Ein Mann, der den Kopf in eine Wand steckt, ein fliegender Mixer oder eine monströse Pullover-Skulptur in Grün: Man könnte meinen, das Linzer Francisco Carolinum ist zum Kabinett der verrückten Ideen mutiert. Dabei ist hier nur der Auftakt zu einer Ausstellungstrilogie von Erwin Wurm in Oberösterreich zu sehen. Ein guter Einstieg in das surreale Werk des Weltstars, der auch in Ischl und Gmunden für Überraschungen sorgen wird.
Viele Leute kennen die fetten Autos von Erwin Wurm. Und viele kennen die sogenannten „One Minute Sculptures“: Menschen halten eine verrückte Position kurz ein und lassen sich dabei fotografieren.
Konnte Wurm früher noch seine Signatur darunter setzen, weil es um Fotos auf Papier ging, ist das im Smartphone-Zeitalter obsolet geworden. Damit hat so eine „One Minute Sculpture“ keinen Autor mehr, jeder kann sein Selfie posten.
Wurm nimmt es gelassen, wie er in seiner Ausstellung „Photografic Sculptures“ im Francisco Carolinum signalisiert. Hier sind noch viele Fotos auf Papier, darunter Silbergelatine-Abzüge und C-Prints zu sehen.
Frühwerk zeigt schon Humor
Selten präsentiert: Ein Streifzug durch sein Frühwerk ist sehr interessant, man entdeckt Schwarzweiß-Fotografien, oft wurden surreale Szenen in Wohnräumen aufgenommen. Es gibt zudem vielfältige Beispiele für „One Minute Sculptures“ sowie neuere Fotoarbeiten. Insgesamt gelingt ein guter Einstieg in das surrealistische Universum von Erwin Wurm, das mit großartiger, feiner Ironie auch eine Gesellschaft im Überkonsum spiegelt.
Erwin Wurm im Gespräch mit der „Krone“
In Oberösterreich ist heuer eine Ausstellungstrilogie geplant. In Gmunden wird Wurm Keramiken zeigen. Das Highlight: Am 17. Mai wird eine große Werkschau in Kaiserpark und Marmorschlössl in Bad Ischl eröffnet.
Im „Krone“- Talk verrät der weltberühmte Künstler Erwin Wurm, was er für Ischl vorbereitet.
„Krone“: In Ihrer Linzer Ausstellung hier im Francisco Carolinum sehen wir ganz zentrale Ideen ihres Werks. Sie haben surreale Momente fotografiert: Einen fliegenden Mixer, Tischskulpturen mit Staub. Oder es gibt ein Video von einem Mann, der 13 Pullover anzieht, und Fotos von den berühmten „One Minute Sculptures“. Sie haben Leute eingeladen, sich in verrückten Positionen hinzustellen. Wenn das jemand macht, verändert das etwas in dessen Leben?
Erwin Wurm (lacht): Nein, das glaube ich nicht.
Sie verformen, schrumpfen, verfetten, erweitern Pullover, Taschen oder Autos. Sie bitten Leute, lebendige Skulpturen zu machen. Aber es geht doch sicher nicht nur um Kunst.
In erster Linie geht es mir immer darum, dass ich in meiner Arbeit den skulpturalen Begriff hinterfrage. Aber mir war auch immer wichtig, dass meine künstlerische Arbeit nicht im luftleeren Raum steht. Denn sie wird in einer gewissen Zeit von einer Person, die in einer Gesellschaft verankert ist, gemacht. Ich reflektiere daher – bewusst und unbewusst – die Zustände meiner Zeit, ob das die Politik ist, die Gesellschaft oder was auch immer.
Ich liebe Ihre „Fat Cars“, die „fetten Autos“. Wie sind Sie darauf gekommen?
Bildhauerische Arbeit ist immer Arbeit am Volumen. Wir modellieren etwas, wir fügen Volumen hinzu oder nehmen es weg. Das Gleiche passiert, wenn wir Kilos zu- oder abnehmen. Wir sind eigentlich alle Bildhauer! Aber was ist, wenn ich den biologischen Prozess mit einem technoiden System – mit einem Auto – zusammenbringe? Das Auto wird ideologisch aufgeladen, es wirkt menschlich, zum Kuscheln.
Ein gefräßiges Monster.
Die Umweltverschmutzung, die Abgase, das Negative, das Zuviel – der Überkonsum ist ebenfalls oft ein Thema in meinen Arbeiten, die die Gegenwart auch hinsichtlich unangenehmer Dinge befragen.
Verraten Sie uns schon jetzt: Werden sie in Bad Ischl ein „Fat Car“ präsentieren?
Ja, einen fetten Mini.
Bis zur Eröffnung am 17. Mai ist noch ein wenig Zeit. Woran arbeiten Sie aktuell?
An neuen Arbeiten (lacht).
Ja, klar. Aber in welche Richtung geht es?
Ich schaue, dass mir wieder was Gutes einfällt. Denn eine gute Idee für eine Künstlerkarriere ist zu wenig. Man muss versuchen, die Ideen immer wieder auf neue Höhen zu treiben – keine Ahnung, ob mir das gelingt. Aber es macht auf jeden Fall Spaß!
Infos: Erwin Wurm, „Photographic Sculptures“, bis 7. September, Francisco Carolinum, Museumstraße 14, 4020 Linz.
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