Westbahnhof-Terror

„Er sagte: Alle Ungläubigen müssen sterben“

Wien
05.03.2025 15:43

Ein Schüler wird im Unterricht verhaftet. Er soll einen Terroranschlag geplant haben. Schüler und Eltern werden danach lange im Dunkeln und mit ihren Sorgen alleine gelassen. Sie sprechen jetzt von Behördenversagen – doch die Bildungsdirektion wehrt sich gegen die Vorwürfe. 

Wenige Tage nach dem Terroranschlag von Villach wurde bekannt: Auch Wien entging nur knapp einer Tragödie. Ein 14-Jähriger soll einen Anschlag am Westbahnhof geplant haben. Er wurde kurz zuvor in der Polytechnischen Schule in der Schopenhauerstraße von sieben Polizisten (vier in Uniform, drei in Zivil) verhaftet. Weder Eltern noch Schüler wurden danach über die Gründe informiert oder betreut. Erst als sie auf den Polizeifotos den USB-Stick der Schule erkannten, dämmerte ihnen die Gefahr. Sie äußern Kritik an den Behörden.

Die Schüler und Eltern erkannten den USB-Stick der Schule in den Berichten. (Bild: privat)
Die Schüler und Eltern erkannten den USB-Stick der Schule in den Berichten.

Eltern sprechen von Behördenversagen
Eltern (zum Schutz halten wir die Namen der Betroffenen geheim) berichten, dass bis heute keine Schüler von den Ermittlungsbehörden befragt wurden. Ihr Kind war in derselben Klasse wie der Verdächtige. „Er kam nach Hause und erzählte, dass sieben Polizisten die Klasse betraten, angeblich wegen eines Messers. Wir wussten sofort, dass da mehr dahintersteckt.“ Erst aus der Zeitung erfuhren sie, dass ihr Sohn neben jemandem saß, der Waffen und Sprengstoffanleitungen bei sich hatte.

Der 14-Jährige mit türkischen Wurzeln wurde in der Schule in Währing festgenommen. Er soll einen Anschlag am Westbahnhof geplant haben. (Bild: Jöchl Martin)
Der 14-Jährige mit türkischen Wurzeln wurde in der Schule in Währing festgenommen. Er soll einen Anschlag am Westbahnhof geplant haben.

Gebete und rituelle Waschung auf der Toilette
Mitschüler beschreiben den Jugendlichen als zunehmend radikalisiert. Er habe in der Klasse religiöse Diskussionen geführt und Mitschülerinnen bloßgestellt, wenn sie kein Kopftuch trugen. „Er sagte: ,Alle Ungläubigen gehören getötet.‘ Das war kein Witz, das hat er ernst gemeint.“

Er habe regelmäßig in der Schultoilette gebetet und seine Füße gewaschen. Beim Nikolausfest habe er muslimische Schüler aufgefordert, keine Geschenke von „Ungläubigen“ anzunehmen. Nach seiner Verhaftung wurde den Mitschülern bewusst, in welcher Gefahr sie schwebten.

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Lehrer müssen ernst genommen werden, wenn sie Radikalisierung bemerken. Uns stehen leider keine konkreten Ansprechpartner zur Seite.

(Bild: fcg)

Thomas Krebs von der Fraktion christlicher Lehrergewerkschaft (FCG)

Wer wusste davon?
Die Eltern haben Fragen: „Wer hat gewusst, dass dieser Schüler bereits auffällig war? Wann wurde die Schule informiert? Wurde sie überhaupt informiert? Oder hat sie es selbst gemeldet und wurde ignoriert? Ich bin mir sicher, dass die Lehrer längst Alarm geschlagen haben – aber passiert ist trotzdem nichts. Da muss doch jemand eine Entscheidung getroffen haben, einfach wegzuschauen.“

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Es entsteht der Eindruck, dass man eher darauf bedacht ist, Problemfälle nicht offiziell zu machen, anstatt für Opferschutz und Sicherheit zu sorgen.

(Bild: Tomschi Peter)

Christian Klar, Schuldirektor und Buchautor

Bildungsdirektion: „Haben Schlimmeres verhindert“
In der Bildungsdirektion weist man die Kritik gegenüber der „Krone“ zurück: „Bereits im Dezember wurde Kontakt mit der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst aufgenommen und der Verdacht auf Radikalisierung gemeldet. Es gab auch Beratungsgespräche mit Schülern der Klasse.“ Es habe auch einen Austausch mit der betroffenen Mutter gegeben. Auch im Zuge der Verhaftung sei diese unterstützt worden. Und: „Feststeht: Durch die Aktivitäten der Schule, des Schulleiters und der Pädagogen war es möglich, den Fall aufzudecken und somit Schlimmeres zu verhindern.“

Wie viele unerkannte Gefährder sitzen in den Klassen?
Lehrergewerkschafter Thomas Krebs warnt davor, Warnsignale zu ignorieren. „Lehrer müssen ernst genommen werden, wenn sie Radikalisierung bei Schülern bemerken. Hier gibt es nichts zu verharmlosen.“ Schuldirektor Christian Klar fordert, dass Schüler mit extremistischem Verhalten nicht ohne Konsequenzen in ihre Klassen zurückkehren dürfen. „Es kann nicht sein, dass jemand nach schwerwiegenden Vorfällen einfach wieder im selben Umfeld sitzt.“

Eltern und Lehrer fordern nun eine klare Strategie im Umgang mit radikalisierten Jugendlichen. Die Debatte um den Schutz der Schüler und die Informationspflicht der Behörden ist damit neu entfacht. Viele fragen sich: Wie viele unerkannte Gefährder sitzen noch in österreichischen Klassenzimmern?

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