie der Aufstieg auf der Karriereleiter geht auch das Songwriting ohne Zwang über die Bühne. Im relativ neuen Badener Studio wird in aller Ruhe geschraubt, verworfen, weiterentwickelt und irgendwann fertiggestellt. „Unser Prozess ist ein langsamer. Das war schon immer so. Heute wird schnell mal ein Album rausgehauen, damit man wieder Content hat, um auf Tour zu gehen. Das ist nicht so ganz unser Stil. Ein Album muss eine Geschichte haben und eine Reise sein. So etwas zu bewerkstelligen, braucht seine Zeit.“
Cari Cari sind seit jeher die etwas andere österreichische „Indie-Band“. Das beginnt schon damit, dass man sich niemals den Diktaten von Indie-Labels oder anderen -plattformen fügte, zieht sich weiter über die Forderung, burgenländische Orchester-Mitglieder für öffentliche Auftritte fairer zu bezahlen, was Alfons Haider in Schnappatmung versetzte und die regionale Kulturszene erschütterte und endet damit, dass man eine Zusammenarbeit mit einer US-amerikanischen Booking-Agentur sofort wieder über den Haufen warf, weil die Visionen deutlicher auseinandergingen, als man anfangs dachte. Wo andere Acts möglicherweise mit Dollar-Zeichen-funkelnden Augen gen Welteroberung gesabbert hätten, haben Widmer und Köck erkannt, dass der Preis für diesen Schritt eine zu starke Entwurzelung von all dem gewesen wäre, was Cari Cari als Musiker und vor allem als Menschen wichtig ist: Stabilität, Familie, Freunde und vor allem eine offene und ehrliche Kommunikationskultur.
Mit Spaß um die Erde rauschen
„Wir haben uns für das Album besonders oft die Frage gestellt, was denn eigentlich Erfolg sei. Wir beide sind unlängst 30 geworden und uns wurde erstmals die eigene Sterblichkeit bewusst. Dann haben wir gemerkt, dass wir unseren Traum leben. Wir machen die Musik, die wir wollen, mit den Leuten, die wir mögen und für die Leute, die uns schätzen. Gibt es was Geileres?“ Die beiden reflektierten, diskutierten und kamen zu einem Schluss. „Was wir machen können, ist, dieses Leben zu genießen und mit denen zu teilen, die wir lieben. Also machen wir halt unsere Runden um die Erde und haben Spaß dabei.“ Dass Cari Cari mittlerweile große Arenen und Open-Air-Plätze ausverkaufen, ist schön und erleichtert das Leben, ist aber nicht gleichbedeutend mit Glück. „Mit 17 habe ich bei einem Wettbewerb so eine 300-Euro-Gitarre gewonnen“, lacht Köck, „die war sicher ,made in China‘, aber es ist immer noch die Gitarre, die ich am häufigsten auf der Bühne spiele.“
Seit Anbeginn ihrer Karriere ging es Cari Cari darum, sich nicht von der musikindustriellen Maschine einsaugen und derangiert ausspucken zu lassen. Deshalb die Trennung vom alten Label samt enervierenden Rechtsstreit. Deshalb der Split mit der amerikanischen Agentur. „Wir hätten all die Leute raushauen müssen, mit denen wir seit zehn Jahren zusammenarbeiten. Dieses turbokapitalistische Konzerndenken ist uns völlig zuwider. Wir wollen mit Leuten zusammenarbeiten, die Musik schätzen und mit denen man eine schöne, persönliche Beziehung hat. Außerdem wird die analoge Welt total unterbewertet. Wir haben sehr wenige TikTok- oder Instagram-Follower und trotzdem volle Konzertsäle. Anders gesagt: Wir spielen lieber vor 3000 Leuten, als vor 10.000 Leuten zu dem Preis, dass wir für die 10.000 Zuseher unsere komplette Integrität aufgeben würden. Ich brauche kein großes Auto und keine dicke Rolex. Ich will im Studio mit Leuten arbeiten, die neugierig sind und Werte haben.“
Große Fragen des Lebens
Vor dem gescheiterten US-Abenteuer waren Cari Cari im Booking der Firma, die auch die Ärzte und die Toten Hosen prägt. Bands, die stets auf faire Preise bei Konzerten setzen und mit den Fans auf Augenhöhe in Kontakt sind. „Der Chef dieser Firma hat früher als Fan Schlagzeugbecken aufgebaut. Dann war er Fahrer, Tourmanager, irgendwann Bandmanager und hat diese Firma groß gemacht. Das sind dort alles korrekte Leute, die dich auch nicht sterben lassen, wenn eine Tour mal schlecht geht. Sie haben nie den Punk-Spirit der frühen Tage verloren und zeigen ganz offen, dass für sie der Mensch zählt.“ Dorthin lässt sich dann wieder die Brücke zum neuen Album von Cari Cari schlagen. Es geht um die Grundprinzipien Zusammenhalt, Freundlichkeit und Familie zum einen, aber auch Widerstand, Selbstermächtigung und Selbstständigkeit zum anderen. Man stellt sich die großen Fragen des Lebens.
„Wir ziehen unsere Kreise um die Sonne und wollen dieses Leben mit Freude, Werten und Integrität füllen – vor allem aber mit Liebe.“ Diese Gemeinschaft bildet sich am Cover-Artwork ab. Auf dem Foto sind man die Familie der beiden Bandmitglieder, die man tatsächlich für einen Tag beim Badener Studio zusammenbekam. Und wie von Zauberhand war genau dieser Tag der schönste und sonnigste, während direkt davor Schnee fiel und das Projekt zu scheitern drohte. Durch das Ende mit der US-Bookingagentur ging Cari Cari auch eine Europa- und USA-Tour flöten. Innerhalb eines halben Jahres, im Herbst 2024, schrieb man nicht nur das Album fertig und produzierte es aus, man hat aus dem Nichts eine neue US- und auch Europatour aus dem Boden gestampft. Dort kann man sich wegtragen lassen, von der lässigen Schönheit von Songs wie „Nana“, „Drumming Woman“, „This Song Is About You“ oder „Goodbye, Stranger“. Weder als Musiker, noch als Texter sind Cari Cari klassisch gelernte Profis – umso besser funktioniert dafür der entspannte Vibe, der sich aus dem autodidaktischen Tun ergibt.
Kompass ist ausgerichtet
„One More Trip Around The Sun” kann man schon jetzt als das legerste und entspannteste Album des Jahres bezeichnen. Die Mischung aus nachhaltigen Ohrwürmern, sommerlicher Leichtigkeit und Fernweh-Feeling kriegt hierzulande keine Band auch nur annähernd so gut auf Polycarbonat gepresst, wie das beständige Duo mit dem Hang zu abgedrehten Instrumenten und innovativen Ideen. „Wir haben uns wieder weiterentwickelt, neue Sachen ausprobiert und darauf geachtet, dass wir uns nicht wiederholen. Im besten Fall machen wir das, was wir heute so gerne machen, auch noch in 30 Jahren. Vielleicht finden andere Leute, dass es nicht unser bestes Album ist, aber dagegen kann man nichts machen. Wir haben den Kompass für uns ausgerichtet, sind komplett unabhängig und müssen uns von niemandem erklären lassen, was wir zu tun haben. Das ist auch eine Definition des Erfolgs.“
Live-Tour in Österreich
Nach ein paar Wochen in den USA spielen Cari Cari ab April auch in Österreich, um ihr drittes Album „One More Trip Around The Sun“ vorzustellen. Zu sehen ist das Duo am 2. April im Grazer Orpheum, am 3. April im Rockhouse Salzburg, am 9. April in der Music Hall in Innsbruck, am 12. April im Dornbirner Conrad Sohm, am 24. Mai bei einem Open-Air-Konzert der Wiener Arena und am 29. August im Linzer Posthof. Unter www.caricariragazzi.com finden Sie alle Termine und Infos zu den Karten.
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