Hunderte starben

Von Wien aus Todesfahrt übers Meer organisiert?

Gericht
04.03.2025 13:56

Es war eine Horrorfahrt mit einem noch schrecklicheren Ausgang: Tagelang schipperten 750 Flüchtlinge auf einem vollkommen überfüllten Fischkutter von Libyen bis zur griechischen Küste. Am 14. Juni 2023 sank das Schiff – etwa 100 Männer überlebten. Frauen und Kinder ertranken ausnahmslos. Die Schleppung von fünf Personen auf dem Todesschiff sollen zwei Syrer von Wien aus organisiert haben. Sie stehen im Landl vor Gericht.

Sechs Tage dauerte die Irrfahrt übers Mittelmeer im Juni 2023 – ohne Lenkung, ohne Essen und ohne Wasser. „Ein Fischkutter trägt keine 750 Personen“, leitet die Staatsanwältin die Schilderung des unsagbaren Unglücks am 14. Juni vor der griechischen Küste ein. Dicht gedrängt standen, saßen und lagen Männer, Frauen und Kinder auf dem völlig verrosteten Fischkutter.

Alle Frauen und Kinder starben
Vor Pylos meldete der Kapitän des Schiffs der griechischen Küstenwache einen Maschinenschaden – in nur wenigen Minuten sank der Fischkutter mit hunderten Flüchtlingen auf und unter Deck. Lediglich 104 Menschen – ausschließlich männlich – konnten gerettet werden; 79 Personen wurden tot aus dem Meer geborgen. Hunderte Männer, Frauen und Kinder gelten als vermisst – es ist anzunehmen, dass sie das Unglück nicht überlebt haben. 

Schleppung aus Wien aus organisiert?
Darunter auch Flüchtlinge, die nun im Landesgericht Wien Thema sind. Deren Schleppung sollen nämlich zwei Syrer aus der österreichischen Landeshauptstadt organisiert, sich um die Zahlungsabwicklung gekümmert haben – und dabei auch selbst ordentlich kassiert haben. Nur ein Mann überlebte, vier weitere ertranken. Die Staatsanwältin erklärt, warum in Wien verhandelt wird: „Die Organisation der Schleppung stellt bereits einen Strafbestand dar.“

Die zwei Syrer saßen bis zum Prozess im Wiener Landl in U-Haft. (Bild: Bartel Gerhard)
Die zwei Syrer saßen bis zum Prozess im Wiener Landl in U-Haft.
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Das ist eine absolute Katastrophe. Das muss wirklich ein Horrortrip gewesen sein.

Wissam Barbar, Verteidiger des 27-Jährigen

Zu dem sich sowohl der 27- als auch der 29-Jährige nicht schuldig bekennen. Wissam Barbar, Verteidiger des Erstangeklagten erklärt: „Mein Mandant hat überhaupt nichts organisiert. Er hat überhaupt nichts mit Geldern zu tun gehabt.“ Zumindest was die fünf Geschleppten des Schiffsunglücks vor Pylos angeht. Denn bezüglich zwei weiterer Fällen, die nichts mit der Todesfahrt zu tun haben, bekennt er sich schuldig, deren illegale Reise nach Europa gefördert bzw. zu fördert versucht haben. 

Kein lukratives Geschäft
Mehrere tausend Euro will er für diese „Hilfe“ aber nicht bekommen haben. Es hätte sich eher um Gefallen gehandelt. „Sie haben gesagt, sie verdienen 750 Euro als Taxifahrer. Sie haben vier Kinder und ihre Frau ist nicht berufstätig. Wie geht sich das denn aus?“, hinterfragt die Staatsanwältin. Die trockene Antwort des 27-Jährigen: „Für die Kinder bekommen wir Förderungen.“ Warum ihn eine Zeugin aus Deutschland, deren Sohn bei dem Schiffsunglück ums Leben kam, schwer belastet, kann er sich nicht erklären ...

Der 29-jährige Zweitangeklagte, verteidigt von Anwalt Peter Philipp, will mit Schleppungen überhaupt nichts am Hut haben. Der Prozess wird für seine Einvernahme und die Zeugenaussage des überlebenden Flüchtlings vertagt. Den zwei Syrern drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Der Prozess im Landesgericht ist nur ein kleiner Teil der rechtlichen Aufarbeitung der Katastrophe. Im letzten Mai startete im griechischen Kalamata der Prozess gegen neun Ägypter, die die Katastrophe überlebt hatten. Die Staatsanwaltschaft warf den Männern Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Beihilfe zur unerlaubten Einreise und fahrlässige Tötung durch die Verursachung des Schiffbruchs vor. Das Gericht befand sie jedoch für nicht schuldig. Eine im Juni 2023 vom griechischen Seegericht eröffnete Ermittlung zu möglichem Fehlverhalten der Küstenwache ist noch anhängig.

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