Jahrelang haderte Lady Gaga mit ihrer Mainstream-Pop-Vergangenheit. Mitunter ihrem Verlobten und wichtigen Leuten aus dem engeren Umkreis ist es zu verdanken, dass „Mayhem“ wieder nach früher klingt. Trotz all den Hits, Choreografien und starken Songs fehlt es aber an Innovation und Fortschritt.
Durch die vielen aufflackernden Sternchen auf TikTok und Instagram ist es mittlerweile selten geworden, dass echte Pop-Kapazunder mit einem neuen Studioalbum aufwarten. Und dann auch noch mit ausreichend Vorlauf Singles veröffentlichen und stückchenweise Einblicke in ihr Werk geben. Pop-Queen Lady Gaga macht es anders als die vor allem aus dem Hip-Hop-Bereich bekannten Kollegen, die ihre Werke über Nacht droppen und dabei für Aha-Momente sorgen. Dabei ist schon die bloße Rückkehr Gagas zu ihren Pop-Wurzeln eine veritable Überraschung. Mit dem unlängst verstorbenen Crooner Tony Bennett hat sie sich für zwei Alben in der ruhigeren Nische eingerichtet, dazu hat sie sich nach dem Erfolgsalbum „Chromatica“ (2020) zunehmend auf ihre Filmkarriere konzentriert.
Der Angst gestellt
Mit „House Of Gucci“ (2021) und „Joker: Folie à Deux” (2024) reüssierte sie als ernstzunehmende Schauspielerin, auch wenn die Produktionen dahinter nicht die großen Box-Office-Hits waren und teilweise von der Kritik zerrissen wurden. Parallel zum „Joker“-Film arbeitete sie an Jazz- und Lounge-artigen Songs, die im Herbst als eigenes Produkt herauskamen. Fans der Pop-Königin fragten sich aber zunehmend, ob es das nun war, mit der großen Pop-Karriere. Zumal die (vorwiegend weibliche) Konkurrenz nicht schläft und neben Taylor Swift oder Miley Cyrus mit Charlie XCX, Olivia Rodrigo, Sabrina Carpenter und Co. längst die nächste Sängerinnengeneration heranwuchs, um die Charts zu erobern. Im „Hollywood Reporter“ etwa war ein Statement zu lesen, dass sich Gaga erst einmal der Angst stellen musste, zu dem Sound zurückzukehren, den ihre Fans von früher lieben.
Dabei waren die Vorboten schon mehr als vielversprechend. Die Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln begann vergangenen Oktober mit der Single „Disease“, einem düsteren Synth-Pop-Song mit EDM-Einflüssen, der sich mit seiner düsteren Horror-Optik im Video und der makellosen Produktion von Andrew Watt und Cirkut sofort zu einem veritablen Hit mauserte und die Fans gierig nach mehr zurückließ. Gaga stellt sich darin ihren eigenen Ängsten und der Dunkelheit in ihren Gedanken, was „Disease“ sofort zum Schlüsselsong für das kommende Album machte. Mit der zweiten Single „Abracadabra“ ging Gaga vor gut einem Monat endgültig zu den Wurzeln ihrer juvenilen Pop-Vergangenheit zurück. Die Premiere des Musikvideos wurde bei den Grammys bejubelt, der Song dazu ging global in die Top-10. Dass auch noch die Melodie von „Spellbound“ von Siouxsie And The Banshees Teil des Gesamtprodukts ist. Inhaltlich geht sie der Frage nach, wie es sich wohl anfühlt, wenn man sein Leben lebt und nicht nur einfach überlebt.
Eklektische Song-Mischung
Ebenfalls bereits vorab bekannt war die Grammy-prämierte Hit-Single „Die With A Smile“ mit Bruno Mars, die hier auch noch einmal zu Albumehren kommt. In den 14 Songs findet man Gaga in Disco-Bestform, wie man es von den klassischen Alben der New Yorkerin gewohnt ist. Musikalisch macht sie dabei keine Mördergrube aus ihrem musikalischen Herzen und orientiert sich – wie früher - unverkrampft an den eingängigen Beats ihres Idols Madonna. Die 80er-Jahre erstrahlen vor allem aus „Killah“, für das sie mit dem französischen DJ Gesaffelstein kooperierte. „Perfect Celebrity“ ist eine lockere Abhandlung mit den Schattenseiten des Ruhms, und „Shadow Of A Man“ kann man als Selbstermächtigungshymne deuten. Immer wieder gibt es Abhandlungen über Erfahrungen und Lebenssituationen, mit denen die Künstlerin in den letzten Jahren konfrontiert war. Das wird aber nicht erzwungen und bissig, sondern extrem leichtfüßig in unterschiedliche Tracks gegossen.
Die Entstehungsgeschichte dahinter ist mit einer Menge Positivismus verknüpft. Einerseits betonte sie schon im letzten Jahr, sie hätte mitunter die besten Songs geschrieben, an die sie sich erinnern kann. Andererseits hätte ihr der Entstehungsprozess immensen Spaß bereitet und sie konnte damit so einige innere Dämonen besiegen. Der offen zur Schau gestellte, klangliche Eklektizismus ist nicht zuletzt ihrer tiefgehenden Liebe für Musik im Generellen geschuldet. „Die Antwort für all das Chaos in meinem Leben ist, dass ich meinen Frieden in der Liebe finde“, erzählte sie dem „Rolling Stone“ in einem Interview zum neuen Werk, „es gibt klangliche Momente, wo wir den Sound wirklich bis in die extremen Ecken hinaus bearbeitet haben, andere sind wiederum voller Frieden und Ruhe. Aus diesem Grund bietet das Album ein bisschen von allem an – eine allumfassende Erfahrung.“
Weiter fest am Thron sitzen
Wie schon für „Joanne“ (2016) und dem Soundtrack von „A Star Is Born“ (2018) begab sich Gaga für die Aufnahmen in die Shangri-La-Studios von Rauschebart Rick Rubin. Zwischen sehr viel Party und beruhigenden Momenten voller Intimität gibt es auf dem 14 Song starken, fast eine Stunde andauernden Album eine Menge Kurven zu umfahren und Überraschungen zu entdecken. „Mayhem“ mag vielleicht nicht die unverbrauchte Frische ihrer alten Dance-Pop-Alben widerspiegeln, aber für eine „Back To Basics“-Platte funktioniert das Soundgebräu hervorragend. Die Einflüsse der französischen Elektronikszene und die Zuwendung zu Industrial-Sounds tut dem Produkt mehr als gut. Die Thronfolgerinnen mögen mit den Hufen scharren, Queen Gaga lässt sich aber nicht so schnell vom Sockel reißen.
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