Wegen Tatbegehungsgefahr ist die ehemalige IS-Anhängerin Evelyn T. seit Montag in U-Haft. Die Wienerin ist am Samstag mit ihrem siebenjährigen Sohn aus Syrien heimgekehrt. Die MA 11 hat die vorübergehende Obsorge des Buben übernommen. Es gebe derzeit keine Hinweise auf eine Radikalisierung.
Wo der siebenjährige Bub längerfristig leben wird, entscheidet sich laut MA 11 „in ein paar Wochen“. Der Zustand des Sohnes der ehemaligen IS-Anhängerin würde sich derzeit „stabilisieren“, er befindet sich in einer Einrichtung der Wiener Kinder- und Jugendhilfe (MA 11). Dort werde ihm das Gefühl vermittelt, „in Österreich sicher und willkommen“ zu sein, wie Behördensprecherin Ingrig Pöschmann am Dienstag bestätigte.
Siebenjähriger in Obhut der MA 11
Die 26-jährige Wienerin Evelyn T. sowie die Salzburgerin Maria G. waren am vergangenen Wochenende mitsamt ihren Kindern in einer Rückholaktion vom Außenministerium zurück nach Österreich gebracht worden. Evelyn T. und ihr Sohn befanden sich seit demselben Jahr im Internierungslager Camp Roj in Syrien. Der Siebenjährige dürfte nicht darauf vorbereitet gewesen sein, dass er bei der Ankunft in Österreich am Flughafen Wien-Schwechat von seiner Mutter getrennt wird. Der Bub wurde noch am Flughafen der MA 11 übergeben, seine Mutter ließ sich widerstandslos festnehmen – gegen sie bestand eine aufrechte Festnahmeanordnung.
Zwei MA-11-Mitarbeitende – die Behörde war von der Einreise der beiden informiert worden – kümmerten sich währenddessen und danach um den Buben, „der anfänglich viel geweint hat“, wie Pöschmann schilderte. Der Bub sei derzeit „sehr traurig, weil die Mama nicht bei ihm ist“, so Pöschmann.
Bub versteht Arabisch, Deutschkenntnisse unzureichend
In der Einrichtung der MA 11 in der er mittlerweile untergebracht ist, habe der Bub zumindest Anschluss an andere Kinder und füge sich auch in den Alltag ein. Er wird sowohl von Psychologinnen als auch sozialarbeiterisch betreut. Auch medizinische Chechs haben bereits stattgefunden, um den Gesundheitszustand des Kindes abzuklären. Laut der MA 11 würde der Siebenjährige „Arabisch verstehen“ – Deutsch- und Englischkenntnisse seien allenfalls in rudimentärer Form vorhanden und „in Abklärung“.
Wo der Siebenjährige längerfristig leben und aufwachsen wird, meinte Pöschmann: „Wir machen uns ein Bild von den familiären Ressourcen.“ Bis dato habe sich die Oma des Buben gemeldet und sich bereiterklärt, den Buben aufzunehmen und sich um ihn zu kümmern. Ob es dazu im Sinne des Kindeswohls auch kommen wird, wird nun in Form einer „Gefährdungsabklärung“ geprüft, sagte Pöschmann. Dieser Prozess werde „ein paar Wochen“ dauern. Mitberücksichtigt werden müsse auch, „wie es mit der Mutter weitergeht und ob sie in Haft bleibt“, erklärte die MA-11-Sprecherin.
Keine Hinweise auf Radikalisierung
Die Wiener Staatsanwältin Anna Mair und rechtliche Vertreterin der Mutter Evelyn G. unterstütze den Vorschlag, den Buben „in Hinblick auf das Kindeswohl“ in die Obhut der Familie zu übergeben. Die 26-Jährige hoffe auf ein baldiges Wiedersehen mit ihrem Sohn. Sie sei „die einzige Bezugsperson des Siebenjährigen“, gab Mair zu bedenken.
Völlig offen ist, welche seelischen Spuren das Aufwachsen im Internierungslager für IS-Gefangene bei dem Siebenjährigen hinterlassen hat. „So eine Umgebung macht etwas mit einem Kind“, ist man sich der bei der MA 11 bewusst. Man verschließt sich in diesem Zusammenhang bei der Kinder- und Jugendhilfe auch nicht der Frage, ob und inwieweit das jahrelange Leben unter – zumindest ehemaligen - IS-Anhängerinnen und -Anhängern den Buben geprägt hat und dieser allenfalls entsprechendes Gedankengut in sich trägt. „Derzeit gibt es bei ihm keinen Hinweis auf eine Radikalisierung“, betonte MA-11-Sprecherin Pöschmann abschließend.
Zweite Ex-IS-Anhängerin Maria G. auf freiem Fuß
Über die 26-Jährige Mutter Evelyn G. hat das Landesgericht für Strafsachen auf Antrag der Staatsanwaltschaft Wien U-Haft wegen Tatbegehungsgefahr verhängt, die vorerst bis zum 17. März rechtswirksam ist. Gegen Evelyn T. wird wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation ermittelt. Sie hatte sich 2016 der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) angeschlossen, war nach Syrien gegangen und brachte dort ihren Sohn zur Welt. Sie wurde nach dem Sieg der Kurden gegen den IS gemeinsam mit dem Kind in Camp Roj – einem Gefangenenlager im Nordosten Syriens – interniert. Seit 2017 lebten die beiden unter menschenunwürdigen Umständen in dem berüchtigten Zeltlager.
Indes befindet sich die ebenfalls am Samstag aus Syrien mit ihren Kindern nach Salzburg zurückgekehrte Ex-IS-Anhängerin Maria G. auf freiem Fuß. In ihrem Fall verzichtete die zuständige Staatsanwaltschaft Salzburg auf einen Antrag auf Verhängung der U-Haft. Das Außenministerium bot nach eigenen Angaben seit 2019 an, die minderjährigen Söhne von Maria G. zurückzuholen. Das habe Maria G. stets verweigert. Das Bundesverwaltungsgericht ordnete schlussendlich am 10. Oktober 2024 die Rückholung von Maria G. und ihren beiden Söhnen an.
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