Immer mehr Kinder und Jugendliche in Österreich sind von einer Erpressung mit Nacktfotos oder -videos über soziale Medien betroffen. 327 entsprechende Beratungsgespräche führte Rat auf Draht im Vorjahr, teilte das Sorgentelefon am Mittwoch in einer Aussendung mit.
Bereits von 2022 auf 2023 gab es einen Anstieg von 29 Prozent rund um die sogenannte Sextortion. Die Dunkelziffer dürfte aber viel höher sein. Rat auf Draht warnt, dass sich viele aus Scham niemandem anvertrauen.
Unter den Opfern sind laut Auswertung von Rat auf Draht weiterhin deutlich mehr Burschen und junge Männer. Rund 72 Prozent der Gespräche fallen auf diese Gruppe. Allerdings habe der Anteil der Mädchen und Frauen im Vergleich zu 2023 deutlich zugenommen. 2023 lag das Verhältnis noch bei 83 Prozent männlichen zu 17 Prozent weiblichen Anrufern.
„Besonders alarmierend ist, dass die Betroffenen immer jünger werden“, sagte Birgit Satke, Leiterin des Beratungsteams. Den größten Anstieg mit plus 178 Prozent der Beratungen verzeichnete Rat auf Draht in der Altersgruppe der elf bis 14 Jahre alten Mädchen und Buben.
Masche der Erpresser immer gleich
Das Vorgehen der Erpresser bleibt hingegen immer gleich: Über soziale Netzwerke wie Instagram, Snapchat oder TikTok, aber auch verstärkt über Dating-Plattformen oder in Online-Spielen, werden die Kinder und Jugendlichen von attraktiven Personen angesprochen oder angeschrieben. Sie schmeicheln ihren späteren Opfern und täuschen sexuelle Absichten vor. Sie senden selbst Nacktbilder oder -videos von sich und fordern schließlich dazu auf, es ihnen gleichzutun. Gehen die Kinder und Jugendlichen darauf ein, ändert sich die Stimmung schlagartig und sie werden aufgefordert, Geld zu zahlen.
„Ansonsten drohen die Täterinnen oder Täter damit, das Material in sozialen Netzwerken zu posten oder direkt an Freunde oder Freundesgruppen der Betroffenen zu senden. Mittlerweile wird auch als Zeichen, dass die Erpresser es ernst meinen, oft vorab ein Bild oder Video an eine Person oder bestimmte Gruppe gesandt, um der Forderung Nachdruck zu verleihen“, sagte Satke.
Kriminelle setzen immer mehr auf KI
Neu ist hingegen, dass die Kriminellen immer stärker auf Künstliche Intelligenz setzen. „Das passiert auf zwei Arten. Zum einen verwenden sie KI generierte Bilder oder Videos, um Jugendliche in die Falle zu locken. Sprich die Person, von der die Opfer angeschrieben werden und die zu sehen ist, existiert nicht wirklich. Zum anderen verwenden die Täterinnen oder Täter auch KI generierte Bilder, die das vermeintliche Opfer zeigen sollen, um es zu erpressen“, erläuterte Satke.
Der Leidensdruck, die Scham und die Schuldgefühle der Betroffenen sei genauso hoch wie bei echten Aufnahmen, erzählte die Expertin nach Auswertung der Beratungsgespräche.
So reagieren Betroffene richtig
Die Experten empfehlen allen Betroffenen dringend, sich jedenfalls zu wehren. „Trotz Schock und Verzweiflung ist ganz wichtig, nicht auf die Forderungen einzugehen und nicht zu bezahlen“, sagte Satke. Das Bezahlen der Forderungen verhindere in vielen Fällen auch keine Veröffentlichung, sondern wird als Aufforderung verstanden, es zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu versuchen.
Der Kontakt zu den Tätern sollte sofort abgebrochen und Beweise, etwa Screenshots von Erpressungschats, gesichert werden. Bei bereits veröffentlichten Bildern oder Videos sollte es sofort Meldungen an die jeweilige Plattform geben. Zudem sei eine Anzeige bei der Polizei ratsam.
Online-Tools gegen Sextortion
Abhilfe können zwei Online-Tools schaffen, die eine weitere Veröffentlichung von Nacktaufnahmen verhindern können, so Rat auf Draht. Die beiden Websites takeitdown.ncmec.org für Personen unter 18 Jahren und stopncii.org für Erwachsene verhindern den Upload von intimen Aufnahmen auf viele Plattformen. Zur Nutzung müssen die Bilder und Videos aber noch auf einem Endgerät gespeichert sein.
„Auf dem Gerät wird ein digitaler Fingerabdruck von dem Foto oder Video erstellt und an den Dienst übermittelt, der es den Online-Plattformen ermöglicht, intime Bilder oder Videos zu identifizieren und eine Veröffentlichung zu verhindern“, erklärt Satke. Die Bilder verbleiben auf dem Gerät des Users und werden nicht hochgeladen.
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