Bahnchef Andreas Matthä über die Explosion der Passagierzahlen: 2024 beförderten die ÖBB erstmals über 500 Millionen Fahrgäste. Die Passagierzahlen wuchsen viel schneller, als neue Züge geliefert wurden.
„Krone“: Die ÖBB stecken in einem schönen Dilemma: Auch wegen des Klimatickets explodieren die Gästezahlen, während Lieferprobleme zu einem Materialmangel und so zu vollen Zügen und Verspätungen führen.
Andreas Matthä: Die Passagierzahlen sind viel schneller gewachsen, als Züge geliefert wurden. Wir haben aber im letzten Jahr 30 Züge eingeflottet. 2024 war daher ein gutes und herausforderndes Jahr. Unser Ziel für 2030 war es, 500 Millionen Passagiere zu erzielen. Das ist uns jetzt schon gelungen und die halbe Milliarde ist geknackt. Der Fernverkehr war trotz der Hochwasserschäden auf der Weststrecke stabil. Aber erstmals seit Covid sind wir im Nahverkehr um zehn Prozent gestiegen. Das Homeoffice dürfte in Österreich zurückgegangen sein und wir konnten das Angebot ausweiten.
Wo stehen wir damit im Vergleich? Noch nicht beim Weltmeister Schweiz, oder?
Noch nicht. Wir sind Nummer eins in der EU, als pünktlichste Netzwerkbahn und mit den meisten Passagieren.
Pünktlich ist relativ, oder?
Die größten Schmerzen bereitete der Fernverkehr. Die Hälfte aller Verspätungen haben mit Anschlüssen aus dem Ausland und/oder dem Wetter zu tun. Von Salzburg Richtung Innsbruck über das deutsche Eck hat mit Pünktlichkeit nichts mehr zu tun.
Deutschland wird für eine Zeit zu einem noch größeren Problem werden: Die Hochleistungsstrecke wird saniert. Das gibt Chaos, oder?
Die Hochleistungskorridor-Sperren werden uns 2026 und auch 2027 jeweils mehrere Monate beschäftigen. Unmittelbar betroffen werden wir mit einer Sperre zwischen Passau-Regensburg und dann Regensburg-Nürnberg, Salzburg-Rosenheim und Rosenheim-München sein. Aber wir bereiten uns akribisch vor: Wenn die Strecke Salzburg-Rosenheim gesperrt ist, fahren wir die innerösterreichischen Züge über Zell.
Also eine längere Fahrzeit?
Nach München bist du mit dem Zug immer noch schneller als mit dem Flieger. Aber es sind nach Innsbruck und Bregenz 90 Minuten mehr, wenn das deutsche Eck fehlt.
Unserer Politik sagt man nicht unbedingt nach, langfristig zu denken: Bei der Infrastruktur passierte das aber viel ausgeprägter als in Deutschland. Das spüren Güterverkehr und Industrie.
Ja, das sehe ich noch viel, viel problematischer. Daher haben wir nicht nur den Personen-, sondern auch den Güterverkehr und die Wirtschaft im Auge. Wir planen daher gerade intensiv, wie wir die Umleitungsverkehre so gestalten, dass wir unsere wichtigsten Länder gut verbinden können.
Heuer wird es keine Fahrplanausweitung geben?
Wir hatten eine 2024, nun bereiten wir uns auf die Totalumstellung unseres Verkehrssystems 2026 vor. Mit der Eröffnung der Koralm-Strecke haben wir eine neue Südstrecke. Auf der alten Südbahn bieten wir ein neues fernverkehrsähnliches Produkt, nahverkehrsähnliche Garnituren mit 1. Klasse und einer entsprechenden Qualität, an. Das nennt sich Interregio-Konzept. So wird der Fernverkehr bis Dezember 2026 um 35 Prozent ausgeweitet.
Mit dem neuen Infrastrukturminister Peter Hanke haben Sie ein gutes Verhältnis?
Wir kennen uns seit Jahrzehnten und haben eine gute Arbeitsbeziehung. Wenn man sich das Verkehrskapitel bzw. die Aufgaben der Koalition ansieht: Wie lautete der alte Hit? „Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt!“
Werden Sie als CEO in die Verlängerung gehen?
Ich habe bis 2026 einen Vertrag, dann werden wir sehen. Aber die Herausforderungen beschäftigen mich nicht nur, sondern bereiten mir Freude.
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