Kammerspiele

Der amerikanische Traum endet in der Hölle

Kritik
08.03.2025 08:36

„Von Mäusen und Menschen“: John Steinbecks genialer Text wird in den Kammerspielen zur grausamen Vivisektion verlorener Seelen.

Das Phänomen ist geläufig: Ein einziger Kunstgriff kann genügen, um eine Aufführung aus der Routine des Gelingens ins Außerordentliche zu heben. Den Genieblitz teilen sich in diesem Fall der Regisseur Torsten Fischer und der Bearbeiter Herbert Schäfer, der auch das minimalistische Bühnenbild gefertigt hat. Was ihnen da gelungen ist?

Der spätere Nobelpreisträger Steinbeck hatte den 1937 erschienenen Roman von Anfang an alternativ als Bühnenstück oder Drehbuch angelegt. Im Text dominieren die Dialoge, die Prosapassagen lassen sich wie Szenenanweisungen lesen. Aber sie glühen in einer von Farben, Duft und Erregung vibrierenden Sprache, und einige dieser grandiosen Texte werden von Fischer und Schäfer fließend in die Dialoge eingearbeitet.

Das erzeugt augenblicklich eine derart bezwingende Atmosphäre, dass sich die Regie ganz auf die grausame Geschichte und die fabelhaften Rollen konzentrieren kann. Und wie das gelingt! Steinbecks elende Wanderarbeiter George und Lennie, die dem amerikanischen Traum vom eigenen Stück Land hinterherkeuchen, scheinen zehn Jahre später in „Warten auf Godot“ wiederzukehren. Aber Beckett lässt ihnen den Rest einer positiven Prognose. Steinbecks Gestalten hingegen gehen in einer gnadenlosen Welt zum Teufel.

Wie Fischer mit dem furiosen Ensemble arbeitet, ist außerordentlich. Der wendige, drahtige George (exzellent: Claudius von Stolzmann) kämpft hoffnungslos darum, seinen Kompagnon von der Katastrophe fernzuhalten. Dieser Lennie ist ein Idiot mit riesigem Herzen und noch größerer Kraft, der alles, was er liebt, zu Tode drückt. Was Robert Joseph Bartl, schon körperlich eine Idealbesetzung, hier zur Schmerzensgestalt formt, ist allerhand, herzzerreißend.

Der dritte Ausnahmekönner ist Johannes Krisch als bald zum Abfall beförderter Arbeiter. Zu Beginn lagert die Gutsbesitzerfamilie – Luka Vlatkovic, Paul Matic und die wundervolle Paula Nocker – an der Rampe und beschwört singend die Country-Idylle, die sich alsbald als Höllen erweisen wird, besiedelt von Alexander Strömer und Ljubisa Lupo Grujcic, befehligt von Johannes Seilern. Die bald neue Direktion wäre gut beraten, an diesem Kammerensemble der Könner nicht zu rühren.

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