Mit seiner Band Hunger war Lucas Fendrich am Sprung nach ganz oben, nach der Corona-Pandemie folgten Umwälzungen und eine musikalische Neukalibrierung. Mit seinem Lucas-Fendrich-Debüt „Rezeptfrei“ bringt er eine neue, internationale Farbe in die deutschsprachige Pop-Landschaft – und wagt erneut den Angriff an die Spitze.
Es ist das Jahr der Fendrichs, so viel steht fest. Während Vater Rainhard seinen 70er und das 45-jährige Bühnenjubiläum mit einer ausufernden Tour und dem auf die Eins gegangenen Album „Wimpernschlag“ zelebriert, kalibriert sich auch Sohnemann Lucas neu. Anfang 2020 steht die Wiener Alternative-Rock-Band Hunger an der Spitze ihres bisherigen Bestehens. Mit „Amused“ schafft man es in die Netflix-Serie „Tote Mädchen lügen nicht“, wenig später landet die Nummer in der Spotify-Playlist von Taylor Swift. Die Single „Gravity“ klettert in den Ö3-Charts bis auf Platz zwei und es ist nach einer üppigen Europa-Tour auch eine erste in den USA gebucht. Nach zwei Auftritten im musikalischen Schmelztiegel New York bricht die Corona-Pandemie über uns herein. Anstatt zum renommierten „SXSW Music Festival“ nach Austin zu jetten, müssen Frontmann Lucas Fendrich und seine zwei Bandkollegen zurück in die Heimat und sind zur Untätigkeit gezwungen.
Endlich auf Deutsch singen
Die Band liegt erst einmal auf Eis und für Fendrich startet ein entscheidender Prozess des Nachdenkens. Plötzlich sind zwei bislang undenkbare Dinge greifbar. 2023 brilliert er als Publikumsliebling am heiß umkämpften Parkett der „Dancing Stars“ und nebenbei kanalisiert er seine Gefühle und Emotionen in deutschsprachige Songs. Erst einmal nur für sich und mit einem sehr engen Team schließlich bedeutet dieser neue Zugang eine Zäsur im Schaffen des 40-jährigen Künstlers. „Mein Mindset als 17- und 18-Jähriger war immer, dass ich mich nicht mit meinem Vater messen wollte. Deutschsprachige Songs kamen für mich nie infrage. Ich wuchs bilingual auf und habe mich jahrelang und in verschiedenen musikalischen Projekten bewusst in der englischen Sprache ausgedrückt.“
Nach den ersten Lockdowns und mehreren Phasen des Innehaltens und Reflektierens bekommt Fendrich Lust auf Abenteuer. Sein neues Songwriting ist ein Sprung ins kalte Wasser. Den inneren Schweinehund muss er dabei gar nicht überwinden, es fügt sich plötzlich wie von selbst. „Ich bin erwachsen und habe längst keine Angst mehr vor Vergleichen. Ich bin irgendwann in diese Welt hineingehüpft und das hat mir irrsinnig viel Spaß gemacht.“ Im Frühling 2023 streckt Fendrich die Fühler nach externen Songwritern und Produzenten aus, das experimentelle Feld kennt keine Grenzen. Bewusst wird für die ersten Songs keine bestimmte musikalische Ausrichtung gewählt, denn erlaubt ist, was Spaß macht. Schnell bemerkt Fendrich, dass die Songs ein Spiegelbild seiner eigenen Findungsphase sind.
Neu gedachter Pop
Nach der überzeugenden und passend betitelten EP „Fendi 2.0“ folgt nun das Debütalbum unter eigenem Namen: „Rezeptfrei“. Mit seinem aktuellen Klangbild hat er sich endgültig von seiner Vergangenheit emanzipiert und einen neuen musikalischen Weg eingeschlagen. Hier ein paar Beats, dort etwas mehr US-Pop, ein kleiner Schuss Austropop oder psychedelische Zutaten. Er orientiert sich an den zeitgemäßen Sounds eines Justin Timberlake oder Justin Bieber, der Vielseitigkeit von Clueso und der grenzensprengenden Ausuferung des australischen Sound-Fetischisten Kevin Parker aka Tame Impala. Pop neu gedacht und umgesetzt, mit deutschen Texten, die in die Tiefe gehen und sich stets direkt zum Kern begeben, anstatt irgendwo im Orbit des Nebulösen zu lavieren. In Fendrichs Songs geht es um die Hürden des Alltags, um Mental Health, um gesellschaftliche Drucksituationen, den Exzess zum Eskapismus oder die Liebe in all ihren lichten Höhen und schmerzhaften Tiefen.
Die bereits bekannten Single-Auskoppelungen des Wieners treffen einen Nerv. „Du und ich gegen alle“ ist ein sommerlicher Pop-Kracher, der vom gemeinsamen Kampf gegen Erwartungen von außen und der Schönheit des Zusammenseins erzählt. Die „Angst vor der Angst“ stellt das viel zu oft tabuisierte Thema Panikattacken ins Zentrum des Geschehens und propagiert die Sinnhaftigkeit einer Therapie. In „Feuer über Wien“ tanzt man mit viel lässigen Schmäh den Walzer in den Weltuntergang und „Runaway Train“ befasst sich melancholisch und trotzdem hoffnungsfroh mit dem unvermeidlichen Thema des Abschieds. Lucas Fendrichs Album heißt „Rezeptfrei“, ist aber dennoch dringend verschreibungspflichtig. Es konfrontiert einen mit den unterschiedlichsten Situationen des Lebens und erinnert unweigerlich an das eigene.
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