Vor LA-Hallen-EM

Kuriose Historie: Start in Halle, Ziel im Freien!

Sport-Mix
03.03.2025 18:03

Lange bevor die Hallen-Europameisterschaften im Jahr 1970 in Wien ihre Premiere feierten, fanden schon unter extrem schwierigen – aus heutiger Sicht teils kuriosen – Bedingungen Leichtathletik-Wettkämpfe in der Halle statt. Davon können sich die sieben ÖLV-Athleten, die nächste Woche in Apeldoorn bei der Hallen-EM starten, kaum noch Vorstellungen machen ...

Unter den Bedingungen von einst würden Raphael Pallitsch und Co. heuer wohl nicht mehr starten. Man kann nur Respekt zollen, wie in jenen Disziplinen, in denen Rot-Weiß-Rot heuer bei der EM vertreten ist, in der Frühzeit die ersten Hallen-Rekorde aufgestellt wurden. Ein Blick ins Zeitungsarchiv lohnt immer…

„Aus der Kurve getragen“
Der „Urahn“ von Pallitsch als 1500-m-Rekordler in der Halle ist Árpád Blödy von der Hakoah Wien. In Österreich wurden zwar schon 1919 aus Propaganda-Zwecken selbst im „Ronacher“ Leichtathletik-Bewerbe gezeigt, Rundbahnen in der Halle gab es freilich noch nicht. Deshalb nutzte Blödy, einer der besten österreichischen Mittelstreckler der 1930er-Jahre, am 29. September 1936 das von Maccabi organisierte Hallen-Meeting in Frankfurt für einen Start.

„Die Veranstaltung ging in einem großen Saal vor sich und war von 4000 Zuschauern besucht“, berichtete das „Neue Wiener Tagblatt“. Blödy lief die 1500 m als Zweiter in 4:15,2 Minuten, jene Zeit, die vom ÖLV als erster Hallen-Rekord über 1500 m geführt wird. Das Besondere: Die Rundbahn war, so hieß es in dem Bericht, „nur 100 Meter lang, sodass bei den kürzeren Strecken die Läufer immer wieder aus den Kurven herausgetragen wurden“. Heutzutage sind die Rundbahnen bei Meisterschaften mit 200 m genormt.

Unter einigen Vorbehalten würde Raphael Pallitsch noch unter derartigen Bedingungen laufen: „So ein Rennen muss aber im Rahmen eines hoch dekorierten Meetings sein, es muss schon medial interessant und mit Annehmlichkeiten verbunden sein. Die Runde muss praktisch ein Kreis sein; für mein 1500-m-Tempo sind engere Radien wegen des Tempos und der Verletzungsgefahr nicht mehr durchführbar.“

Spikes auf Lehmboden verboten
Bald nach dem zweiten Weltkrieg entwickelte sich Wiener Neustadt zu einem Zentrum der Hallen-Leichtathletik. Hier wurden zwischen 1950 und 1952 die ersten ÖLV-Rekorde in der Halle im Dreisprung, 60 m der Frauen sowie über 60 m Hürden der Frauen und Männer erzielt. Österreichs EM-Starter Endiorass Kingley (Dreisprung), Sprinterin Leni Lindner sowie das Hürden-Duo Karin Strametz und Enzo Diessl würden nur staunen, unter welchen Bedingungen diese Bestleistungen erzielt wurden …

- (Bild: „Wiener Montag“)
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Aber lesen wir doch die ÖLV-Verbandsnachrichten vom 11. April 1950! „Zum ersten Mal machte der ASKÖ Niederösterreich den Versuch, ein größeres Hallen-Meeting durchzuführen. Trotz größter Schwierigkeiten, die sich der Abhaltung entgegenstellten, wurden alle angesetzten Bewerbe klaglos durchgeführt.“ Fast schon unglaublich: „60 m und 60 m Hürden mussten durch das Tor ins Freie gelaufen werden, da die Halle nur 58 m lang ist. Die Rundbahn, die nur 125 m lang ist, führte in der einen Ecke zur Gänze über die Sprunggrube, die für die Läufe vollständig abgedeckt werden musste. Die Leistungen litten auch etwas darunter, dass in der Halle, die einen sehr guten Lehmboden besitzt, keine Spikes benutzt werden durften.“

Aber dennoch! Die Athleten trotzten den miesen Bedingungen. Emmerich Zensch erzielte den ersten vom ÖLV geführten Hallen-Rekord im Dreisprung mit 12,29, Felix Würth verbesserte diesen zwei Jahre später auf 13,08 m. Traude Zolda lief 1950 die 60 m in 8,0 Sekunden – mit Start in der Halle und dem Ziel im Freien!

„Sibirische Kälte“
1952 richteten erst der ASKÖ und dann die Union in Wiener Neustadt Hallen-Meetings aus, über die die Tageszeitungen ausführlich berichteten. Die Veranstaltung am 26. Jänner, so schrieb der „Wiener Montag“ unter dem Titel „Leichtathletik bei minus fünf Grad“, fand „bei sibirischer Kälte und unter ungünstigen technischen Voraussetzungen statt“. Die „ungewöhnliche Kälte“ kam daher, dass „die Halle nicht beheizbar war“ (ÖLV-Nachrichten). Dennoch stellten Friedrich Zimmermann mit 8,8 im Vorlauf und Helga Zuber in 9,3 die ersten Hallen-Rekorde des ÖLV über 60 m Hürden auf.

Beim Meeting am 10. Februar 1952 herrschten dann „etwas höhere Temperaturen (2 bis 5 Grad über null)“, wodurch „eine Reihe ganz ausgezeichneter Hallen-Leistungen geboten wurde“ (ÖLV-Nachrichten). Da egalisierte Zolda auch ihre zwei Jahre zuvor erzielte Bestzeit von 8,0.

Maria Sykora (Bild: Krone Archiv)
Maria Sykora

Rundbahn 195 Meter lang
Gemessen an diesen äußerst harten Umständen für die Hallen-Rekorde der Frühzeit, fanden die Rekord-Anfänge über 800 m und im Fünfkampf der Frauen (wo Caroline Bredlinger bzw. Verena Mayr Österreich in Apeldoorn vertreten) längst unter guten Bedingungen statt. Maria Sykora setzte im Palac Lodowy auf einer 195 m langen Rundbahn mit ihren 2:18,7 über 800 m als Achte bei den „4. Europäischen Hallenspielen“ in Belgrad 1969 den ersten Richtwert. Damit sind wir schon in der Zeit der Hallen-Europameisterschaften angelangt, 1970 fand in Wien in der Stadthalle die glänzende Premiere dieser Titelkämpfe statt. Im Fünfkampf, der erst spät ins EM-Programm kam, fixierte Melitta Aigner in Sofia 1981 mit 4037 Punkten den ersten ÖLV-Rekord.

Die ersten Hallen-Rekorde in den Disziplinen, in denen Österreich in Apeldoorn vertreten ist:
Männer:
1500 m: 4:15,2 (2) – Árpád Blödy Frankfurt – 29.11.1936
60 m Hürden: 8,8 (1h1) – Friedrich Zimmermann – Wr. Neustadt – 26.01.1952
8,5 (1) – Klaus Potsch – Jablonec – 01.03.1969
Dreisprung: 12,29 (1) – Emmerich Zensch – Wr. Neustadt – 18.03.1950
13,08 (1) – Felix Würth – Wr. Neustadt – 26.01.1952

Frauen:
60 m: 8,0 (1) – Traude Zolda – Wr. Neustadt – 18.03.1950
8,0 (1) – Grete Jenny (Bosnyak) – Wr. Neustadt – 17.02.1951
8,0 (1) – Traude Zolda – Wr. Neustadt – 10.02.1952
800 m: 2:18,7 (8 ) – Maria Sykora – Belgrad – 09.03.1969
60 m Hürden: 9,3 (1) – Helga Zuber – Wr. Neustadt – 26.01.1952
Fünfkampf: 4037 (6) – Melitta Aigner – Sofia – 09./10.03.1981

Porträt von Olaf Brockmann
Olaf Brockmann
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(Bild: KMM)



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